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ᴛᴀɴᴀᴡᴀᴛ ᴄʜᴀɴɴᴀʀᴏɴɢ, ʟᴇᴏ | Erschrocken,  beinahe geschockt, sieht Milo in mein Gesicht, das vermutlich von Asche und Ruß ganz verschmiert ist und entstellt aussieht. ,,Geht es dir gut?", frage ich, jetzt wo schon klar ist, dass Nit nicht besonders gut drauf ist. ,,Leo!", wimmert er leise. Seine sowieso schon feuchten Augen sammeln noch etwas mehr Tränenflüssigkeit in sich, ehe er seine Hand für einen Moment ganz fest um meine schließt. ,,Ich dachte– Man, ich dachte, du bist– du elender Idiot!", ruft er, sieht kurz zu seinen Freund runter, ehe er sich mir an den Hals wirft und schon wenig später heiße Tränen in meinen Nacken tropfen. Diese Emotionalität überrumpelt mich etwas, was mich aber nicht davon abhält, ihn ebenso fest an mich zu drücken. ,,Was denkst du denn, mh? Ich lasse mich doch nicht von so ein paar jämmerlichen Sprengsätzen töten.", wispere ich ihm zu. Dass es wirklich knapp war, muss er ja nicht wissen, oder? Dass ich mich noch gerade so aus dieser Feuerhölle schützen konnte ist nicht relevant. Nicht jetzt. Jetzt ist nur wichtig, dass ich mein Zittern unter Kontrolle kriege und für ihn und vor allem Nit da bin. ,,Ich bin okey, siehst du?" ,,Wirklich?", fragt er sichtlich besorgt. Seine leicht zitternden Lippen legen sich, kaum hat er mich einmal angesehen, für den Bruchteil einer Sekunde auf meine, bevor er auch schon mein Gesicht mit seinen Händen umrahmt und mich betrachtet. Natürlich dröhnt mein Kopf ordentlich und meine Ohren werden wegen der Lautstärke der Explosion auch noch etwas belastet sein, aber im großen und ganzen geht es mir gut. Ich nicke ihm leicht aber bestimmt zu. ,,Ich lasse mich später nochmal untersuchen.", erkläre ich leise, um ihn zu beruhigen. ,,I–Ich wollte zu dir! Du– du warst nicht draußen–" ,,Schh es ist alles gut.", schüttel ich den Kopf, drücke ihn schweren Herzens von mir. Ein letztes Mal lege ich meine Lippen an seine Stirn, drücke seine blutverschmierte Hand. ,,Bring dich wegen mir nicht in Gefahr. Renn' nie wieder zurück, Verstanden? Du wärst in Sicherheit gewesen, wärst du nicht zurück gekommen.", murmel ich mehr besorgt als vorwurfsvoll. Wortlos nickt er. Soweit ich es erkennen kann, wirkt er ganz blass und geschockt, sodass ich ihm am liebsten gleich mit Nit nach Hause schicken würde, den ich nun ächzend in die Höhe stemme.

,,Wir kriegen ihn schnell wieder hin. Sieht schlimmer aus, als es ist.", bestätigt einer der Mongkut Leute meine Vermutung, sieht dann nochmal zu Milo, der mit Sauerstoffmaske auf der Kante des Autos sitzt und fest die Hand von Nit hält, der noch immer bewusstlos ist. ,,Und Milo?" Der Mann vor mir schüttelt beschwichtigend den Kopf. ,,Hauptsächlich der Schock und die Lunge sitzt etwas zu." Mehr oder weniger zufrieden nicke ich, sehe nochmals zu Milo und tätschle Nits Bein. So wie es aussieht ist er nicht unglücklich gestürzt sondern wurde wahrscheinlich von einem der umliegenden Gegenstände getroffen. Kaum sind wir alleine trete ich auch wieder näher an den gebräunten Thailänder, der gleich unverblümt seinen Kopf an meine Schulter lehnt. Ein schweres Seufzen überkommt seine Lippen. ,,Wenn du möchtest, schicke ich dich gleich mit zurück und du kannst–" ,,Kannst du vergessen! Ich bleibe hier bis wir fertig sind.", murrt er leise, löst dafür die Maske von seinem Mund und legt eine Hand an meine Taille. ,,Bist du dir sicher?" ,,Ja.", nickt der Jüngere, ,,Schick mich nicht weg." Seine Worte fühlen sich wie eine Bitte an. Wie ein Flehen, dass ich nicht ausschlagen kann. ,,Mache ich nicht, Püppchen.", wispere ich, drücke ihn kurz darauf unbemerkt einen Kuss an seine Schläfe. ,,Halt' dich aber bedeckt, okey? Versprich es mir.", bitte ich nun. ,,Versprochen.", bestätigt er. Sanft und vorsichtig streicht er über meine Taille, zieht mich sogar noch etwas näher zu sich. ,,Kleiner, wir sind nicht alleine, mh?" ,,Tut mir leid.", nuschelt er offenbar schweren Herzens. Als seine müden Augen auf mich treffen, spüre ich die Erschöpfung, die in ihm ist ganz deutlich.

Nur einen Augenblick verweile ich noch bei den beiden, ehe ich zurück zu den ganzen anderen Leuten gehe. Sie haben eine Traube gebildet – um niemand geringeres als meine Mutter. Meine Stimmung kippt gleich ein Stück mehr. Als wäre es nicht schlimm genug, dass wir in die reinste Katastrophe gelaufen sind... ,,Was tust du hier, Mutter?!", knurre ich, den Bericht einer der Frauen unterbrechend und boxe mich zu ihr durch. ,,Wie bitte?!", entgegnet sie entsetzt, sieht mich aber nicht mal dabei an und stützt sich weiter, nun mit der Zunge schnalzend, auf den Gehstock ab. ,,Was du hier tust?! Wer zur Hölle hat dir gesagt, dass du kommen sollst? Es ist verdammt nochmal gefährlich!" – ,,Tony ist auch auf dem Weg.", winkt sie ab, was mich empört die Zähne fletschen lässt. Dass sie mich aber auch nie anständig respektiert! ,,Mister Mongkut ist ja auch der Anführer des Clans!", zische ich zwischen zusammengebissenen Zähnen, ,,Genauso wie ich! Ich bin Anführer des Channarong Clans, versteh das endlich!" ,,Untersteh dich–" ,,Wir hatten das schon mal, Mutter! Setz‘ dich in den Wagen!", seufze ich kopfschüttelnd. ,,Du mein Junge, befiehlst mir gar nichts!", zischt sie leise, deutet mit einer Geste an, dass sich die Traube um uns herum auflösen soll und sie in Ruhe davon schleichen kann – diese blöde alte Irre! Nie kann sie mich meine Arbeit machen lassen! Wütend drehe ich ihr den Rücken zu –

Ein Blick reicht um den kommenden Löschzug anzuweisen. Wir müssen retten was wir können, mit den Untersuchungen starten und uns nicht von diesem durchaus starken Rückschlag treffen lassen.

Aber auch das bereue ich.

Ein Knall. Gefühlt ohrenbetäubend laut und dabei im Vergleich zu den Explosionen doch so leise.
Ein Schuss. Der Ursprung dieses Geräusches, dass mich aufhorchen und erzittern lässt
Ein Schrei. Der direkt in mein Herz trifft und gleich kalten Schweiß auf meiner Stirn auftreten lässt. Er trifft mein Mark und lässt mich erstarren.
,,Milo!", rufe ich panisch.
Ja, denn es ist Panik, die meinen Körper flutet und das Blut in meinen Adern gefrieren lässt. Ich reiße meinen Körper um die eigene Achse. Der Schrei kam doch aus der Richtung von Mutter– genau vor ihr liegt er zusammengesackt auf dem Boden, presst stumm schreiend seine Hände an seinen Oberschenkel, während Mutter geschockt in die Ferne sieht. In die Dunkelheit. In das Nichts.

,,Nein, nein, nein.", schüttel ich den Kopf und stürme los, ,,Nein!" Mein Herz krampft sich zusammen, mein Kopf ist wie leergefegt. Da ist nur dieser Schmerz, diese Ungewissheit, die mich quält – dabei sehe ich es genau vor mir. ,,Milo!", rufe ich laut, überbrücke den letzten Abstand zwischen mir und dem vor Schmerz gekrümmten Mann, indem ich über den Boden schlittere, mir dabei nicht nur die Hose, sondern auch die Knie aufreiße. Nun erkenne ich auch das dunkle rot, vernehme den metallischen, unangenehmen Geruch, für den ich mit den Jahren so sensibel geworden bin. ,,Milo!", rufe ich erneut erschrocken, bemerke aber gleich, den panische so auffälligen Unterton in meiner Stimme, der mich selbst erzittern lässt. Ich muss ruhig sein, tief ein und aus atmen und meine Ruhe auf ihn übertragen. Auf diesem süßen, sturrköpfigen Mann, der mich um mein Herz beraubt hat. Krampfhaft fest übt er Druck auf sein Bein aus und schließt seine Augen, bevor er mich erkennen kann. Fassungslos sehe ich in das Gesicht des Mannes – so schmerzverzogen, dass selbst ich das Gefühl habe, sie zu spüren.

,,Milo– Püppchen sieh mich an.", flüstere ich, eine Hand an seine Wange schmiegend, die andere gegen eine von seinen ersetzend. ,,Leo–", japst er, ,,H–Hilfe." ,,Ich bin hier, du bekommst Hilfe.", nicke ich leicht, weiß genau, dass ich schon binnen Sekunden einen Druckverband machen kann. Einer der vielen Anwesenden wird jeden Moment bei mir sein und – und nicht so wie Mutter einfach davon laufen. ,,Sir!", erklingt es hinter mir. Chompoo humpelt neben mich, wirft einige noch verpackte Kompressen und Mullbinden neben mich. ,,Verbinden Sie das schnell und bringen Sie ihn in den Krankenwagen! Das muss schnell–" ,,Ich weiß, Chompoo!", rufe ich ihr entgegen, fahre etwas härter über die Wange des so hübschen Mannes. ,,Halt für mich durch, ja? Ich weiß, dass es weh tut…", flüstere ich bittend, ehe ich Chompoo dazu anweise, die Hose des Mannes zu zerschneiden. ,,Hätte er sich nicht vor Miss Lili gestellt, wäre sie– sie wäre– Milo du bist lebensmüde?!" ,,Ich dachte, es ist unsere Aufgabe, sie zu beschützen.", haucht er leise, was mich ungläubig den Kopf schütteln lässt. Gerade ist es mir egal, wer uns sieht, was man denken könnte, was passieren könnte. ,,Mein Baby.", flehe ich leise, wickle hastig den Verband um sein Bein und flehe, dass die Kugel in seinem Inneren nicht viel mehr Schaden anrichten wird.

,,Chompoo finde heraus, wer ihm das angetan hat!"

Mit ihm auf den Armen renne ich rüber zu dem Wagen, in dem auch Nit noch liegt. ,,Hör mir zu Püppchen, du wirst gut behandelt, ja? Und in ein paar Stunden liegen wir zusammen im Bett, versprochen, hörst du?" ,,Wehe du hältst dieses Versprechen nicht.", wimmert er, meine Hand fest drückend. Dann greift er nach meinem Gesicht, schmiert sein eigenes Blut auf meine Wangen und hebt seinen Kopf angestrengt für einen Kuss an. Sanft streifen sich unsere Lippen, treffen aufeinander und lösen ein unbeschreibliches Gefühl in mir aus. Frust und Trauer – wegen dem, was passiert ist, wegen dem Verhalten meiner Mutter, wegen den Schmerzen, die er heute durchstehen muss. Liebe und Glück – wegen dem, was er mir gibt, wegen dem, wie er mich fühlen lässt, wegen der Tatsache, dass er bei mir ist.

Blind taste ich nach dem schmalen sitzt an der Seite des Wagens, lasse ihn darauf nieder, ohne auch nur daran zu denken, mich von ihm zu lösen. Ich küsse ihn weiter, spüre weiter diese butterweichen Lippen auf meinen und lasse für den Moment so unglaublich viel Kraft durch meinen Körper strömen.
– ,,Oh Gott, es tut mir–" ,,Schh, sei leise.", schüttel ich bittend den Kopf, meine Stirn an seine legend. Unsere Nasenspitzen berühren sich noch. ,,Hör mir zu, ja?", flüstere ich, blinzle kurz auf. Sein Bein so blutverschmiert, er so verletzt. Ich schlucke schwer. ,,Hörst du mir zu?" ,,Mh?" ,,Milo, ich liebe dich.", kommt es leise und sanft über meine Lippen, ,,Ich liebe dich." Diese Worte fühlen sich so an, als würde mir eine Last genommen werden und trotz dieser heiklen Situation, lassen sich mich Lächeln. Selbst bei dem schockierten Ausdruck des anderen, muss ich weiter leicht lächeln. ,,Das–", scharf zieht er die Luft ein und schüttelt seinen Kopf leicht, den er gleich darauf nach hinten an die Innenwand des Wagens drückt. Er schluckt schwer, stößt Luft aus seinem Körper und muss dann selbst grinsen. ,,Das sagst du mir erst, wenn ich beschossen werde?", wirft er mir vor, hält mich aber weiter bei sich. ,,Das hat mir eben Angst eingejagt. Vor allem weil du doch gerade schon nicht wenig abbekommen hast.", versuche ich es mir selbst zu erklären, zucke aber schlussendlich mit den Schultern und überwinde mich dazu, ihn nach einem letzten Kuss auf die Stirn langsam zurückzulassen.

Blut brodelt in meinen Adern und ich sehe rot, als mir Mutter wenig später wieder unter die Augen tritt. ,,Nicht mal einen Dank kannst du aussprechen?!", rufe ich sauer. ,,Ein Dank wofür? Das ist sein Job–"  ,,Gott bist du abartig! Hörst du dir eigentlich selbst zu?!", schreie ich, dränge sie, nicht mal auf ihre Gebrechlichkeit achtend, endlich zu dem Auto, mit dem sie gleich weggebracht werden soll. ,,Wie redest–" ,,Halt die Klappe!", zische ich, ,,Und verschwinde von hier! Wer auch immer gerade Milo getroffen hat, hat eine Kugel für dich vorgesehen!" ,,Milo hier, Milo da! Dein Wunderknabe wird es schon überleben!", schüttelt sie den Kopf, noch immer nicht verstehend, worum es mir eigentlich geht. ,,Das ist nicht der Punkt! Merkst du nicht, dass hier alles den Bach runter geht?", murre ich unzufrieden, was nicht mal untertrieben ist. Milo konnte zwar einiges an Material retten, und doch sind Unmengen gerade verloren gegangen. Infos und Daten, die uns hätten helfen können, die uns in dieser schwierigen Situation hätten weiterbringen können. Es hätte vieles einfacher gemacht, denn erst jetzt wird mir das Ausmaß bewusst. Die Explosionen, der Schuss, generell dieses Areal – wie sie hier ein richtiges Versteck aufgebaut haben.

Mutters Augen weiten sich, als ich sie etwas unsanfter als gewollt in den Wagen drücke. ,,Tanawat!", murrt sie erschrocken, ,,Tanawat, sag mir nicht, dass du diesen– diesen einfachen, unwürdigen Jungen magst!" ,,Wie bitte?", frage ich leise, unsicher wie sie auf diesen Entschluss gekommen ist und beiße gleichzeitig nervös von Innen auf meine Wange. ,,Natürlich!", ruft sie nun, ,,Deswegen warst du so erschrocken und hast dich gleich auf ihn gestürzt! Er hat keinen Anstand, keinen Respekt–" ,,Diese Kugel hätte dich treffen sollen!", schreie ich ihr entgegen. Ich bin fassungslos, fühle mich etwas verloren in Raum und Zeit und kann nicht anders, als ihr einfach die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Ich kann und will ihre Visage nicht sehen, ihre belanglosen und egoistischen Worte nicht hören, mich nicht von ihr konfrontieren lassen. Ich kann das gerade nicht, nicht jetzt.

Langsam hebe ich das Headset wieder an, stecke des kleine schwarze Teil in mein Ohr und schalte es schnell ein. ,,Wir durchkämmen das gesamte Gelände, ich will das ein Trupp später noch mach unten geht und bevor wir nicht eine leere Patronenhülse, eine Waffe oder von mir aus nur einen Schuhabdruck gefunden haben, verlässt keiner dieses Areal!"


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bruises and twisted guns ☾ ⋆*・゚Donde viven las historias. Descúbrelo ahora