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ᴛᴀɴᴀᴡᴀᴛ ᴄʜᴀɴɴᴀʀᴏɴɢ, ʟᴇᴏ | Nanuk lasse ich, kaum sind wir durch das Gartentor, von der Leine und schleiche mit dröhnendem Kopf ins Wohnzimmer, wo ich Som abgelegt habe. Er schlummert etwas vor sich hin, lässt nebenbei den Fernseher laufen und sieht erst auf, als ich mich neben ihn setze. Das Entfernen der Kugel war kein Problem – das war eher, dass zwei Knochen dadurch geschädigt wurden. Sie sind gesplittert und fügen dem kreidebleichen Mann schmerzhafte Momente zu. ,,Wie geht's dir?", frage ich leise und fahre durch sein matt wirkendes Haar – eigentlich sehen sie aber genauso aus wie sonst. ,,Ist schon in Ordnung. Aber wie geht's dir, mh? Du siehst fertig aus." ,,Krisenzeiten eben.", zucke ich mit den Schultern, lehne mich vorsichtig an seine Schulter. ,,Haben deine Leute schon Ergebnisse? Von meinem Vater kam noch nichts..." ,,Ich weiß nicht genau.", seufze ich. Ich denke zwar, dass wir eine Spur haben, dass wir irgendwie voran kommen, aber richtig definieren kann ich es nicht. ,,Vielleicht sollten wir nochmal Sean reden.", murmel ich. Ich fühle mich ein wenig verzweifelt, sonst würde ich es nicht  vorschlagen. Er scheint mir gerade die einzig gute Quelle zu sein, dabei vertraue ich ihm kaum. Ich will nur irgendwas tun, Som rächen, diesen Clan zur Rechenschaft ziehen! ,,Sean?", überrascht dreht der so blass aussehende Mann zu mir. ,,Bist du dir sicher?" ,,Ich weiß nicht, was ich sonst machen soll.", erkläre ich ehrlich und schnaube verächtlich und rattere die nächsten Worte herunter, ,,Ich habe einige Teams draußen, die ganze IT dran und–" ,,Hey beruhig' dich.", bittet der Grauhaarige und setzt sich mit schmerzverzogenem Gesicht ein wenig auf. ,,Nein– bleib liegen–" ,,Leo ich meine es ernst, beruhigen dich. Ich weiß, jetzt wo ich verletzt bin–" ,,Na also! Und das reicht ja wohl um diesen– diesen Bastard nochmal zum reden zu bringen.", schnaube ich leise und drücke ihn, nun selbst aufrecht sitzend, sanft wieder nach unten. ,,Du kannst ihn aber nicht so angehen, wie beim letzten Mal.", schluckt er schwer und umgreift bittend mein Handgelenk. ,,Was? Soll ich ihn belohnen–" Ich halte Inne, ziehe mein Kopf ein. ,,Sollte ich wahrscheinlich..." ,,Ich weiß, dass es dir nicht gefällt.", seufzt der etwas Kleinere. Nun ist er es, der seinen Kopf an meinen Körper schmiegt und erschöpft ausatmet. ,,Er ist vollkommen verrückt geworden, aber er wird dennoch wissen, dass er nichts mehr zu verlieren hat. Ob du ihm Schmerzen zufügst oder ihn gleich umbringen willst, wird ihn wenig stören. Wenn du ihm aber etwas gibst, könnte er kooperieren.", wispert er nun mit einem mal ganz müde. ,,Möchtest du schlafen? Soll ich dich nach oben bringen?", frage ich leise. ,,Nein nein... die Schmerzmittel, die Luca mir gegeben hat sind nur sehr stark.", nuschelt er mir entgegen. ,,Geh zu Sean. Ich laufe schon nicht weg." Nein, das wird er nicht. Er schafft es ja noch nicht mal, sich ganz ohne Hilfe aufzusetzen.

Ich habe das Gefühl, das Blut kocht in meinen Adern, als ich zum Sicherheitshaus laufe. Ich weiß nicht, was ich ihn fragen soll, was für Infos ich brauche oder ob er überhaupt noch hilfreich sein kann. Aber versuchen muss ich es. Ich habe schon gleich mit den Gedanken gespielt, als wir einige unserer Leute ohne allzu genaue Anweisungen raus schicken mussten. Ich seufze leise, als ich mich nach unten begleiten lassen und mal wieder vor der rechteckigen Zelle des Mannes zum stehen komme. Er liegt im Bett, starrt an die gegenüber liegende Wand und schreckt erst auf, als ich darum bitte, die Zelle zu öffnen. Sofort bildet sich ein breites, in meinen Augen so falsch aussehendes, Grinsen. ,,Was machst du denn hier? Möchtest du mir ein neues Malbuch bringen, Leo?", schmunzelt er, wobei ich nun das Gefühl habe, es würde ihn gar nicht wirklich stören, wenn es tatsächlich so wäre. Ich folge seinen Blick auf den kleinen Tisch. Das aufgeschlagene Heft ist tatsächlich unfassbar präzise in Farbe getaucht. ,,Nein.", schüttel ich den Kopf und nehme auf dem harten Stuhl Platz. Ich falte meine Hände, lehne mich dann so nach vorne, dass ich meine Arme auf meinen Oberschenkeln abstützen. ,,Wir brauchen nochmal deine Hilfe.", bitte ich sofort. ,,Wir?", fragend sieht er sich um, ,,Ich sehe nur dich." Ein weiteres Schmunzeln huscht über seine Lippen, dann steht er langsam auf. Vorerst reagiere ich nicht darauf, als er sich aber vor mir auf den Boden fallen lässt, zucke ich zurück. Er landet auf seinen Knien, sieht mich mit matt glänzenden Augen an und legt seinen Kopf leicht schief. ,,Was möchtest du von mir?" ,,Die Shéyàmù...", ich seufze, versuche mich mit aller Kraft zusammenzureißen, als er seine Hände an meinen Oberschenkel schmiegt. ,,Weißt du viel über sie?" ,,Kommt drauf an.", säuselt er, streicht kurz sein leicht fettiges Haar zurück und sieht dann mit großen Augen zu mir auf  ,,Was du bekommst?" Er nickt. ,,Was willst du?" ,,Das gleiche wie beim letzten Mal.", murmelt er. Ein Kuss. Er wollte einen Kuss haben. Eine Geste, die ich ihm niemals wieder geben wollte. Aufmerksamkeit, die er nicht verdient. Liebe und Zuneigung, die er nicht verdient. Ich ziehe meinen Kopf noch etwas zurück, sehe ihn einen Moment abwartend an. Dann räuspere ich mich. ,,Nur einen.", hauche ich rau, kann selbst kaum glauben, was ich da sage. Sean wohl ebenso wenig. Seine Augen werden groß, sein Mund öffnet sich – doch dann springt er auch schon auf, beinahe so, als hätte er angst, ich würde meine Antwort ändert. Dann kniet er sich wieder vor mich und reckt seinen Kopf in meine Richtung. ,,Das reicht erstmal." ,,Es wird der einzige sein.", stelle ich klar, was ihn aber nicht davon abhält, gierig über seine leicht trocken aussehenden Lippen zu lecken. ,,Wenigstens mit Zunge?", fragt er hoffnungsvoll, rückt etwas näher an mich. Obwohl Unbehagen durch meinen Körper strömt, nicke ich. Es fühlt sich schon jetzt falsch an, aber es wird sich hoffentlich lohnen... Langsam, eben weil sich eigentlich alles in mir sträubt, lege ich meine Hände an seine leicht eingefallen Wangen, ziehe ihn etwas höher zu mir und beuge mich gleichzeitig zu ihm nach unten. Als unsere Nasenspitzen sich berühren, möchte ich mich am liebsten gleich wieder zurückziehen, tue es aber nicht. Der klammerde Griff an meinen Beinen ist wie eine Erinnerung daran, warum ich das hier tue, warum ich meine Lippen auf seine lege. Ich bin darauf bedacht sanft zu sein, seine kühlen Lippen zu umschließen und sie vorsichtig mit sanften Berührungen einzunehmen. Es fühlt sich nicht so an wie früher, es ist befremdlich – und doch schmeißt es mich brutal zurück in die Vergangenheit. Bilder flackern in meinem Kopf auf. Bilder von uns, unserer Liebe. Davon, wie ich glücklich ich war, wie gut ich mich in seiner Nähe gefühlt habe. Aber auch davon, wie er mich hintergangen hat, wie er mich belogen und betrogen hat, wie er mich und meine Leute ausgenutzt hat. Von dem Hass, den ich ihm gegenüber verspüre.

bruises and twisted guns ☾ ⋆*・゚Where stories live. Discover now