Kapitel 86

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Irgendwie hab ich das mit meinem Job gerade noch so hinbekommen, hab mich da jetzt aber total festgehangen und arbeite gefühlt doppelt so viel wie sonst. Naja, ich nehme mir immer mehr vor und irgendwie schaffe ich das alles auch -mein kaum vorhandener Schlaf kann's bezeugen.
Ich komme also gerade wieder nach Hause, um mich eigentlich direkt wieder hinter meinen Laptop zu klemmen, da entdecke ich vor der Tür schon Wincent. Sofort bildet sich ein Kloß in meinem Hals. Er entdeckt mich auch ziemlich schnell und während ich langsam auf ihn zu gehe -naja es führt ja kein Weg dran vorbei, immerhin steht er vor meiner Tür- mustert er mich mehrfach durch, seinen Blick kann ich nur weniger als gar nicht deuten.
„Hey" meine ich leise, halte seinem Blick aber stand.
„Wie geht's" fragt er schüchtern.
„Lass uns lieber hochgehen" murmle ich, woraufhin Wincent nur stumm nickt und mir folgt.
Wir gehen einfach still schweigend hoch und in meiner Wohnung lege ich erstmal meine Taschen ab.

„Leo, die letzten Wochen, das... das hat mich zerrissen. Ich hatte scheiß Angst, dass dir vielleicht irgendwas passiert ist und oder du kein' Bock mehr auf mich hast. Wenn es nichts mit mir zutun hat, was dann?"
„Mein Vater war ins Krankenhaus, ich musste bei meiner Familie sein, meine Mum kam null drauf klar und irgendwer muss sich ja um meine Brüder kümmern. Das musste ich eben übernehmen und ich hatte für nichts anderes nen Kopf."
„Es ging nichtmal so ne ganz kurze Nachricht, dass du Probleme in der Familie hast und du dich nicht von mir trennen willst. Aber anscheinend ignorierst und blockst mich einfach lieber, so funktioniert eine Beziehung nicht."
„Ich habe dich nicht geblockt, aber ich hatte für kaum was nen Kopf, eigentlich für nichts."
„Du hast in den letzten Wochen also keinen Gedanken an mich verschwendet."
„Doch, habe ich."
„Ja? Und dann kann man nicht einmal zwei Sekunden aufbringen, um mir zu schreiben, dass alles in Ordnung ist?"
„Es war ja nicht alles in Ordnung. Im Gegenteil, ich hab mich fast noch nie so beschissen gefühlt wie in den letzten Wochen."
„Warum entfernst du dich dann von mir? Ich hätte für dich da sein können, ich hätte mir nichts mehr gewünscht, als für dich da zu sein. Aber du vertraust mir anscheinend nicht genug. Du weißt von meinen Depressionen, ich habe mich so beschissen gefühlt wie lange nicht mehr!"
„Ich mich nicht, oder wie? Wincent, ich hätte dich nicht so halb ignorieren sollen. Ich habe mir mehrmals vorgenommen, dir endlich zu schreiben, dir endlich zu antworten, aber immer kam etwas dazwischen."
„Red dich jetzt bitte nicht auch noch irgendwie raus. Ich habe dir gesagt, dass ich dich liebe. Du hast es nicht erwidert, was mich erstmal nichtmal wirklich tangiert hat. Ich war mir sicher, dass du das auch für mich empfindest. Dann das. Einfach Funkstille. So unsicher will ich mich nie wieder fühlen und wer garantiert mir, dass du sowas nicht nochmal abziehst? Wer garantiert mir, dass du nicht weiter mit mir spielst?"
„Mit dir spielen?! Ich glaub, du tickst nicht mehr ganz richtig! Was unterstellst du mir? Ja, ich habe Scheiße gebaut, indem ich dir nicht geantwortet hab, aber ich will dir das gerade erklären, während du mir einfach unterstellst, dass ich mit dir spiele. Wenn du das von mir denkst, kennst du mich echt gar nicht."
„Ich dachte, dass ich dich kenne. Ich hab aber auch geglaubt, dass du mir vertraust und dass du dich, wenn du Probleme hast, an mich wendest, wie man das in einer Beziehung eben macht! Dem ist ja anscheinend auch nicht so."
„Wie oft denn noch? Es tut mir leid! Ich habe Scheiße gebaut, ich hätte dir schreiben sollen, aber jetzt stell du dir mal vor, du bekommst nen Anruf, dass einer der wichtigsten Menschen in deinem Leben einen Herzinfarkt hatte und auf der Intensiv liegt. Da denk du nochmal an irgendetwas anderes! Es geht nicht! Du kannst an nichts anderes denken. Aber bitte, mach mir einfach weiter irgendwelche Vorwürfe!"
„Ich will dir keine Vorwürfe machen, ich will dir nur klar machen, dass du das nicht mit mir machen kannst."
„Ach, keine Vorwürfe also, ja? Wie nennst du es dann? Ich hab so schon ein schlechtes Gewissen deswegen und du streust einfach weiter Salz in die Wunde. Es interessiert dich ja nichtmal, was bei mir los war, warum die letzten Wochen für mich so hart waren, und da wunderst du dich, warum ich dir nicht geantwortet habe?!"

„Wenn ich so ein schlechter Mensch bin, warum bist du überhaupt noch mit mir zusammen? Anscheinend haben wir doch sowieso keine Zukunft."

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