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Schon bevor die Sonne aufgegangen war, setzte ich mich an den Küchentisch und wartete.

Mein Vater und mein Bruder kamen beide rein und nahmen sich was zum Frühstück mit. Sie antworteten nicht auf mein „Guten Morgen." Und auch sonst beobachteten sie mich keine Sekunde lang. Stattdessen schlossen die beiden die Türen hinter Vaters Büro und begannen, wieder einmal, mit irgendwelchen geheimen Gesprächen.

Also blieb ich allein sitzen und wartete.

Meine Mutter kam erst zur Mittagszeit rein, als sie mit dem Kochen begann.

„Brauchst du Hilfe?", fragte ich, nachdem sie schon zwei Töpfe rausgeholt hatte.

Mit einem spitzen Schrei drehte sie sich um. „Nessa! Was machst du denn hier?"

„Ich sitze hier und warte."

„Wartest auf was?"

Ich schnalzte mit der Zunge. „Auf dich oder Vater oder Paul. Auf irgendjemanden, der mich nicht ignoriert."

„Wer ignoriert dich denn?"

Lachend schüttelte ich den Kopf. „Ich kann wohl an einer Hand abzählen wie viele Gespräche ihr mit mir geführt habt, seitdem ich hier bin. Das bin ich seit drei Tagen, falls du es vergessen hast."

„Ach Nessa."

„Was denn?" Ich verschränkte meine Hände auf dem Tisch. „Ihr habt keine Zeit für mich. Habt ihr nie und ganz ehrlich, ich habe die Schnauze voll davon!"

„Nessa!" Sie warf einen panischen Blick über die Schulter. „Schrei bitte nicht so, sonst wird dein Vater noch wütend."

„Das ist das einzig wichtige, hm?" Ich schloss die Augen. „Alles, so wie er es möchte, was?"

„Nessa."

„Nessa. Kannst du noch was anderes sagen? Wieso?" Ich sprang auf. „Wieso soll ich still sein?!"

„Was ist denn hier los?" Mein Vater kam reingestürzt. Seine Hände zu Fäusten geballt.

„Ich will wissen, warum ihr mich ignoriert."

„Hör auf zu schreien, Vanessa!"

„Warum denn? Scheinbar bekomme ich ja so was ich möchte!", schrie ich zurück. „Das ist das erste Mal, dass du mich anschaust! Und du hast gerade mehr Wörter an mich gerichtet als in der gesamten Zeit zusammen. Nur weil ich schreie! Warum sollte ich also damit aufhören?"

„Weil du Respekt haben musst!", knurrte er. „Du bist hier unter meinem Dach. Hier gelten meine Regeln! Verschwinde! Geh auf dein Zimmer und komm erst wieder runter, wenn du begriffen hast, dass du tun sollst, was ich sage!"

In dem Wissen, dass ich keine Chance hätte diesen Streit zu gewinnen, lief ich hoch in mein Zimmer und ließ meine Wut raus, in dem ich auf meinen alten Boxsack einschlug.

Als ich mich erschöpft auf mein Bett fallen ließ, hörte ich ein leises Klopfen. Irritiert richtete ich mich wieder auf. Das Klopfen war nicht von meiner Tür gekommen, sondern vom Fenster.

Eine hellbraune Eule stand auf der Fensterbank und pickte mit ihrem Schnabel an das Glas.

Ein kleines Lächeln umspielte meine Lippen als ich ihr den Brief abnahm und öffnete.

Mein Herz machte einen kleinen Satz als ich Sirius Handschrift erkannte:

Liebe Nessa,

Ich weiß, dass du gesagt hast, dass du die Zeit bei deiner Familie genießen möchtest und dass du sie sehr vermisst hast, aber ich möchte, dass du weißt, dass, falls du doch mal von zuhause weg möchtest, du auf jeden Fall hier herkommen darfst. Ich habe mit James Eltern geredet und sie meinten, dass du so lange bleiben darfst, wie du möchtest.

Sei mir nicht böse, aber ich möchte, dass du weißt, dass du jederzeit hier herkommen darfst, wenn du Abstand zu deiner Familie brauchst und ich wünsche mir von dir, dass du diese Gefühle zulässt.

Du willst nur das Beste in deiner Familie sehen, aber ich weiß, wie es ist ein schwieriges Verhältnis zu den eigenen Eltern zu haben.

Bitte lass nicht zu, dass sie dich zerstören.

Du bist ein wunderbarer Mensch voller Stärke, aber in deinen Augen kann ich jedes Mal, wenn du über sie sprichst, Trauer sehen. Als würde dein Herz langsam zerbrechen.

Wenn du dort glücklich bist, dann freue ich mich für dich und auch wenn ich dich vermisse, hoffe ich, dass du dann jede Sekunde mit ihnen auskostet, aber wenn du merkst, dass du da weg musst, dann bitte, aus tiefsten Herzen bitte ich dich, komm zu uns.

Wir sind für dich da. Immer.

Dein

Sirius

Ich ließ den Brief auf meinem Schoss sinken. Meine Augen brannten und das Atmen fiel mir schwer.

Wie konnte es sein, dass er es wusste? Er hatte recht. Ich musste hier raus. Es tat mir einfach nicht gut hier zu sein.

Auf der Rückseite stand die Adresse der Potters und zu meiner Überraschung lag James Haus gar nicht so weit von hier entfernt.

Ohne noch länger darüber nachzudenken, setzte ich mir Kopfhörer auf, startete die Musik und begann einige meiner Sachen wieder in meine Tasche zu stopfen. Ich würde hier verschwinden. Zumindest für ein paar Tage. Danach konnte ich immer noch zurück kommen. Aber fürs Erste musste ich hier raus. Weg von meiner Familie.

Ein Gedanke, von dem ich nie gedacht hatte, dass ich ihn mal denken würde.

Es konnte doch nicht sein, dass ich mich mittlerweile in Hogwarts wohler fühlte als zuhause bei meiner Familie. Trotzdem schien es so zu sein. 

Bis ich ihm die Wette stahl (Harry Potter - Rumtreiber - Fan Fiction)Where stories live. Discover now