3 | Lügen über Lügen.

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"Hier.", sagte ich, während ich Ardy, der auf meinem Sofa saß, ein Bier in die Hand drückte. "Danke.", meinte er und ich ließ mich leise neben ihn fallen. Ich nahm einen Schluck von meinem eigenen Bier und fuhr mir seufzend durch die Haare. Es war vorbei. Wir waren endlich alleine. Meine Mutter war, nach ewig langen Stunden, endlich, abgedampft. Zum Glück.

Wie's gelaufen ist? Hier mal 'ne kurze Zusammenfassung: Mir wurde nochmal deutlich klargemacht, warum ich meine Mutter hasste. Es war mir unbegreiflich, wie man diese Frau mögen konnte. Sie war so unerträglich, unsympathisch, unfreundlich. So bah. Sie redete Ardy schlecht. Die ganze Zeit. Es gab nichts an ihm, an dem sie nicht etwas auszusetzen hatte. Es war so schrecklich.

Gequält schloss ich die Augen, um nichts mehr sehen zu müssen. Aus irgendeinem Grund dachte ich, dass ich die letzten Stunden so vergessen konnte. Aber natürlich war das nur reines Wunschdenken, mehr nicht.

Plötzlich spürte ich eine Hand an meiner Schulter. "Tessa? Kann ich dich mal was fragen?"- Ardy. Ich machte meine Augen wieder auf und drehte den Kopf zu ihm. "Ja, klar."

Er verzog den Mund. "Deine Mutter ist schrecklich."

Ich nickte. "Das war zwar keine Frage, aber du hast recht."

"Was ist ihr Problem? Ich versuch' das schon die ganze Zeit zu kapieren, aber irgendwie... es macht einfach keinen Sinn." Ich nahm noch einen Schluck von meinem Bier und seufzte. "Naja, weißt du...Sie hat Erwartungen an mich. Ziemlich hohe Erwartungen. Sie will, dass ich irgendwann mal 'ne Ärztin werde. Mein Freund sollte perfekt sein. Er sollte exakt ihren Vorstellungen entsprechen. Am besten auch irgend 'n Arzt, Anwalt oder sowas in der Art sein."

Er nickte leicht. "Und ich passe in diese Vorstellung nicht rein."

Ich lachte leise vor mich hin. "Nicht nur du, Ardy. Ich pass' doch selbst nicht rein. Ich bin keine Ärztin und werde es nie sein." Er sah mich irritiert an, woraufhin ich weiter sprach. "Ich hab' die Uni geschmissen und erzähle ihr nichts davon. Ich mache gerade eine Ausbildung zur Erzieherin. Ich will Kindern was beibringen und sie auf diese scheiß Welt vorbereiten. Das war schon immer das, was ich wollte. Aber meine Mutter will das nicht verstehen."

Ich rieb mir mit der Hand die Stirn. - Ich hatte früher ziemlich oft versucht meiner Mutter zu erklären, dass ich keine Ärztin werden wollte. Sie hatte es nie verstanden. Sie hatte nie verstanden, dass das mein Leben war, nicht ihr's. Deshalb verheimlichte ich ihr so ziemlich alles aus meinem Leben.

"Und warum brauchst du bei der Geschichte einen Freund?"

"Weil meine Mutter vor nichts zurückschreckt. Ich hab' vorher in Berlin, bei ihr, gewohnt und da wollte sie mich mit dem Sohn von einer Freundin verkuppeln. Krank, ich weiß. Jurastudent, perfekt für mich. Zumindest ihrer Meinung nach. Als sie dann sogar noch gemeckert hat, als ich nach Köln gezogen bin, hab' ich ihr erzählt, dass ich schon einen hätte. Dann hat sie irgendwann aufgehört."

Ardy sah mich mit großen Augen an. Anscheinend konnte er mir nicht so recht glauben. Verständlich. "Das- wow. Das ist echt krass.", meinte er. "Hm. Kann man so sagen."

"Und dein Vater? Ist der auch so drauf? Oder warum tut er nichts dagegen?"

Ich schluckte und winkte ab. "Der interessiert sich nicht für mich. Lebt irgendwo in Hamburg. Mit seiner neuen Freundin. Is' genauso schrecklich wie meine Mutter, nur auf 'ne andere Weise." "Oh."

Ich senkte den Blick und führte erneut die Bierflasche zu meinen Lippen. Ardy tat es mir nach. Dann war es eine Weile lang ruhig, wir gingen beide unseren eigenen Gedanken nach. Ich fragte mich was Ardy jetzt wohl über mich dachte. Meine Mutter hatte ganz bestimmt nicht dazu beigetragen, dass ich sympathischer auf ihn wirkte. Eher im Gegenteil.

Bis auf die Uhr im Wohnzimmer, die laut tickte, war es still. Etwas zu still für meinen Geschmack. "Jetzt wo du meine halbe Lebensgeschichte kennst, kann du mir doch auch mal was über dich erzählen.", schlug ich nach einer Weile vor. Er zog überrascht die Augenbrauen zusammen. "Zum Beispiel, warum du mich als deine Freundin brauchst."

Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. "Ich weiß nicht. Der Grund ist ziemlich primitiv."

Ich zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Is' doch egal. Mich interessiert's trotzdem." Er verzog den Mund zu einer Grimasse und räusperte sich leise. "Naja, also...", fing er an. Er fühlte sich unwohl, das merkte ich. "Okay, ich sag's dir. Aber lass dich nicht davon abschrecken." Ich knuffte ihm leicht in die Seite. "Ach komm. Schlimmer als meine Mutter kann's nicht sein.", ermutigte ich ihn.

"Ansichtssache.", meinte er.

Er kratze sich am Hinterkopf und schaute zur Decke. "Meine Freunde meinen jeden Tag, dass ich mir endlich 'ne richtige Freundin suchen sollte." Ich lachte leise. "Warum? Ist doch deine Sache?"

"Also gut, es ist so: ich bin ein ziemliches Arschloch, Tessa. Ich hatte noch nie sowas wie 'ne Beziehung. Nicht mal im entferntesten. Und ja, klar ist das meine Sache. Ich mach' das auch ganz bestimmt nicht für sie, sondern für mich. Du glaubst gar nicht wie anstrengend meine Freunde sind. 24/7 nerven sie mich mit diesem Thema. Und so 'ne Fakebeziehung könnte da helfen."

Ich zog die Augenbrauen hoch. "Ein Arschloch also, hm. Heißt das, du lebst so ein spannendes Aufreißerleben? Alkohol, kiffen, ficken?"

"Naja, so ähnlich." Er sah mich prüfend an.

"Hmm. Okay.", machte ich leise. Ardy kniff die Augen zusammen. "Das war's? Keine Beschwerden? Keine Moralpredigt, dass sowas nicht gut wäre? Einfach nur 'okay'?" Ich zuckte mit den Schultern. "Ich glaub' nicht, dass es etwas ändern würde, wenn ich dir sowas sagen würde."

"Und du spielst trotzdem noch meine Freundin?" Ungläubig sah er mich an.

Ich betrachtete meine Hände. "Ja, das mach' ich.", meinte ich leise. "Immerhin hast du mir auch geholfen, mit meiner Mutter. Davon mal abgesehen würdest du doch ohnehin so weitermachen, auch wenn ich dir nicht helfen würde. Es macht also keinen großen Unterschied."

"Und du findest das okay? Das mit den Frauen?"

Ich lachte leise in mich hinein. "Okay? Nein, das nicht. Aber wie gesagt, ich kann ohnehin nichts daran ändern und solange du nicht mich flachlegen willst, ist es mir eigentlich auch egal."

Er sah erleichtert aus und lächelte mich an. "Whoa. Das ist echt...nett. Danke. He, ich bin wirklich froh, dass ich dich getroffen hab'. Du bist echt schwer in Ordnung. "

Ich knuffte ihn in die Seite. "Ich weiß. Und hey? Wenn man von der Tatsache, dass du ein Arschloch bist, absieht, bist du eigentlich auch ganz cool." Dann lehnten wir uns beide zurück und sagten wieder für eine Weile lang nichts. Ich ließ alles nochmal Revue passieren. Das Gespräch mit Ardy. Er war wirklich cool. Außerdem strahlte er etwas beruhigendes aus.

Wenn man ihn sah, war es durchaus möglich, dass man ihn für ein Arschloch hielt. Aber wenn man ihn ein bisschen besser kennenlernte, merkte man, dass er doch nicht so war. Entweder konnte er sein wahres Gesicht unheimlich gut verstecken oder er war wirklich so, wie er sich mir gab.

Die zweite Möglichkeit war mir deutlich lieber.

"Hey.", meinte er irgendwann und stieß mich an.

Ich drehte meinen Kopf wieder zu ihm und sah ihn fragend an. "Wieso lügst du deine Mutter eigentlich an? Wieso brichst du nicht einfach den Kontakt ab und fertig?" Daran habe ich auch schon gedacht. Und zwar ziemlich oft. Aber so einfach war das leider nicht. "Sie bezahlt die Wohnung hier. Ich bin auf sie angewiesen."

"Also belügst du sie lieber?" Ich glaubte einen leichten Vorwurf in seiner Stimme gehört zu haben und verschränkte die Arme vor der Brust. "Komm, tu nicht so. Als ob du deine Betthäschen nicht belügen würdest, Ardy. So läuft das eben. Manchmal bringt die Wahrheit dich nicht weiter. Diese gesamte Welt ist verlogen und scheiße. - Menschen lügen nun mal. Andauernd."

Daraufhin sagte er nichts mehr. Ich hatte Recht. - Und er wusste das.

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lasst doch einen Kommi oder ein Vote da. :3

ok, ich hab's zwar schon bei meiner anderen ff gesagt, aber hier nochmal: ich VERSUCHE einmal die Woche zu updaten. Mittwoch. sollte da nichts kommen, sollte es irgendwann im Laufe dieser Woche noch kommen und wenn nicht, dann... idk, dann gibt's gute Gründe. :D

fakin' it ❖ taddl, ardy ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt