Kapitel 35 (Blutrausch)

1K 68 5
                                    

„Also...,"
fing er an, zog eine Augenbraue hoch und musterte mich mit seinem scharfen Blick von oben bis unten. Meine Uniform war von Blut getränkt, die Bluse an manchen Stellen eingerissen, der Rock wirkte unnatürlich zerknittert, verrutscht und meinen Mantel wie auch Schal hatten schon längst unsanft Bekanntschaft mit dem kalten Boden gemacht. Genervt fuhr ich mir durch die langen Haare, zog mein Jäckchen zurecht und atmete tief durch,
„also...".

FLASHBACK

Entspannt atmete ich die kühle Abendluft ein und genoss die leichte, frische Brise, welche mir um die Nase wehte. Auf den Straßen herrschte Stille, die gesamte Stadt schien in einen ruhigen Schlaf gefallen zu sein. Gemächlich trottete ich die breite Fronttreppe des Schulgebäudes hinab, drehte mich danach kurz um und vergewisserte mich, dass mir auch niemand gefolgt war. Dann setzte ich mich erneut in Bewegung und schlenderte durch die sanft erleuchteten Gassen des Ortes. Niemand wusste, dass ich die letzten beiden Stunden sausen ließ und mich heimlich davon gemacht hatte. Nun ja... niemand außer Laito, welcher mich bei den anderen – vor allem Reiji und Shuu – deckte. Ich hatte extremen Hunger und begann mich langsam wieder schwach zu fühlen. Dieser Zustand des Halbverwandelt-Seins musste endlich aufhören, ich hielt es nicht mehr aus. Zum ersten Mal spürte ich ein rasendes Verlangen nach Blut in mir aufsteigen, einfach zu lange hatte ich mir bei der Wahl nach einem geeigneten Opfer Zeit gelassen. Gefunden hatte ich immer noch keines, deshalb hoffte ich nun auf mein Glück und den Zufall des Schicksals. Vielleicht war mir das Leben gegenüber ausnahmsweise mal gnädig gestimmt.
   Mit der Zeit entfernte ich mich mehr und mehr von dem komplexen Schulgebäude und begab mich ein wenig ziellos Richtung Innenstadt. Da heute Freitag war, hoffte ich ein einfach zu überwältigendes, potentielles Opfer zu finden. Fröstelnd zog ich den gestrickten Schal über die Nase und steckte meine Hände in die großen Tasche des warmen Mantels. Links wie auch rechts zu mir wurde die Straße von Bars und kleineren Diskotheken in ein sanftes, schummriges Licht getaucht. Langsam breitete sich ein nasser Nebelteppich über der Stadt aus. Der Geruch von Alkohol und Zigarettenqualm lag schwer in der Luft. Mir wurde flau, das Nachtleben der Jungen schien nun wirklich etwas zu sein, für das ich mich niemals begeistern könnte. Widerwillig betrat ich eine der unzähligen Kneipen, das intensive, grelle Grün des Aushängeschildes war mir von Anfang an ins Auge gesprungen und hatte mich – zugegebenermaßen – irgendwie in seinen Bann gezogen. An der Bar nahm ich Platz, schälte mich aus Jacke wie auch Schal und unterdrückte den Würgereiz, welcher durch den Gestank von Bier und schwitzenden Menschen ausgelöst worden war. Ich mache das für mich... meine Zukunft, schoss es mir durch den Kopf, deshalb flüchtete ich nun nicht aus dem stickigen Gebäude sondern blieb stumm auf meinem Hocker sitzen. Die basslästige, viel zu einfache Musik drang in lauten Tönen durch meine Ohren, Kopfschmerzen waren da nun wirklich vorprogrammiert. An der Bar lehnend wandte ich mich um und überblickte den gut gefüllten Raum. Schwitzende Körper pressten sich tanzend eng aneinander, an anderen Tischen floss der Alkohol in Form von Cocktails in großen Mengen und mir gegenüber – gut zehn, fünfzehn Meter entfernt – saß ein junger, schwarzhaariger Mann, welcher mich nahezu anzustarren schien. Hatte ich wohl doch genügend an gutem Karma angesammelt? Anscheinend schon, denn dieser Typ stand nun auf und setzte sich langsam in Bewegung, den Blick weiterhin mich fixierend. Wissend nahm mein Gesicht die unschuldigste Mimik, welche ich nur aufsetzen konnte, an und ein schüchternes Lächeln zierte die leicht rosigen Lippen.
„Dürfte ich die Dame auf einen Drink einladen?"
sprach mich der Schwarzhaarige mit schmieriger Stimme an. Die Lautstärke der Frage übertönte mit Leichtigkeit die lärmende Musik und mir Schlug eine Ladung an Geruch von Alkohol ins Gesicht. Naja, so frisch sah mein Gegenüber nun auch nicht mehr aus.
„Ja, gerne,"
schmunzelte ich charmant und der junge Mann bestellte zwei Cocktails. Ein wenig Leid tat er mir ja schon, aber auch nur ein winzig kleines Bisschen. Lange wurde ich nicht mit meinem Gedanken alleine gelassen, denn mein Gönner kam nach wenigen Minuten wieder zurück und reichte mir ein volles Glas mit einer künstlich süßen roten Flüssigkeit in ihm.

Drei Drinks und gefühlt fünf Stunden später hatte ich die Nase gestrichen voll. Vom Alkohol merkte ich herzlich wenig, mein Gegenüber dafür umso mehr. Er hing förmlich wie eine Klette an mir und wäre diese peinliche Entschuldigung des männlichen Geschlechts meinen dringlichen Bedürfnissen nicht so wichtig gewesen, hätte ich ihn schon längst in die Wüste geschickt. Seufzend stand ich von meinem Hocker auf und zog mir den Mantel wie auch den dicken Schal über. Der junge Mann sah mich mit geweiteten Pupillen an,
„du willst schon gehen, Schöne?"
„Kannst ja mitkommen,"
antwortete ich gleichgültig, während ich meine dunklen Haare aus der Enge des Schals befreite.
„Nichts lieber als das,"
säuselte er und versuchte mir kokett zuzuzwinkern, jedoch misslang ihm das kläglich. Ein kühler Schauer jagte meinen Rücken hinunter. Wie schmierig konnte Man(n) denn sein? Langsam bahnte ich mir den Weg durch die feiernde Masse hindurch nach draußen. Meine Sinne spielten aufgrund der riesigen Ansammlung an Menschen nahezu verrückt. Der Geruch von Schweiß, Alkohol und erhitztem Blut stieg mir penetrant in die Nase. Meine Gier wurde mit jeder Sekunde größer und unerträglicher.
   Gewaltvoll wurde ich gegen eine kalte Hauswand gedrückt. Vor Überraschung entfuhr mir ein leicht geschockter Laut und ich sah meinem Gegenüber direkt in die dunklen, fast schon vor Lust funkelnden Augen. Daher wehte also der Wind. Nun ja, das hätte ich mir bei diesem Typen eigentlich von Anfang an denken müssen. Aber mich abschleppen? – Das war wirklich ein verdammt schlechter Scherz. Diese Entschuldigung eines Mannes würde höchstwahrscheinlich recht bald noch ihr blaues Wunder erleben, der Blick würde unbezahlbar sein. Jedoch musste ich mich jetzt noch zusammenreißen und in meiner Rolle bleiben. Mit ängstlichen, geweiteten Augen sah ich zu ihm auf,
„w...was hast du m...mit mir v...vor?"
Ein schmieriges Grinsen zierte das Gesicht des Schwarzhaarigen, während er mir nicht gerade behutsam meinen Schal abnahm und ihn achtlos auf den Boden fallen ließ,
„das wirst du schon noch sehen, Hübsche. Wenn du den Mund hältst und keinen Laut von dir gibst, kommst du vielleicht sogar lebend hier raus."
Da musste ich ja ernsthaft den Würgereiz in mir unterdrücken. Schweigend nickte ich zögernd wie auch ehrfürchtig und der Typ riss mir augenblicklich den Mantel vom Leib. Ging das denn nicht auch ein wenig freundlicher?
„Solltest du schön weiter so brav sein, darfst du eventuell sogar ein wenig stöhnen,"
grinste er eingebildet, fuhr mit der einen Hand unter meinen Rock und knöpfte mit der anderen die ersten Knöpfe meiner Bluse auf. Oh, zu früh gefreut mein Lieber, dachte ich, während sich plötzlich ein sadistisches Lächeln in mein Gesicht schlich.
   Binnen weniger Sekunden hatte sich die Situation um 180° gedreht und nun war mein Gönner derjenige, welcher unbarmherzig gegen die Wand gedrückt wurde.
„W...was?"
entfuhr es ihm und ich säuselte mit gefährlichem Unterton in der Stimme
„wenn du schön still bleibst, kommst du vielleicht sogar mit dem Leben davon."
Keinen Wimpernschlag später vergrub ich auch schon meine spitzen Fänge in der weichen Haut seines Halses und begann gierig zu trinken. Bei weitem schmeckte sein Blut nicht so delikat wie Shuus, jedoch musste ich mich nun damit abfinden, immerhin diente es zu meinem eigenen Besten. Recht bald merkte ich, wie mein Opfer schwächer wurde und drohte zusammenzusacken, aber von ihm ab ließ ich nicht. Ich hatte die Kontrolle verloren. Der Blutrausch durchfuhr meinen gesamten Körper wie ein gewaltiger Stromschlag. Selbst wenn ich gewollt hätte, ich konnte einfach nicht aufhören, viel zu groß war die Gier geworden. Schließlich fiel der junge Mann aus meinen Armen ächzend auf den eisigen Boden, rote Flecken zierten seine Klamotten und ich merkte, dass ihn gemächlich sein Lebenshauch verließ. Genüsslich leckte ich mir über die Lippen. Noch nie in meiner bisherigen Existenz hatte ich mich so stark und mächtig wie jetzt gerade gefühlt. Es war einfach der Wahnsinn.

FLASHBACK ENDE

„Du hast ihn umgebracht,"
stellte der Vampir trocken fest, während er mich durch seine roten Augen anfunkelte.
„Strenggenommen war es ja Notwehr,"
verteidigte ich mich, setzte jedoch nach
„aber wenn du es so sehen willst, Subaru, ja, ich hab ihn kalt gemacht, immerhin brauchte ich das Blut."
„Das hätte auch einfacher gehen können, du Idiotin,"
fauchte der Jüngste der Sakamaki Brüder und verschränkte die Arme vor der Brust,
„jetzt bist du nicht mehr als eine Mörderin."
„Falsch, ich bin endlich ein Vampir und das habe ich ohne die Hilfe von irgendjemandem geschafft,"
korrigierte ich mein Gegenüber, leckte mir den Rest Blut von der Hand und grinste,
„du hilfst mir doch bestimmt ihn... verschwinden zu lassen."
„Ich muss es tun,"
seufzte der Weißhaarige sichtlich angespannt,
„auch wenn ich meine Brüder hasse, ich will nicht, dass hier irgendwelche Vampirjäger auftauchen."

_________

Wir werden etwas dark. habt ein schönes Wochenende. Countdown zum Abitur läuft. 92 Tage.

Bis(s) Sie Mir Den Letzten Nerv Rauben (Diabolik Lovers FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt