| 52 ☄. *. ⋆

209 14 2
                                    

╭── ⋅ ⋅ ── ✩ ── ⋅ ⋅ ──╮

ᴛᴀɴᴀᴡᴀᴛ ᴄʜᴀɴɴᴀʀᴏɴɢ, ʟᴇᴏ | Die Sonne scheint warm in das Zimmer hinein, der sanfte Schwall zwitschernder Vögel hält mich von weiterem Dösen ab und der seichte Wind lässt angenehm frische Luft in den großen Raum schwimmen.
Es ist bereits früher Nachmittag und noch immer liegt Milo mit geschlossenen Augen da. Mittlerweile habe ich mich hinter ihn gesetzt, sodass er zwischen meinen Beinen an meinen Oberkörper gelehnt ist und ich ihn sanft durch das dichte Haar fahren kann. ,,Möchtest du nicht auch langsam etwas essen? Du musst zu Kräften kommen.", raune ich leise in sein linkes Ohr, liebkose seine Schläfe so sanft, dass der Kuss nicht mehr als ein Hauchen ist. ,,Lass mich noch ein bisschen...", flüstert er schwach. Sein Kopf knickt kurz zur Seite, ehe er schwach etwas weiter an mich herunterrutscht. ,,Fünf Minuten.", gebe ich aus Mitleid nach, streiche weiter über seine weichen Haare. ,,Fünf Minuten.", widerholt er meine Antwort dankbar und versucht leise jammernd nach meiner Hand zu greifen – eine Geste, bei dem ich ihm nur allzu gerne helfe. Unsere Finger verschränken sich automatisch ineinander und nun wohl doch etwas zufriedener schließt er die Augen vollständig.
– Rigentlich bringe ich es kaum übers Herz, ihn tatsächlich schon wenig später über den bedeckten Arm zu streichen und damit wieder seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. ,,Na komm, ich helfe dir auch.", versuche ich ihn zu locken, strecke meinen Arm nach rechts zu dem Tablett voller leckerer Speisen, welches nun schon seit gut einer Stunde dort steht. Ich selbst habe mit Mühe und Not ziemlich schwerfällig einige Bissen in meinem Körper gezwungen und hoffe doch inständig, dass mein Püppchen etwas mehr verdrücken kann. Seit ich selbst wieder wach geworden bin, kann ich gar nicht anders, als bloß daran zu denken, wie ich diesen elenden Attentäter schnappen und angemessen bestrafen kann. Niemand soll meinem kleinen, so hübschen Jungen wehtun! Nie wieder, wenn es nach mir gehen würde!

So vorsichtig ich kann entferne ich mich von ihm, lasse seinen eigenen Körper an das Headboard lehnen und hocke mich stattdessen so vor ihn, dass ich problemlos erst durch seine Haare streichen und dann einen gefüllten Löffel an seinen Mund führen kann. ,,Nur ein bisschen.", bitte ich. ,,Ich weiß, ich weiß Leo. Du musst mich ja nicht vollkommen bemuttern." ,,Baby, ich mache mir Sorgen um dich...", seufze ich, meine Hand auf sein unbeschädigtes Bein schmiegend. Kaum habe ich ihm einen einfachen Kuss auf die Wange gedrückt, muss er nun auch wieder etwas lächeln.

Die nächsten Minuten dagegen vergehen wortlos und still. Wir brauchen keine Worte, um uns zu verständigen, immerhin gebe ich nur mein bestes, den anderen zu füttern und etwas von den nun aufkommenden Schmerzen abzulenken. Neben meinen Vorhaben, mich einmal bei Nit zu erkundigen, wie es ihm geht, werde ich also auch noch etwas dagegen besorgen. Danach muss ich aber unbedingt alle möglichen Berichte einsammeln und gucken, was dabei rausgekommen ist. Jeder noch so kleine Hinweis, entweder auf die Chinesen selbst oder nur auf die Person die meine Mutter erschießen wollte und stattdessen meinen Geliebte getroffen hat, ist Millionen wert.

Eben diesem helfe ich – kaum hat er mir bestätigt, dass er satt ist – ins Bad, setze ihn auf dem beigen Hocker ab und wasche ihn zumindest etwas mit einem feuchten Lappen. ,,Ist es warm genug?", frage ich vorsichtshalber nach, als ich bereits vor ihm knie, sein verletztes Bein auf meinen Oberschenkel abstelle und den weißen, nassen Stoff über seine Wade fahren lasse. ,,Ja, ist gut so.", nickt er dankbar, entfernt derweil das weite Oberteil von seinem Körper und präsentiert mir gleich unzählige Hämatome und Kratzer, verteilt über seine Arme und die Brust. Ein Anblick, den ich von mir selbst kenne und trotzdem erweckt sein Anblick Mitleid in mir. Am liebsten würde ich ihn wieder vorwerfen, dass er überhaupt zurückgerannt ist – aber ich weiß, dass er es aus Sorge zu mir gemacht hat. Ich wünschte nur, er wäre geblieben wo er war. In Sicherheit. Geschützt durch andere Personen und ausreichend Abstand.

Ich ersetze das Bein gegen das andere, ehe ich vorsichtig seine Hand zu mir ziehe und dessen Rücken küsse, bevor ich den Lappen auch drüber fahren lasse und nochmals zu dem Jüngeren aufsehe. ,,Kann ich dich gleich für einen Moment alleine lassen?" ,,Natürlich, Leo. Ich weiß ja, was du alles zu tun hast.", nickt er schnell und führt seine andere Hand zu meinem Haarschopf, um mich leicht zu tätscheln. ,,Ich würde nur lieber auf dich aufpassen und mich um dich kümmern–" ,,Hör auf damit, ja? Es ist in Ordnung.", bittet er mich sanft, während er seine Beine voneinander trennt und mich bittend etwas höher zu sich zieht. ,,Aber einen Kuss...", säuselt er, ,,Den bekomme ich doch, oder?" Sofort beuge ich mich ihm breit lächelnd entgegen und liebkose seine pinken, weichen Lippen so sanft wie liebevoll. Sie sind ganz warm und leicht feucht, was das küssen erleichtert. Sanft ummanteln seine Lippen die meinen und der angenehme Druck fühlt sich so an, als wäre für einen Moment alles gut.

,,Du rufst mich sofort an, wenn etwas ist.", bitte ich ihn gleich, kaum trennen wir uns voneinander. Seine Küsse sind eine Geste, die ich sehr schätze und nicht weniger liebe, genau deswegen wird es gleich aber bestimmt noch schwieriger, ihn zu verlassen. ,,Jaja–“ ,,Milo! Das ist ein Befehl!", presse ich hervor, klinge dabei mal wieder strenger als erhofft, doch selbst das lässt sein liebliches Lächeln nicht schwinden. ,,Du bist süß.", flüstert er stattdessen. Ein Kompliment, welches ich nicht gerade häufig zu hören bekommen und dementiert einen Moment braucht, um verarbeitet zu werden. Ohne es wirklich zu wollen, schüttle ich meinen Kopf so leicht, dass sich nicht mal meine Haare besonders bewegen – damit will ich seine Worte nicht abweisen, sie nur etwas besser verdauen und die aufkommenden Glücksgefühle nicht gleich nach außen hin preis geben. ,,Nicht so sehr wie du.", gestehe ich gleichzeitig auch noch einen meiner ersten Gedanke, führe den noch immer feuchten Lappen über seinen Torso zu seinem anderen Arm. ,,Nein, ich–" Er unterbricht sich selbst, nun ebenfalls den Kopf leicht von einer Seite zur anderen bewegend und spannt seinen Kiefer sichtlich an. ,,Ich meine es ernst. Diese harte Schale von dir ist zwar unfassbar attraktiv und sexy, aber was ich wirklich begehre sind Gesten wie diese." Er deutet mit einem Nicken auf das feuchte Tuch und lächelt dann wieder etwas breiter. ,,Oder wenn du mich einfach in den Arm nimmst und ich deinen Herzschlag spüren kann..." – ,,Der weiche Kern.", nicke ich wissend. ,,Der weiche Kern.", bestätigt Milo. ,,Ich–... du bedeutest mir viel.", erkläre ich unnötigerweise, lasse einen Augenblick später von ihm ab und erhebe mich langsam. ,,Ich weiß. Du bedeutest mir auch sehr viel, Leo."
– ,,Jetzt muss ich dich doch nochmal küssen.", schlucke ich schwer und doch belustigt.

Und es bleibt bei diesem einem kurzen Kuss, denn ich will ihn noch schnell in frische Klamotten von mir kleiden und dann nach unten tragen können. Dort kann er besser von meinen Angestellten erreicht werden und das ist mir ganz lieb. Ich möchte ja, dass es ihm schnell wieder gut geht, deswegen soll er sich auch so wenig wie möglich in den nächsten Tagen, wenn nicht sogar Wochen, belasten.
Auf dem Weg zum Haupthaus kommen mir auch gleich Nit und Kai entgegen, beide verliebt lächelnd und insgesamt doch etwas besser drauf als ich und Milo. ,,Wie geht es ihm?", fragt Nit gleich interessiert, zieht eine Augenbraue in die Höhe. ,,Ich denke ganz gut.", zucke ich mit den Schultern, ,,Wenn ihr wollt, könnt ihr ihm gerne etwas Gesellschaft leisten. Ich habe ihn ins Wohnzimmer verfrachtet." ,,Dürfen wir? Ist ihm das nicht zu viel?" Schnell schüttle ich den Kopf und tätschle die Schulter meines Bodyguards. ,,Es freut ihn bestimmt." ,,Und du?", fragt Kai leise, nun vorsichtig eine Hand an meine Schulter legend, ,,Du gehst arbeiten, mh? Willst du dir nicht etwas Ruhe gönnen? Nun wo Tina sowieso alles mitbekommen hat, kann sie doch für einen Moment–" ,,Ich denke nicht mal daran. So gut sie auch sein mag, ist das hier noch immer mein Problem." Aber selbst das ist nur die halbe Wahrheit. Ich kann nicht anders, als zu arbeiten. Es geht um meinen Clan, meine Freunde und meine Familie! Und wenn selbst ich mich zurückziehen, mir Ruhe gönne, wie sollen dann all die anderen noch motiviert sein? Ich stehe über ihnen bin aber ebenso an ihrer Seite. Ich will sie motivieren und unterstützen, sie sogar beschützen, obwohl das ihre Aufgabe mir gegenüber ist.

Lange dauert es nicht, bis ich Toi in dem kleinen Büro der IT aufsuche und bereits mit großen Augen begrüßt werde. ,,Was?", verwirrt neige ich meinen Kopf zur Seite, nur um einen Moment später selbst meine Augen aufzureißen und auf ihn zuzustürmen. Sein Ausdruck heißt nämlich etwas ganz bestimmtes. Er hat etwas wichtiges herausgefunden. Im Normalfall würde ihn das zum grinsen bringen, man würde ihm den Triumph ansehen. Aber das hier – das bedeutet nichts gutes. Das was er herausgefunden hat, ist schlimm! Aber hoffentlich nicht allzu sehr...

,,Toi?", frage ich leise, beuge mich so zu ihm rüber dass ich problemlos auf den Bildschirm gucken kann, der zum einen einen Lageplan unserer Anlage zeigt und zum anderen eine Aneinanderreihung verschiedener Codierungen und Befehle, mit denen er sich anscheinend in das verdächtige Gerät hacken und es lesen konnte. Eher langsam hebt er seine Hand an und streckt seinen Zeigefinger unmittelbar vor dem Bildschirm aus, zeigt damit auf einen roten Kreis mitsamt Warndreieck. Und damit auf die Villa, die meine Mutter und Tina bewohnen.

,,Die Anrufe und Nachrichten wurden hauptsächlich von dort aus getätigt.", murmelt er leise und will mich auf den Stuhl neben sich ziehen, auf dem vermutlich Tan gesessen hat, doch ich bleibe standhaft, stütze mich weiter auf dem dunklen Schreibtisch ab und kann meinen Blick kaum von dem Display lösen.

,,Ich habe es mehrmals überprüft und... das Signal wurde definitiv nicht umgeleitet. Es muss von dort aus–" ,,Ich habe schon verstanden.", hauche ich tonlos und doch schwingt deutliche Unzufriedenheit in meiner Stimme.

Es ist eine Erkenntnis, die mich stark trifft, aber dennoch kommen keine solchen Gefühle in mir auf. Es ist eine Welle an Enttäuschung, die mich kurz betäubt. Eine Welle an Unsicherheit und Unzufriedenheit.

Damit gerechnet habe ich keineswegs und doch scheint mir diese augenscheinliche Tatsache gar nicht so abwegig. Ich schlucke das aufkommenden Gefühl der Leere in mir schwerfällig herunter, blinzle ein paar mal, ehe ich mich wieder aufrichten kann. ,,Kannst du feststellen, von wem genau das Handy stammt?", möchte ich wissen. ,,Nein.", sanft schüttelt er den Kopf und startet gleich einen weiteren Versuch, mich neben sich zu ziehen. Diesmal mit Erfolg. Unbeirrt greife ich nach dem Wasserglas meines Angestellten und genehmige mir einen großen Schluck. ,,Genauere Signale sind blockiert. Wenn wir aber die Ausgänge der Nachrichten und Anrufe mit der An– und Abwesenheit von Miss Lili und Miss Tina abgleichen, sollten wir schnell Klarheit bekommen.", klärt er mich dann auf. ,,Dann fang damit an.", bitte ich, mich schwer ausatmend zurücklehnend. Augenscheinlich muss es ja einer von den beiden sein, nicht wahr? Es ist das einzig plausible. Einer der Angestellten wird kaum so oft Zugang zu der Villa haben und gleichzeitig ein Handy benutzen dürfen. Bleibt nur noch die Frage, nach dem Motiv. Die Frage, nach dem Warum.

Will man mich loswerden?
Ein neues Imperium aufbauen und das jetzige zum Einsturz bringen?
Aber warum dann auch die Mongkuts?
Warum nicht nur uns?
Und warum sollte man dann Mutter angreifen?

Ich kann mir fast vorstellen, dass sie einen solchen perfiden Plan selbst geschmiedet hat. Dass sie es so nur von sich ablenken lassen wollte. Andererseits könnte auch Tina zu solchen Taten fähig sein. Sie ist nicht nur wissbegiering sondern auch machtbesessen – das hat sie schon oft genug bewiesen. Ich schlucke schwer. Aber würde sie dafür Mutter und mich verletzten wollen? Oder gar umbringen?! Nein... sie ist doch meine Schwester!

,,Toi...", flüstere ich leise, starre weiter auf den Bildschirm, ,,Es klingt verrückt, oder? Bei Luca kann ich ohne zu zögern sagen, dass er mich niemals hintergehen würde. Er würde niemals jemanden aus den eigenen Reihen ein Haar krümmen! Aber... aber Tina..." Ich brauche den Satz gar nicht erst komplett aussprechen, damit mein langjähriger Mitarbeiter weiß, worauf ich hinaus will. Er räuspert sich. Er spannt sich an und richtet sich gleichzeitig etwas auf. Auch ihn bekommt der alleinige Gedanke an das Unscheinbare aber nicht Unmögliche nicht allzu gut. Er schluckt schwer und sein Blick reicht vollkommen aus, um mir stumme Zustimmung zu leisten. Verdammt!

Unzufrieden drücke ich meine Zunge nach oben und beiße dann beinahe schmerzhaft fest auf meine Unterlippe. ,,Toi, das ist gar nicht gut.", murmle ich. In mir breitet sich ein Gefühl der Planlosigkeit aus. Wie kann ich gegen meine eigene Familie ermitteln? Wie soll ich das schaffen. ,,Toi, das ist eine verdammte Katastrophe.", versuche ich es besser auf den Punkt zu bringen. Sie kennen mich doch. Sie würden es merken, wenn ich versuche sie auffliegen zu lassen, wenn ich sie zum Fall bringen will. Sie würden es wissen...

Und das macht mich in gewisser Weise machtlos.


╰── ⋅ ⋅ ── ✩ ── ⋅ ⋅ ──╯

bruises and twisted guns ☾ ⋆*・゚Where stories live. Discover now