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Erst nachdem ich draußen eine Runde an der frischen Luft gedreht hatte, machte ich mich auf den Weg in die Kerker zu dem Gemeinschaftsraum der Slytherins.

Auch nach fünf Jahren, nach einem halben Jahrzehnt, nach fast ein Drittel meines gesamten Lebens, fühlte ich mich hier immer noch nicht zuhause. Egal, wie viel Zeit ich hier verbrachte. Das war einfach nicht der Ort, an dem ich sein wollte. An dem ich sein sollte.

Obwohl ich zugeben musste, dass mir die etwas düstere Einrichtung durchaus gefiel. Es war aber nur eine schwache Belohnung, wenn man auf das sah, was ich alles verloren hatte.

„Ich hatte ja gehofft, dass du nicht zurückkommst.", wurde ich von Jessica, meiner Mitbewohnerin, begrüßt. Daisy kicherte.

„Da wären wir schon zwei." Ich verdrehte die Augen.

„Hä?"

„Ist dir das schon zu hoch, Carver?" Ich lachte spöttisch auf und ließ mich auf mein Bett fallen. „Ich wusste ja, dass du nicht die Hellste bist, aber so schwer war das doch jetzt auch nicht."

„Wage es nicht noch einmal so mit mir zu sprechen, du Schlammblut!" In ihren Augen glitzerte der Zorn und sie stampfte mit ihrem Fuß auf.

Augenverdrehend lachte ich auf. „Danke für das Kompliment, meine Liebe. Du hättest mich mit keinem anderen Wort glücklicher gemacht."

„Was?" Man konnte förmlich sehen, wie ihr Hirn arbeitete. „Aber... Das war doch kein Kompliment. Ich... Du... Also..."

„Oh, du wolltest mir kein Kompliment machen?", fragte ich und zog, gespielt erschrocken, die Luft ein. „Das ist aber schade, aber könntest du dann vielleicht das nächste Mal ein eindeutigeres Wort wählen, wenn du mich beleidigen möchtest?"

Sie starrte mich mit offenem Mund an, auch Daisy und Emily wirkten irritiert und ihre Blick wanderte zwischen ihrem Idol und mir hin und her.

Ein letztes Mal die Augen verdrehend, zog ich die Vorhänge meines Bettes zu und wartete bis die anderen einschliefen.

Nachdem ich das ruhige gleichmäßige Atmen vernommen hatte, schlich ich nach draußen und stieg über ein Fenster im Obergeschoss auf das Dach. Die kühle Luft half mir dabei einen klaren Kopf zu kriegen.

Als ich die Stelle des Daches erreicht hatte, von der aus man, zumindest bei Tageslicht, den See und den Wald überblicken konnte, setzte ich mich hin und ließ mich nach hinten sinken.

Es war eigentlich schon witzig gewesen, als Flitwick gemeint hatte, ich würde mich an die Schulregeln halten, denn das tat ich nicht. Ich hielt mich nicht einmal an Gesetze und insbesondere die Nachtruhe umging ich quasi täglich. Doch anders als die meisten Deppen, wie Jessica und ihr Gefolge oder die Rumtreiber, ließ ich mich einfach nicht erwischen. So einfach war das. Und ehrlich, das war wirklich einfach. So einfach, dass es eigentlich echt traurig war. Sie waren einfach unfähig.

Aber darüber sollte ich mich wohl nicht beschweren. Ein paar Herausforderungen hätte ich zwar spaßiger gefunden, aber bei einem gelungenen Raub beschwerte man sich doch auch nicht darüber, dass es keine Überwachungskameras gegeben hat.

In zwei Tagen würde der Unterricht wieder beginnen und ich müsste mich wieder mit Zauberformeln, Zaubertrankzutaten und Glaskugeln rumschlagen. Was ein Dreck.

Nach einiger Zeit machte ich mich seufzend auf den Weg zurück. Ich kletterte zurück zum offenen Fenster und ließ mich elegant hindurch gleiten. Ich musste mich nicht einmal wirklich anstrengen, um nicht erwischt zu werden.

Auf dem Weg hörte ich zwar Peeves, aber ich versteckte mich einige Sekunden hinter einer der Ritterrüstungen und schon war die Gefahr gebannt. Peeves hatte mich bisher kein einziges Mal erwischt, genauso wenig wie Filch oder seine komische Katze. Was da für eine seltsame Beziehung zwischen den beiden herrschte, hatte ich auch noch nicht verstanden, aber vielleicht wollte ich das auch gar nicht so genau wissen. Manchmal war Unwissenheit ein Segen.

Aber das galt nicht für das große Geheimnis meiner Familie. Ich verstand einfach nicht, wieso er es mir noch nicht verraten hatte. Ich war doch alt genug. Oma hätte es mir schon vor Jahren erzählt, wenn sie noch am Leben gewesen wäre. Aber nein, mein Vater erzählte mir nicht, worum es im Familiengeschäft wirklich ging. Obwohl ich ein Anrecht darauf hatte, die Leitung zu übernehmen. Ich sollte das Geschäft erben. Das war mein Geburtsrecht gewesen als Erstgeborene. Das gleiche Recht hatte mein Vater erteilt bekommen, wie Oma vor ihm. Als nächste sollte ich an der Reihe sein und ganz sicher nicht mein Bruder.

Abgesehen davon war Paul ein Nichtsnutz. Ich war in jeder Disziplin, die uns unser Vater gelehrt hatte, um Welten besser als er. Aber ich musste ja diesen verdammten Brief bekommen.

Mein Vater war begeistert gewesen. Er sagte immer wieder, dass uns das später von großem Vorteil sein könnte. Zauberkräfte würden praktisch sein.

Er mag damit zwar recht haben, aber trotzdem wollte ich das nicht. Es machte viel mehr Spaß ohne Magie ein leckeres Schokoladencroissant am Bahnhof zu klauen, statt mit einem einfachen Zauber. 

Ihr wolltet ja wissen, wessen Kommentar zu dieser Geschichte geführt hat:
@LiniDieHauselfe hat vorgeschlagen "wie wäre es mal mit einer Auftragsmörderin und/oder Taschendiebin?"
Vielen Dank für die Inspiration :)

Bis ich ihm die Wette stahl (Harry Potter - Rumtreiber - Fan Fiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt