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„Miss?", weckte mich ein Mann. „Sie können hier nicht schlafen."

„Seit wann das denn?", fragte ich und sprang auf. „Ich warte hier nur auf meinen Zug. Ist ja nicht so, als würde ich wochenlang hier schlafen, aber ob ich jetzt im wachen Zustand am Bahnsteig sitze oder schlafe, macht doch keinen Unterschied."

„Wann fährt ihr Zug?"

„Um elf." Ich blickte zu der Uhr. „Also in knapp fünf Stunden."

„Wieso sind Sie dann schon hier?"

„Ich glaube nicht, dass ich darauf antworten muss." Ich verschränkte die Arme. „Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Sir?"

„Nein..." Er warf mir noch einen skeptischen Blick zu, ließ mich dann aber allein.

Gestern Abend hatte ich nicht gewusst, was ich machen sollte. Wohin ich gehen sollte.

Zuhause bleiben kam nicht in Frage, zurück zu den Potters auch nicht. Ich hatte überlegt mir ein Hostelzimmer zu nehmen, mich dann aber doch dagegen entschieden. Ich müsste wohl das Geld, das ich hatte, sparen.

Ich würde nie wieder nachhause gehen. In der magischen Welt war ich jetzt volljährig. Dort würde ich bleiben, bis ich 18 war und dann könnte ich auch legal in der Muggelwelt leben, ohne meine Eltern je wieder sehen zu müssen.

Aber wer wusste schon, was bis dahin geschehen würde. Ich wollte nicht in der magischen Welt leben. Magie war einfach nicht meins, aber meine Motivation in der Muggelwelt zu leben hatte auch einen gewaltigen Dämpfer bekommen.

Nichts war mehr sicher in meinem Leben. Ich müsste von vorne anfangen. Mir genau überlegen, wo ich hinwollte. Was ich machen wollte. Wie mein Leben aussehen sollte.

Seufzend stand ich auf, um mir die Beine zu vertreten. Mein Gepäck hatte ich abgegeben, sodass ich mich freier bewegen konnte.

Während ich so meine Runden am Bahnhof drehte, sah ich wie ein junger Mann, wahrscheinlich ein paar Jahre älter als ich selbst, zu einem Paar mit kleinem Kind lief und sie irgendetwas zu fragen schien. Mein Blick war dabei allerdings auf seine rechte Hand gerichtet. Mit einer eleganten Bewegung fischte er in die offene Handtasche der Frau, die sie auf ihrem Koffer stehen hatte.

Dummer Fehler. Sie hätte besser aufpassen müssen oder zumindest ihre Tasche schließen.

Der Mann steckte den Geldbeutel vorsichtig in seine Jackentasche. „Vielen Dank. Ich wünsche Ihnen eine schöne Reise!"

Kurzerhand änderte ich meine Laufrichtung, sodass ich ihn anrempelte. „Oh Gott, das tut mir so leid!"

„Schon gut." Er musterte mich abfällig. „Nichts passiert."

Grinsend lief ich weiter. Es war durchaus was passiert. Der Geldbeutel in meiner Hand verriet es. Ich klappte ihn auf und stellte fest, dass die Frau erstaunlich viel Bargeld dabei hatte. Weiterer Fehler.

Einen Schein steckte ich mir in die Hosentasche und lief dann auf die kleine Familie zu. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie der Mann nicht weit hinter uns stehen blieb und seine Jacke abklopfte.

„Entschuldigung, Madam.", sagte ich extra laut, damit der Mann es auch hörte. „Ich glaube das gehört ihnen. Das lag da vorne auf dem Boden." Ich zeigte in die Richtung, wo der Mann stand und zwinkerte ihm zu.

Er starrte mich völlig entgeistert an.

Es kostete mich einiges an Willenskraft nicht laut loszulachen. Stattdessen drehte ich mich wieder der Familie zu. „Das Foto auf ihrem Ausweis hat es verraten."

„Meine Güte, Danke!" Die Frau nahm ihren Geldbeutel entgegen. „Was hätte ich nur ohne dich gemacht?"

„Gar kein Problem. Schöne Reise."

„Nein, warte mal!", hielt sie mich auf. „Hier, das ist für dich. Als kleines Dankeschön." Sie hielt mir einen weiteren Geldschein hin.

„Oh, das ist doch wirklich nicht notwendig."

„Doch, doch, Bitte!" Sie griff nach meiner Hand, um mir den Schein zu geben. „Bitte, behalte es."

„Vielen Dank.", antwortete ich mit einem, hoffentlich, schüchternen Lächeln. „Noch einen schönen Tag!"

„Dir auch, Liebes! Wirklich vielen Dank!"

Der Dieb starrte mich noch immer entrüstet an. Ich dagegen grinste zufrieden.

Es gab nichts Besseres als einen Dieb zu bestehlen. 

Bis ich ihm die Wette stahl (Harry Potter - Rumtreiber - Fan Fiction)Where stories live. Discover now