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Mein Blick fiel durch das geschlossene Fenster und ich konnte nicht glauben, was sich drinnen abspielte.

Meine Eltern saßen mit Paul am Küchentisch, die Teller waren leer und zur Seite geräumt. Stattdessen lagen vor ihnen Spielkarten und... und sie lachten.

Meine Familie, die Familie, die sich nicht einmal die Zeit nahm, mich ordentlich zu begrüßen, nachdem ich ein halbes Jahr nicht mehr dort gewesen war, hatte die Zeit um zusammen Karten zu spielen?

In meinem Kopf rasten alle Erinnerungen vorbei auf der Suche nach irgendeinem Moment, an dem ich sie so glücklich und ausgelassen gesehen hatte. Ein einziger Moment, in dem mein Vater so glücklich ausgesehen hatte, wenn ich dabei war.

Mir fiel nichts ein. Rein gar nichts.

Statt mir das länger anzusehen, kletterte ich weiter und stieg in das Haus ein.

Zuerst überlegte ich, ob ich einfach meine Sachen packen und wieder abhauen sollte, aber ich entschied mich dagegen. Ich setzte mich im Wohnzimmer auf den großen Ledersessel und wartete.

Aus der Küche drang ihr Gelächter zu mir, doch ich blieb regungslos sitzen.

Es vergingen wohl fast zwei Stunden, bis mein Vater und mein Bruder das Wohnzimmer betraten, was gleichzeitig auch Vaters Büro war, weswegen ich fast nie Zeit hier drinnen verbracht hatte.

„Wir treffen uns dann morgen mit Jeremy, um nochmal alles durchzusprechen, aber grundsätzlich kennst du den gesamten Plan." Mein Vater winkte Paul zu sich an den Schreibtisch und gemeinsam beugten sie sich über irgendwelche Unterlagen. „Hast du noch Fragen?"

Meine Geduld war ziemlich am Ende, weswegen ich ihn nicht zu Wort kommen ließ. „Den peripheren Blick hattest du auch schon mal besser drauf."

Blitzschnell hob Dad den Kopf, seine Hände zu Fäusten geballt. „Was machst du denn hier?!"

„Andere Väter würden sich freuen, wenn die verschwundene Tochter zurückgekehrt ist."

„Wie viel hast du gehört?", knurrte er mich an.

Ich ignorierte seine Frage. „Andere wären einfach froh darüber oder würden wissen wollen, wo ich war. Nicht so du. Du wolltest mir nie das Geschäft anvertrauen, oder?" Meine Stimme blieb ruhig, auch wenn mein Inneres brodelte. „Dass ich eine Hexe bin, kam dir nur recht, oder? Mein ganzes Leben lang hatte ich nur das Ziel deinen Respekt zu bekommen." Ich stand vom Sessel auf. „Ich wollte ins Geschäft einsteigen. Aber die Wahrheit ist, dass du nie auch nur darüber nachgedacht hast. Ich weiß nicht einmal, worum es da geht, aber ich bin in jeder Sache, die du uns beigebracht hast, besser als mein Bruder und trotzdem war es immer er." Ich schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, worum es geht, aber du hast das Geschäft von deiner Mutter geerbt. Sie hatte immer gesagt, dass ich es sein werde, die das Geschäft erben soll. Dass es MEIN Recht sei, als Erstgeborene UND dass sie sich darüber freut, dass es wieder eine weibliche Leitung geben wird, aber dir war das egal. Dir war egal, was sie wollte."

„Sei still!"

„Wieso?", fragte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ist es meinetwegen oder einfach, weil ich eine Frau bin?"

„Geh mir aus den Augen!", schrie er und zeigte zur Tür. „So sprichst du nicht mit mir! Wie kannst du es wagen! Geh zu deiner Mutter in die Küche!"

„Wie kann ich es wagen?", wiederholte ich und lachte kurz auf. „Wie ICH es wagen kann? Wie kannst DU es wagen?" Jetzt wurde meine Stimme doch lauter. „Wie konnte ich nur all die Jahre übersehen, was für ein sexistischer Mistkerl du bist?! Wie kann Mom es nur bei dir aushalten?"

„Raus!" Sein Gesicht hatte sich tiefrot gefärbt. „Hau ab!"

„Das ist deine Lösung für alles, was?" Die Wut in mir hatte sich in Luft aufgelöst. Mein Inneres fühlte sich schwerelos an. Es war das erste Mal, dass es mir vollkommen egal war, was mein Vater dachte. „Ich soll die Klappe halten, verschwinden, das liebe kleine gehorsame Mädchen sein. Eines Tages wirst du sehen, dass du die falsche Entscheidung getroffen hast. Tief im Inneren weißt du, wie unfähig Paul ist. Er bekommt nichts auf die Reihe. Er ist hoffnungsloser Fall." Mein Blick fiel auf ihn. Er war einige Schritte zurückgewichen und war ganz blass. „Sorry, Paul, dass ich das so sage. Ich bin mir sicher, dass es auch etwas gibt, in dem du gut bist, aber es ist nicht das hier. Und es tut mir leid für dich, dass du nie die Chance hattest deine Fähigkeiten zu erkunden. Je älter man wird, desto schwieriger ist es, aber vielleicht kannst du es noch schaffen. Du musst es nur akzeptieren, dass es nicht das hier ist. Ich glaube, dass du das bereits weißt. Lebe nicht von Vaters Wertschätzung." Ich lächelte ihn an und ignorierte dabei, dass Dad auf mich zukam. „Mein ganzes Leben lang wollte ich ihn nur stolz machen, aber das war falsch. Er macht meinen Wert nicht aus. Und deinen auch nicht."

Vaters große Hand griff meinen Oberarm. Seine Nägel bohrten sich in mein Fleisch als er mich zur Tür zerrte und mich rausschupste. Dann knallte er die Tür hinter mir zu.

Mom stand einige Meter entfernt und starrte mich mit großen Augen an.

„Du musst nicht bei ihm bleiben, Mom.", sagte ich nach einigen Sekunden des Schweigens.

Sie drehte sich um und ging in die Küche.

„Ja mir geht es gut, danke der Nachfrage.", rief ich ihr hinterher und stieg die Treppen hoch in mein Zimmer.

Dieses Mal packte ich mehr ein als jemals zuvor. Alles was ich behalten wollte, denn ich würde nicht noch einmal hier her zurück kommen. 

Bis ich ihm die Wette stahl (Harry Potter - Rumtreiber - Fan Fiction)Where stories live. Discover now