Chapter 1 | anders.

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Pov: Ardy
Als ich den Raum betrat, herrschte Stille. Kein Wunder, schließlich war ich eine Viertelstunde zu spät. Ich ging kurz zu meinem Mathelehrer und nuschelte etwas wie "'Tschuldigung, verschlafen." Er räusperte sich kurz und sagte, er wolle in der Pause mit mir sprechen. Ich nickte, wissend was mich dann erwartete.

Ich drehte mich um und lief in die hintere Ecke des Klassenraums, wollte zu meinem Platz am Fenster. Doch mir fiel auf, dass dieser Platz bereits besetzt war.

Dort saß ein Junge, etwa meines Alters. Er trug eine schwarze, schlichte Hose, dazu weiße Nikes, ein ausgewaschenes, braunes Shirt und darüber eine weinrote Kapuzenjacke, deren Kapuze halb seine dunkelblonden, gestylten Haare bedeckte. Sein Style gefiel mir. Anders als die Anderen.

Das machte ihn sympathisch, jedoch wusste ich immer noch nicht, wer dieser Kerl war. Ob er neu hier war? Mir fiel auf, dass er mich mit seinen blauen, funkelnden Augen anstarrte. Warum?

"Das ist mein Platz.", sagte ich, fast im Flüsterton. Er reagierte jedoch nicht und ließ auch mit seinem Blick nicht von mir ab. Es schien, als würde er mich von oben bis unten mustern.

Aber auf eine andere Art. Sonst, wenn mich jemand länger betrachtete, war das mit einem angewiderten, abwertendem Blick. Niemand hier mochte mich. Warum? Ganz einfach: ich war anders. Und die Masse mochte andere Menschen nicht. Sie waren alle gleich.
Letztes Jahr hatte einer von ihnen herausgefunden, dass ich nicht nur einfach anders aussah, andere Sachen tat und mich für anderes begeisterte, sondern auch noch zum anderen Ufer gehörte. Ja, ich war schwul. Ich selbst schämte mich nicht dafür. Warum auch? Aber sie fanden es widerlich. Warfen mir nicht nur Beleidigungen an den Kopf, sondern versuchten schließlich auch, mich körperlich fertig zu machen. Jedoch gelang ihnen das nicht, sie merkten ziemlich schnell, dass ich mich zu wehren wusste. So beließen sie es irgendwann nur bei dummen Kommentaren und die ignorierte ich gekonnt.

Jedenfalls sah mich diese Person hier eher fasziniert an. Ich räusperte mich.
"Das ist MEIN Platz.", sagte ich lauter.
Der Lehrer schaute mich mahnend an, das war mir jedoch herzlich egal. Der Junge aber fuhr zusammen.
"Eh... w-was?", fragte er unsicher.
"Ich sagte, dass ich dort sitze." - "Oh... 'Tschuldige. W-wusste ich nicht".
"Wie auch", seufzte ich.
Er stand auf, schob sein Heft und sein Mäppchen auf die andere Seite des Tisches und setzte sich auf den freien Platz dort. Ich nahm meinen Rucksack von der Schulter, schmiss ihn unter den Tisch und ließ mich schließlich auf den Stuhl neben den Neuen fallen. Ich hörte zwei Minuten lang aufmerksam zu, bis ich abschweifte und aus dem Fenster schaute.

Ich beobachtete oft die Menschen, die tagaus, tagein mit ihren Gesichtern in den Jackenkrägen vergraben zu ihrer Arbeit hetzten. Alle gleich.

Aber ich konnte mich nicht lange auf dieses Bild konzentrieren, denn ich sah im Augenwinkel, wie der Neue mich schon wieder anstarrte.
Warum schaut er die ganze Zeit so fasziniert?

"Thaddeus? Würdest du bitte deine Augen mal an die Tafel hier richten und die Aufgabe lösen, wo du doch so aufmerksam zugehört hast?", hörte ich plötzlich die nervige Stimme des Lehrers. Blitzschnell drehte der Neue seinen Kopf in Richtung Tafel. Er schaute nicht länger als zehn Sekunden auf die Aufgabe und löste sie einwandfrei.

Der Lehrer schien sehr überrascht. Wow, der Neue scheint gar nicht mal so dumm zu sein! Ich hätte sicherlich irgendetwas vor mich hin gestottert, in der Hoffnung, nicht aufzufliegen und zugeben zu müssen, dass ich nicht zugehört hatte. Der Lehrer wendete sich jedenfalls wieder der Tafel zu. Ich sah den Neuen an.

"Echt gut reagiert, man! Er versucht sowas oft, aber du scheinst es echt drauf zu haben. Du heißt also Thaddeus?"
Er nickte.
"Bitte sag einfach Taddl." - "Okay, Taddl. Ich bin Ardian. Aber du kannst mich Ardy nennen."


Trust me. || Tardy FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt