Chapter 17 | distance.

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Pov: Ardy
Ich ging kurz ins Wohnzimmer, wo meine Mutter auf dem Sofa saß und mich bereits erwartete. Der Fernseher lief, doch sie hatte sich gänzlich zur Tür gedreht. Nun lächelte sie mich erleichtert an. So, wie jeden Tag. Ich hasste das.

"Hallo. Ich geh' dann mal Hausaufgaben machen." Sie nickte leicht. Ich trat zurück in den Flur und lief zu meinem Zimmer. Dort schloss ich hinter mir die Tür und warf mich augenblicklich aufs Bett. Am liebsten würde ich den Tag zurückspulen. Nein, eigentlich wollte ich das nicht. Irgendwie war es gut gewesen, im Fazit. Klar, ich hatte zwei Stunden Unterricht verpasst, mir währenddessen fürchterliche Schmerzen an der Hand zugezogen, die sich glücklicherweise wieder davon gemacht hatten, ich hatte viel geweint, ich hatte mich über intolerante Arschlöcher aufgeregt, aber all das Schöne, die Pause mit Thaddeus, die Zeit im Hinterhof an seiner Schulter, jedes einzelne Wort auf dem Weg hierher, die Umarmung... das überwog einfach. Das stimmte mich unglaublich glücklich.

Aber mein Gewissen wollte mir das verbieten. Es wäre besser gewesen, wenn all das nicht passiert wäre. Die Grenzen waren überschritten. Der Abstand, den ich versucht hatte zu halten, war zu gering geworden. Aber in der Zeit mit ihm hatte ich einfach vergessen. Ich wollte auch gar nicht viel nachdenken. Letztendlich hatten wir dadurch zu viel Kontakt gehabt. Aber ich wollte und konnte mich nichtständig zurückhalten. Das war gefährlich. Je mehr Kontakt, desto größer wurde die Gefahr, mich noch mehr in ihn zu verlieben. Das durfte nicht passieren. Es würde nur Schmerzen zufügen. Entweder, wenn ich es ertragen musste, ohne es ihm sagen zu dürfen, oder wenn er dahinter kam. Unser Verhältnis, wie auch immer man das nach dem heutigen Tag definieren sollte, wäre sofort beendet.

Er ist nicht schwul. Und er würde mich hassen, verabscheuen, wenn er erfuhr, dass ich es war. Deswegen durfte ich mich nicht verlieben. Deswegen musste ich Distanz halten. Aber es würde mir schwer fallen. Erst recht nach heute. Ich konnte meine Gefühle für ihn zwar noch nicht definieren, aber ich war mir bewusst, dass er mich jetzt schon verrückt machte. Wie gern wäre ich jetzt bei ihm. Vielleicht war es ganz gut, dass ich nicht von hier weg konnte. So konnte wenigstens dieser Abstand bestehen bleiben. Ich seufzte und schaute auf mein Handy. Keine Nachricht. Von wem den auch? Ich hatte ja niemanden. Da fiel mir ein, dass Thaddeus ja seine Nummer gespeichert hatte. Ich öffnete Whatsapp und ging meine Kontaktliste durch. Viele gab es da nicht, weshalb ich ihn auf Anhieb fand. Er hatte sich selbst unter "Taddl :3" gespeichert. Ich musste leicht lächeln, doch ich fing mich sofort wieder. Und die Distanz schrumpfte weiter. Taddl. Ich hatte ihn noch nie so genannt, auch nicht in Gedanken, obwohl es so gut klang. Wie gesagt, ich wollte einen gewissen Abstand bewahren und hatte das auch so versucht. So einen Spitznamen benutzte man schließlich nur für Menschen, die einem wichtig sind, für Menschen mit denen man viel Kontakt hat. Deswegen hatte ich bei ihm den Spitznamen immer ausgeblendet. Das konnte ich mir ja jetzt auch sparen.
Ich wusste, dass Distanz besser war, aber von wollen war ja nicht die Rede. Konnte ich das überhaupt? Würde ich das aushalten? Was sollte ich machen?

Pov: Taddl
Ich klappte mein Heft zu und atmete durch. Geschafft. Jetzt hatte ich ihn drei Stunden lang verdrängt, indem ich gelernt hatte. Ich war einen Teil des Stoffs durchgegangen, den ich dieses Schuljahr hier verpasst hatte. Aber jetzt konnte ich nicht mehr, es wollte nichts mehr in meinen Kopf rein. - Und Ardy wollte nicht mehr raus. Ich stützte meine Ellbogen auf dem Schreibtisch ab, legte meinen Kopf in die Hände und seufzte. Das war einer der kompliziertesten Tage gewesen. Aber auch einer der schönsten. Ich hatte das Gefühl, in ihm etwas gefunden zu haben, wonach ich mich schon lange sehnte. Was war das? Es wunderte mich, dass ich ihn nach zwei Tagen schon als Freund bezeichnen würden. Er war jemand, auf den man sich verlassen konnte, so viel stand fest. Woher ich das wusste? Gefühl.

Trust me. || Tardy FanfictionWhere stories live. Discover now