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ʙᴏᴏɴᴍᴇ ғʜᴀᴜᴍɴᴜᴀʏᴘᴏʟ, ᴍɪʟᴏ | Ich höre das Blut in meinen Ohren rauschen, wenn nicht sogar brodeln. Spüre wie mein Herz ganz wild und doll gegen meine Brust hämmert. Rieche den Rauch, das Pulver der ganzen Patronen die schon verschossen wurden, meinen Angstschweiß. All das Adrenalin lässt mich meine Aufgaben durchführen, mich aufgeregt und doch so konzentriert sein.
Gleichzeitig verspüre ich Angst. Vor dem was passieren könnte. Vor dem was mir, den anderen, Leo zustoßen könnte.

Unsicher sehe ich über den Bildschirm hinweg auf in die tiefe Dunkelheit des Raumes, den wir vor einigen Minuten endlich betreten konnten. Ein Labor, Überwachungszentrum, Arbeitsraum – alles in einem, lediglich durch mobile Trennwände abgetrennt. Groß, hochmodern und ganz ohne Zweifel von den Shéyàmù. Ich kann keine einzige Datei lesen, habe keine Ahnung was ich hier auf die mobile Festplatte lade
– Naja, eigentlich ist es einfach alles, was ich auf diesem Rechner finden kann... Gleichzeitig Blätter ich einen Ordner durch, kann in dem schwachen Licht von dem Laptop nur erkennen, dass es sich offensichtlich um Daten unseres Clans handeln. Immer mal wieder Kopien offizieller Verträge oder Berichte.

Ungeduldig huschen meine Augen wieder zu dem Bildschirm. Gerade mal sechsundvierzig Prozent.

Ich schlucke unwillkürlich, sehe nach hinten zu den wild huschenden Taschenlampen. Leo und Nit sind es, die dort hantieren und alles mögliche der Sachen in Säcke stopfen, die von anderen gehalten werden, damit es ausgewertet werden kann. ,,Mongkuts Leute treffen in fünf Minuten ein!", ruft einer der Männer mit solch einer Kraft in der Stimme durch dem Raum, dass sich mir alle Nackenhaare aufstellen. Gleichzeitig wird mir ganz schlecht – nicht, weil ich die Verstärkung nicht möchte, sondern weil sie gerufen wurden, da verdächtige Personen gesichtet wurden.

In dem Wirrwarr an dunklen Gestalten, die mit einem mal überall herumirren, versuche ich Leo nicht aus den Augen zu verlieren. Doch das habe ich bereits, er hat sich ohne mein Wissen in Bewegung gesetzt. Mein Augen huschen zurück zu dem Laptop. Achtundfünfzig. Es befindet sich augenscheinlich eine ganze Menge auf dem guten Stück. ,,–Milo." Ich zucke unwillkürlich zusammen. Auf meiner Stirn steht kalter Schweiß, den Leo mit seinen Fingerspitzen aufnimmt, als er meine klammen Haare zur Seite schiebt. Diese sanfte, so vertraute Geste bleibt in der Dunkelheit unbemerkt, sodass ich mich gleich auch einen Moment lang seiner Hand entgegen strecke. ,,Wie weit bist du?", fragt er. ,,Den Ordner sollten wir mitnehmen... Hin und wieder sind da Notizen, die uns weiterhelfen könnten." ,,Ist gut. Ich lasse dir Personenschutz geben, wenn du die Festplatte zum Transporter bringst.", murmelt er mir leise zu. Im Schein des Bildschirmes hockt er sich vor mich. Noch während eine Hand an dem Maschinengewehr liegt, schiebt er die andere auf meinen Oberschenkel. ,,Unpassender könnte es nicht sein, aber... würdest du heute bei mir schlafen?", säuselt er leise. Meine Finger schleichen automatisch zu seinen, streichen über seine von dem vielen Staub ganz trockene Haut. Schwer schluckend suche ich seine Augen, die in diesem Szenario lediglich ein schwaches Glänzen von sich geben. Dann nicke ich leicht. ,,Wenn wir das hier überleben.", erkläre ich flüsternd. Es ist eine unausgesprochene Tatsache, dass unser Eindringen hier nicht unbemerkt bleiben wird – wenn nicht sogar schon jemand Wind von der Sache bekommen hat und plant, uns zu erledigen. ,,Wir kriegen das schon hin.", haucht er, ,,Oder hast du Angst?" ,,Was soll das sein?", schmunzle ich schnaubend, dabei hätte ich mich am liebsten an ihn geklammert und mich von ihm raustragen lassen. Angst ist kein Ausdruck, für die blanke Panik die ich unterdrücke.

Einhundert Prozent.
So schnell ich kann trenne ich die Festplatte von dem Laptop und springe auf. Auch den Ordner klemme ich mir unter einen Arm, nur um dann gleich von drei Männern umzingelt zu werden. ,,Bleib geduckt, wir dürfen kein Risiko eingehen.", murmelt mir einer zu, leitet mich im nächsten Moment auch schon aus dem unterirdischen Gängen heraus. Uns kommen dutzende ebenfalls bewaffnete Leute entgegen – erst jagen sie mir ein Schrecken ein, dann aber bin ich schnell beruhigt. Unsere Verstärkung ist also eingetroffen. Die Gegend hier gleich einem Schlachtfeld – zumindest was die Leute angeht. Die eigentliche Gegend ist wie zuvor auch einfach nur gruselig, etwas verlassen und ein wenig verkommen. Die Leute lassen es brandgefährlich und noch unheimlicher aussehen. Noch nie habe ich so viele schwer bewaffnete und vermummte Personen gesehen. Tatsächlich sind sie Mongkut Leute das; vermummt. Sie alle tragen Tücher vor den Gesicht, die lediglich ihre Stirn und Augen freigeben. Man kann sie also deutlich von uns unterscheiden.

,,Der zweite?" ,,Der zweite.", nickt der Typ zu meiner rechten und drängt mich einen Moment später mit seiner Schulter durch den hohen Zaun, ehe wir gezielt auf den Transporter zulaufen. ,,Der fährt direkt zurück?", frage ich. ,,Ja, die Daten sollen nicht abhanden kommen.", wird mir geantwortet. Ein Nicken überkommt mich und ehe ich mich versehe, wird die Tür des weißen Vans aufgerissen und vier Hände kommen mir entgegen. Zwei nehmen die Festplatte an sich, zwei den Ordner. Und einen Moment später ist sie schon wieder zu. Der Motor heult auf, kaum sind wir wieder einen Schritt zurück getreten. ,,Wir sollten–" Ein Knacken in meinem Ohr lässt mich verstummen und aufsehen, genauso wie die anderen auch.

,,Raus! Alle sofort raus!"

Es ist zweifelslos ein Befehl von Leo, der mir in Mark und Knochen übergeht. Ich reiße erschrocken die Augen auf, stoße den Mann zu meiner rechten ohne nachzudenken zur sehe und laufe. Renne Richtung Bunker - oder was auch immer diese Einrichtung da unten ist. ,,Leo?", rufe ich, ,,Was ist los?" – ,,Alles räumen! Bombenalarm!" Tatsächlich aber lege ich damit nur noch einen Zahn zu, renne schneller und schneller.

Schneller, um früher bei Leo zu sein.
Schneller, um ihn in die Arme schließen zu können.
Schneller, um ihn in Sicherheit wiegen zu können.
– Nur um dann von Geschrei empfangen zu werden. Es sind Rufe und Schreie, Befehle und Fragen.
Song versucht mich im Vorbeilaufen mit sich zurückzuziehen. Seine Hand schlingt sich fest um meinen Arm, zieht mich tatsächlich zwei, drei Schritte zurück, doch kann ich mich schnell wieder losreisen. Ich bin wie versteinert, spüre schon wieder nur mein Herz so unglaublich doll und stark schlagen, dass mir schlecht wird. Mein Mund steht sprachlos offen, meine Brust krampft. Eine Bombe. Oder gleich mehrere? Aber wo ist Leo? Wo bleibt er? Natürlich lässt er seine Leute nicht zurück, wird dafür sorgen, dass alle raus sind, bevor er auch nur einen Fuß nach draußen setzt. ,,Wo ist Leo?", rufe ich. Beinahe ein Ausruf der Verzweiflung. ,,Er holt noch ein paar der Sachen–" ,,Was ein Idiot!", rufe ich entsetzt auf, beachte die Frau, die einen etwas jüngeren Mann stützt und mir soeben geantwortet hat, nicht weiter sondern stürze erneut gegen den Strom näher an den versteckten Eingang. Nur noch vereinzelt kommen ein paar der Leute heraus, doch noch immer kein Leo. ,,Verdammt...", nuschle ich und beiße mir auf die Lippen. So lebensmüde kann ich doch gar nicht sein! Wie kann er es darauf anlegen, dieser verfluchte Idiot?!

,,Leo?", schreie ich rau und kratzig, in die Dunkelheit die der meterlange Tunnel preisgibt.
Keine Antwort.
,,Leo, raus da! Sofort!" – ,,Milo weg hier!", es ist niemand geringeres als Nit, der nun an meinem Arm zerrt und gar nicht erst auf die Idee zu kommen scheint, einen Blick in die blöde Anlage zu werfen, die wohl jede Sekunde in die Luft gehen könnte. ,,Leo ist noch–", beginne ich, nun doch etwas verzweifelt. Meine Stimme zittert leicht vor Angst und Sorge, doch Nits Blick bleibt hart. ,,Wenn du nicht willst, dass deine Schwester dich das nächste mal auf deiner Beerdigung begrüßt, bewegst du jetzt deinen Arsch. Leo weiß was er tut!" ,,Er will irgendwelche Daten sicher–" Ein lauter Knall unterbricht mich, lässt mein Herz mit einem mal aussetzen. Die Nacht wird ein wenig dunkler, ich spüre, wie mein Körper taub wird. ,,Weg hier, sofort!", schreit Nit mir entgegen, reißt meinen Körper so schockartig um, dass ich ins Wanken gerate. Einen Moment lang sehe ich den unebenen, von trockenem Gras bewachsenen Boden näher kommen, dann werde ich wieder nach oben gerissen. Nit umklammert mein Handgelenk und sprintet los, lässt mir gar keine andere Wahl als schweres Herzens mitzukommen.

Ein zweiter Knall.
Lauter als der erste, ohrenbetäubend.
Ich habe sogar das Gefühl, dass die Erde unter uns zu beben beginnt.

Meine Beine sind ganz wackelig, ich kann meinem Freund kaum folgen. Kann kaum den Schmerz verspüren, den er mir hinzufügt, dabei bemerke ich das Brennen meiner Haut ganz eindeutig – wie sie unter seinem Griff eingequetscht ist.

Ein dicker Kloß bildet sich in meinen Hals, doch mein Kopf ist wie ausgeschaltet. Ich reiße mich von Nit los, stolpere dennoch einige weitere Meter mit ihm mit. Mein Herz krampft schmerzhaft. ,,Leo–", schreie ich. Ein Blick nach hinten zeugt von einer riesigen, schwarzen Wolke, die langsam in den Himmel aufsteigt. ,,Nein, nein, nein! Er– Er–" ,,Hör auf!" Nit Augen suchen meinen. Sein Blick sagt so viel. ,,Aber–" ,,Milo!" Er schüttelt den Kopf und lässt mich verstehen. Erneut greift er nach meinem Handgelenk. Ein wenig williger und trotzdem nicht begeistert folge ich ihm. Wir stolpern beide hin und wieder, werde langsam von dem Rauch eingenommen. ,,Waren es viele?", frage ich verzweifelt, schwer keuchend. Das Ausmaß ist von hier aus nicht zu beurteilen... ,,Doppelte Wand! Alles voll!", schreit er mir entgegen.

Als wäre es das Stichwort folgt ein dritter Knall.
... Nein, eine richtige Explosion.

Die Schockwelle reißt uns zu Boden, raubt mit jeglichen Atem und drückt mich so hart und unsanft auf die trockene Erde, dass ein stummer Schrei meine Lippen überkommt. Schwindel bringt meine Sicht durcheinander, meine Ohren rauschen, es ist wie ein Kreischen in ihnen. Nit spüre ich nur, weil er noch immer an meinem Handgelenk hängt. Ein unangenehm beißender Geruch schleicht sich in meine Atemwege, lässt mich Husten und Röcheln. ,,Nit–", wispere ich, ziehe mich näher am den Körper, der sich nicht zu bewegen scheint. ,,Nit, hörst du mich?" Meine Ohren dröhnen, ich kann kaum was sehen. Mein Körper fühlt sich taub an. ,,Nit, sag etwas!", bitte ich verzweifelt, doch so leise, dass er mich vielleicht gar nicht hören kann. Ich robbe noch ein Stück näher, hebe schwerfällig meinen einen Kopf ein Stück höher und in seine Augen sehen zu können. Sie sind geöffnet. Langsam blinzelte er sogar. Sein Blick ist undefiniert. Zwar auf mich gerichtet aber nicht konzentriert. ,,Alles gut.", wispere ich, lege beschützerisch einen Arm um ihn. ,,W–Wir müssen weg.", wimmert er. Nickend streiche ich eine Strähne aus seinen Gesicht. Feucht. ,,Nit, du– du blutest.", murmel ich. Der Blick nach hinten fällt mir schwer. Durch den Rauch und die Dunkelheit der Nacht erkennt man Nichts! ...außer die Flammen des Feuers. Mit einem mal sammeln sich Tränen in meinen Augen und doch versuche ich mich zu fokussieren, nehme all meine Kraft zusammen und stehe mich wackeligen Beinen auf. ,,Komm hoch.", bitte ich leise, versuche ihn zu stützen.

Mir fällt das Atmen schwer und Kraft ich auch keine. Nur die Lichter, die wir einige viele Meter von uns entfernt leuchten, spornen mich an. Das Blut von Nits Kopfwunde tropft auf meine Schulter. ,,Milo.", jammert er leise. Schleppend bewegen wir uns fort – so langsam, dass wie gleich nochmal zu Boden gerissen werden. Die Schockwelle ist stärker als die andere und weil ich meinen Freund zu schützen versuche, kann ich mich kaum abfangen. Meine Schulter kracht und knackt laut, ein höllischer Schmerz breitet sich auf und doch kann ich nicht anders, als gleich nach dem Kopf des anderen zu tasten. Das warme Blut der Wunde breitet sich auf meinen Finger aus, benetzt meine Haut mit einem unangenehm schmierigen Film. ,,Alles gut.", hauche ich ihm zu, dabei fehlt mir eigentlich jegliche Kraft zum reden. ,,Alles gut, ich bin bei dir." Hitze und Kälte breiten sich in meinem Körper aus und machen es mir unglaublich schwer, klar denken zu können. Die Lichter verschwimmen vor meinen Augen, wirken mal dunkler, mal heller. Und noch immer ist mir so schwindelig. ,,Wir müssen–", beginne ich stockend, ,,Wir müssen– müssen weiter." Doch dazu fehlt uns beiden die Kraft. Ich sacke ich mich zusammen, darauf bedacht den Größeren zu schützen und genügend Raum zum Atmen zu geben. ,,Milo..." – ,,Nit, ich bin hier!"

,,Verdammt!" Schweres Keuchen und Husten, dann ein dumpfer Aufprall. Mein Herz bleibt stehen, verkrampft sich unangenehm und auch ich muss mit einem Husten meine Lunge von dem ganzen Staub und Rauch befreien. Ich fühle mich paralysiert, etwas neben der Spur und versuche den anderen mit leichtem Tätscheln und wirren Worten bei Bewusstsein zu halten. Ich weiß nicht, wie es um ihn steht.

Eine Hand legt sich an meinen Rücken, zieht an der schützenden Weste und trennt mich leicht von nicht. Nicht allzu sehr, doch jetzt kann ich die geschlossenen Augen erkennen. ,,Wag es nicht...", bitte ich so leise, wie vorwurfsvoll, ,,Hier und jetzt–... abzukratzen." Nur langsam tätschle ich seine Wange, warte darauf, dass seine Augenlider zu flattern beginnen. ,,Nit...", flehe ich, doch passiert nichts. ,,Nein!", schüttel ich den Kopf. Ungläubig sehe ich in das reglose Gesicht, spüre Panik in mir aufkommen. Mein Mund wird staubtrocken und für einen Moment habe ich sogar das Gefühl, mir würde die Kraft zum Atmen geraubt werden. Eine Träne rinnt aus meinem Augenwinkel, tropft ungebremst auf das so blasse und reglose Gesicht des anderes Mannes.

– ,,Milo." Eine Hand schmiegt sich an meinen Hinterkopf, nur um dann an meinen Haaren zu ziehen. Eine andere Hand langt zwischen mich und Nit, eine Geste die mich aufschreien lässt. Ich kann jetzt nicht so von ihm gerennt werden! Nein, ich muss bei ihm bleiben, seine Hand halten, bei ihm sein, ihn beruhigen. Er braucht micht jezt! Ich kann ihn nicht einfach so gehen lasse! Nicht einfach so...

,,Nein!...", wimmere ich ausgelaugt und doch laut genug, dass mich meine kratzige Stimme selbst erschreckt. Ich will gerade diese Hand von ihm stoßen, näher zu ihm und mich um ihn kümmern, als ich doch gleich erneut davon abgehalten werde. ,,Er atmet noch, beruhige dich." Ich werde weiter nach oben gezogen, weiter von Nit weg. ,,Wir brauchen Hilfe– Sanitäter, sofort!" ,,Oh Gott!", rufe ich erschrocken und reiße mit einem Mal doch meinen Kopf um.
Ja, oh Gott!

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bruises and twisted guns ☾ ⋆*・゚Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt