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ᴛᴀɴᴀᴡᴀᴛ ᴄʜᴀɴɴᴀʀᴏɴɢ, ʟᴇᴏ | Ich fühle mich seltsam erholt, als ich nach den wenigen Stunden wieder zu mir komme. Milo lasse ich wie selbstverständlich noch länger schlafen. Er soll sich noch mehr erholen und seinen Körper regenerieren. Später aber werde ich ihn zusammen mit Nit zu Sean nehmen. Ich weiß, dass er keinen weiteren Tag einfach nichts machen wird und obwohl ich ihn gerne einfach vor einen Laptop setzen und Daten untersuchen lassen würde, weiß ich, dass er genau das nicht mit sich machen lassen würde. Vorsichtig nehme ich seinen Kopf von meiner Brust und entferne die Hand aus meinem Haare. Sein Griff ist fest, aber nicht unlösbar, sodass ich ihn schon wenig später in dem großen Bett alleine lassen und ins Badezimmer schleichen kann. Durch die offen stehende Tür, kann ich den Mann aber stets im Auge behalten und gleich für ihn da sein, wenn er mich braucht. Eigentlich habe ich aber erwartet, dass er sich eben nicht meldet, bis ich mich – nun auch schon wie immer gut gekleidet – neben ihn auf die Bettkante setze und sanft über seine weichen Gesichtszüge streiche. ,,Baby...", säusle ich leise, fahre sanft mit meiner anderen Hand über seine Schulter und warte geduldig darauf, dass er seine Augen öffnet. Kaum geschieht das aber und er will mich in seine Arme schließen, kneift er sie schnell wieder zusammen. Ein schmerzerfülltes Zischen entflieht seinem Mund und lässt mich gleich etwas zurückschrecken. ,,Es tut weh, mh?", hauche ich leise und sehe auf das bedeckte Bein. Eigentlich war damit zu rechnen. Er hat nur gestern morgen Schmerzmittel verlangt, dabei hätten wir ihm bei der Schwere seiner Wunde mehr gegeben. ,,Ich lasse dir etwas bringen.", nicke ich ihm zu, noch bevor er etwas antworten kann. Ich habe tatsächlich starkes Mitleid mit Milo, nicht zuletzt, da von meiner Mutter noch immer kein Wort des Dankes gekommen ist. Er muss sich schrecklich benutzt fühlen, wenn er so von ihr abgespeist wird... ,,Danke.", wispert er leise und etwas rau. Man merkt, wie müde er ist, wie kaputt. Umso schneller bemühe ich mich darum, jemanden herkommen zu lassen – was zum Glück aber mit einem Telefonat erledigt ist, sodass wir die kommenden zehn Minuten mit intensiven Händchen halten verbringen. Ich will ihm ein wenig des Schmerzes nehmen, doch das kann ich natürlich nicht.
– Und auch das Schmerzmittel braucht gut zwanzig Minuten, um wirklich zu wirken, sodass er meine Hand langsam aber sicher endgültig wieder loslässt und ich mich damit zu dem uns gebrachten Tablett zuwenden kann. Den Porridge serviere ich ihm gar nicht erst, sondern übergebe ihm die Schüssel voller Kao Tom, eine gut duftende Reissuppe. ,,Danke.", murmelt er äußert zufrieden und setzt sich auch schon auf, um dankbar über meinen Arm zu streichen. ,,Hilfst du mir gleich beim Umziehen? Ich will einigermaßen vernünftig aussehen, wenn ich das Haus verlasse." ,,Hör mal Püppchen...", schmunzle ich, ,,Ich würde dir sogar die Zähne putzen, wenn du es wollen würdest." Überrascht hebt er die Augenbrauen und schöpft gleich zwei volle Löffel in seinen Mund. Mit einem leisen Klirren landet er wieder in der Schüssel und etwas mühselig kommt er bis an mein Ohr gekrochen. ,,Und wenn du mir dann noch die Eier rasieren würdest–" ,,Milo!" Ein belustigter Laut verlässt seine plumpen, so schön glänzenden Lippen. Dann schüttelt er den Kopf und streicht sanft meine Haare zur Seite. Er kann nur hoffen, dass er dabei nicht meine Frisur zerstört.

,,Was erhoffst du dir von Sean? Du hast es gestern einfach nur rausgehauen, ohne wirklich was zu sagen..." Interessiert neigt er seinen Kopf zur Seite, ehe er sich erneut den Mund mit Essen füllt. Seine Wangen sind leicht aufgeplustert und selbst jetzt muss ich noch daran denken, wie gerne ich ihn habe. Mehr oder weniger ahnungslos zucke ich auf seine Frage hin mit den Schultern. ,,Ich will nicht nur sie sondern auch die Chinesen auffliegen lassen. Er soll uns dabei helfen.", murmel ich, ,,Und wer weiß, was er sonst noch alles in seinem Kopf hat."

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Mit großen Augen sieht Sean erst zu mir, dann zu Nit, der mit leicht blanchieren Körper in der Tür steht, und landet schlussendlich bei Milo, den ich vorsorglich auf dem Stuhl platziert habe, damit er nicht zu viel tut. Schon als ich ihr hier runter getragen habe, hat der so dünn gewordene Mann uns misstrauisch betrachtet. Nun schluckt er schwer und es scheint schwierig für ihn, seine Augen gänzlich von meinem Geliebten zu lassen.
– Merkt er es? Ist es auffällig?
Dann neigt er seinen Kopf leicht und die ungemachten, leicht fettigen Haare rutschen sogleich nach rechts. ,,Deine Besuche häufen sich." – ,,Solltest du nicht froh darüber sein, noch etwas Wert zu haben?", blaffe ich und schnalze sofort darauf auch mit meiner Zunge. Nit räuspert sich gleich im Hintergrund, deutet mir an, mich zu beherrschen. Währenddessen bleibt Seans Blick kalt und standhaft – oberflächlich zumindest, denn ich sehe das kleine Zucken in ihnen. Ich kenne ihn, so leid mir diese Tatsache auch tut. Ich räuspere mich, nicke leicht und wende meinen Blick einen Moment lang ab. Ich sammle meine rauschenden Gedanken, die mich mehr ablenken als mich leiten. Dieses große Durcheinander ist wie ein Albtraum, ein schlechter Scherz. Erst dann sehe ich Sean wieder an, betrachte das eingefallene Gesicht und erhebe mein Wort wieder. Diesmal ruhig und gefasst - zumindest versuche ich es. ,,Du hattest recht.", sage ich leise, ,,Wir haben einen Maulwurf. Die Shéyàmù haben einen Informanten." ,,Wer ist es?", möchte er gleich wissen. Langsam robbt er auf die Bettkante, stellt seine Füße auf dem Boden ab und presst seine in dieser hellblauen, dunklen Hose zusammen, die ihn eher wie einen Patienten als wie einen Gefangenen aussehen lassen. ,,Weißt du das nicht schon?", entgegne ich. Neugierig – ob nun gespielt oder nicht – schiebt er nun auch noch seine aneinander gedrückten Hände zwischen seine Oberschenkel. ,,Sag schon.", bittet er leise und doch etwas auffordernd. Ein Ton, den er sich eigentlich nicht erlauben sollte. Eigentlich.

,,Tina."
,,Deine Schwester?!"

Er ist ehrlich schockiert – oder wohl eher überrascht. Schockiert sollte niemand über diese Information sein, denn ja, bei ihr scheint es doch am meisten Sinn zu machen, dennoch bleibt sein Mund offen stehen und es dauert einen Moment bis der Ausdruck in seinen Augen erlischt und mir damit das Zeichen gibt, fortfahren zu können. ,,Wie können wir sie alle am besten ausschalten?", will ich gleich wissen. ,,Ausschalten? Ihr könnt nicht einfach einen ganzen Clan umbringen–" ,,Nur eine kleine Abreibung, bevor wir Frieden schließen können. Sie sollen wissen, welche ihre und welche unsere Position ist.", schüttel ich den Kopf. Sie sollen lernen, dass wir die Falschen zum spielen sind. ,,Ein Überraschungsbesuch.", zuckt er etwas hilflos mit den Schultern. Seine Augen huschen zu Milo, dann zu Nit und schließlich zurück zu mir. ,,Erst überrascht ihr Tina, macht ihr klar, dass sie aufgeflogen ist– dass sie keine andere Wahl hat– dass sie nicht mehr weiter machen kann.", erzählt er dann. Sein Blick ist so tiefgehend, dass sich die Seele meines Körpers für einen Moment ganz kalt anfühlt. ,,Sie soll bei den Shéyàmù anrufen. Nur eine Zeit ausmachen. Wenn sie deren Informantin ist, weiß sie, wo ihr Hauptsitz ist. Sie führt euch bestimmt hin – mit dem richtigen Druckmittel zumindest.", murmelt er nun überlegend. Das Schmunzeln, welches einen Moment später über seine Lippen huscht, passt kaum zu der Szenerie. Doch ich verstehe, als er tief Luft holt und einen dämlichen Kommentar von sich gibt. ,,Ich weiß nicht, was sie zu verlieren hat – aber wenn es nichts ist, dann hilft es nicht, ihr damit zu drohen, sie zu töten." – er spielt auf sich selbst an, auf seine mickrige Persona und sein nicht lebenswertes Leben. Ich nicke leicht, denn ich verstehe. ,,Ihr müsst auf alles vorbereitet sein, wenn ihr da seit. Sie sind schlau – nicht besonders mächtig, aber Köpfchen haben sie.", sagt er dann leise. ,,Und weiter? Haben sie eine Schwachstelle?", meldet sich nun Nit. ,,Viele.", sagt Sean leise, ,,Aber das wichtigste; es gibt nur zwei Ein– beziehungsweise Ausgänge. Nichts unterirdisches, nichts verstecktes. Ihr müsst sie bloß in die Enge treiben, Tina als Geisel präsentieren und die Karten auf den Tisch legen." ,,Und das soll funktionieren?" Ein gespielt überlegender laut verlässt die leicht blassen Lippen. Seine Augen blitzen auf – oh ja, wie sehr er dieses Gefühl genießt. Das Gefühl von einer gewissen Macht. ,,Ich kenne ihr Drogen– und Waffenlager. Sie bewahren so vieles genau dort auf. Solche Idioten.", flüstert er und grinst im nächsten Moment mit einem solch psychopathischen Lächeln, dass es selbst mir kalt über den Rücken läuft. ,,Zündet es an. Zerstört ihre winzige Macht." – das wäre wohl eher seine persönliche Rache

Vorerst ist das alles, was wir brauchen.
Wir fangen an, Details zu besprechen. Diese so wichtigen Details, die mir die Wahrheit, die ach–so bittere Realität nochmals näher bringen. Details, die meinen Gefallen von Mister Mongkut einlösen werden müssen. Details, die sich wie eine Qual aber ebenso wie eine Erleichterung anfühlen.
– Länger als eine gute Dreiviertel Stunde halte ich es hier in diesem trostlosen Loch aber nicht aus. Länger brauche ich Sean auch nicht. Seine Anwesenheit ist eben auch noch ein Risiko. Er ist nämlich nicht nur mein Informant, sondern eben auch mein Ex, der Mann, der mich untergehen lassen wollte. Der Mann, der mich betrogen und mich, nur weil ich mich von ihm trennen wollte, aus Rache zu Bruch bringen wollte. Gott, wie sehr ich ihn verabscheue und doch ist er gerade so wertvoll für meine Familie.

,,Ich habe mir Khanom Tako gewünscht, weißt du?", flüstert er leise, noch während ich Milo unter die Beine greife, um ihm hochzuheben. Ich schlucke leicht, denke für einen Moment zurück.
Zurück an den Abend, den ich für immer als etwas tolles in meinen Erinnerungen haben wollte. Unser erstes Date. Wir waren im open-air Kino, haben einen kitschigen Film geschaut und uns danach darüber lustig gemacht. Bevor ich ihn nach Hause gebracht habe, haben wir uns an einem beinahe schäbigen und doch so vertrauten Straßenstand Khanom Tako gekauft.
Ich nicke langsam und schmiege meine anderen Arm von hinten um Milos Torso. Ich weiß. Ich nicke ihm nun direkt zu. Seine Lippen werden von einem fast traurigen, wehleidigen Lächeln umspielt. Auch er nickt mir zu und legt seine Hände nun vorsichtig und zögerlich an seine Knie. ,,Ich wünsche euch viel Glück.", haucht er fast schon tonlos, aber keinesfalls bitter.
– Für einen Moment glaube ich tatsächlich an eine Illusion, an eine Einbildung. Dann – ich traue mir selbst kaum – bildet sich ein ehrlich dankbares Schmunzeln auf meinen Lippen. Kurz wird es in meiner Brust wohlig warm und während Milo sich erst anspannt und seinen Kopf etwas schwerfällig zur Seite rückt, schmiege ich meine gespitzten Lippen an seine Wange. Und doch habe ich im Hinterkopf, dass er es nicht sein lassen kann. Er weiß, dass ich ihn abgeschrieben habe, meinen Mut gesammelt und mein Herz endlich wieder abgeben konnte. Er weiß, dass ich glücklich bin und das tut er, weil er mich eben doch kennt. Aber ebenso weiß er, wie er mich auf die Palme bringen kann. Er muss bloß uns erwähnen – unsere gemeinsame Zeit. Eine Zeit, aus der ich nun nicht mehr, als eine Lektion, eine bittere Erfahrung mitnehme.

,,Du bekommst eine Zelle mit Tageslicht." Es ist nicht mehr als ein einfacher Kommentar, den ich von mir gebe, als ich Milo aus der Tür trage. Wenn alles geregelt ist und du beweisen konntest, dass du keinen widerlichen Plan hegst – hänge ich im Stillen an meine wenigen Worte.

,,Warum weiß er es?", haucht Milo, während Nit sich vor uns die Treppe hochquält. Tadelnd schnalze ich meine Zunge und drücke meine Nasenspitze dann kurz in seine weiche Wange. ,,Er wirkt nicht so, aber Köpfchen hat er trotzdem.", entgegne ich ihm. Es gibt schließlich einen Grund, warum er mein Verflossener ist. Er nickt leicht, legt seine Arme etwas fester um meinen Nacken. ,,Geht es dir gut?" ,,Wir kommen dem Ende näher, mh.", beantworte ich seine Frage indirekt. Er nickt leicht. ,,Babe, geht es dir gut?", haucht er nochmals, etwas rau aber deswegen nicht weniger fürsorglich. Babe. Er macht mich wirklich verrückt... Doch diesmal bin ich ehrlich. ,,Nein.", erkläre ich leise, doch wir beide wissen, dass wir nicht mehr dazu sagen müssen– wollen. Und ich bin dankbar dafür. Natürlich geht es mir nicht gut. Sie ist meine Familie und auch wenn unsere Beziehung eben die von Geschwistern ist, habe ich mir unser Ende nicht so vorgestellt. Tatsache ist nämlich, dass sie entehrt wird. Entweder wird sie für den Rest ihres Lebens in ein noch dunkleres Loch wie Sean gesperrt, oder gleich mit einem einzigen Kopfschuss zwischen die Augen getötet. Draußen auf dem Hof. Vor den Augen aller.
– Zumindest wenn es nach Plan laufen sollte...


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bruises and twisted guns ☾ ⋆*・゚Where stories live. Discover now