16 | Vergessen klingt gut.

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➳ Ardy

Der nächste Morgen, also der Morgen, nach dem vermeintlichen Kuss zwischen Tessa und mir war einfach nur verdammt unangenehm. Und peinlich. Und ziemlich seltsam.

Kurz gesagt, es war eine komische Mischung aus den verschiedensten Gefühlen.

Tessa und ich saßen uns seit einer gefühlten Ewigkeit am Küchentisch gegenüber und starrten uns wortlos an. Und, Leute, dieses dumme Starren war wirklich das schrecklichste, was ich seit langer Zeit erlebt hatte. - Ich versuchte zwar mich irgendwie abzulenken und nicht zu ihr zu schauen, aber es klappte nicht so richtig. Es war fast wie ein Zwang. Ich musste sie ansehen, es ging nicht anders. - Es wäre mir deutlich lieber gewesen, wenn sie mich wegen unserem Kuss angeschrien oder zumindest beschuldigt hätte. Damit wäre ich ziemlich sicher besser zurechtgekommen, als mit diesem schweigsamen Starren.

Aber wahrscheinlich hatte ich es einfach nicht anders verdient.

Irgendwie hatte ich ja schon das Gefühl, mich bei ihr entschuldigen zu müssen. Ihr endlich sagen zu müssen, dass es mir leid tat. Aber ich konnte einfach nicht. Zumindest noch nicht. Da war nämlich noch dieser kleine Teil in mir, der hoffte, dass sie sich nicht an unseren Ausrutscher letzten Abend erinnern konnte. Ich meine, so betrunken wie sie gewesen war, war dieser Gedanke gar nicht mal so unrealistisch. Und wenn es so gewesen wäre, wenn sie es vergessen hatte, hätte ich es mit einer zu frühen Entschuldigung bloß wieder vermasselt.

Also wartete ich darauf, dass sie anfing zu reden und machte weiter mit dem Starren.

Nicht meine beste Idee, aber bei weitem auch nicht meine schlechteste.

Ich musste zwar noch einige, endlos scheinende, Minuten in der unangenehmen Stille ausharren, aber dann begann Tessa tatsächlich zu sprechen. "Also... Ardy.", fing sie halblaut an und räusperte sich leise. Ich schaute sie mit großen Augen an und wartete darauf, dass sie endlich fortfuhr. "Ich finde, dass wir mal über gestern Abend reden sollten."

Okay, fuck. Sie hatte es also nicht vergessen. Sie wusste noch was passiert war.

Das hätte mir eigentlich schon nach der Stille und dem Starren klar sein müssen. Aber ich wollte eben sichergehen und noch warten, bevor ich etwas tat. Und mal ehrlich, für diese Dinge hätte es bestimmt auch eine andere sinnvolle Erklärung geben können...

Jetzt, wo ich aber mit Sicherheit wusste, dass sie es wusste, hatte ich nichts mehr zu verlieren, also entschloss ich mich, mit meiner Entschuldigung anzufangen, bevor ich komplett verschissen hatte. Ich kratzte mich am Hinterkopf und versuchte mir möglichst schnell, möglichst gute Worte zurechtzulegen. "Ja, wegen gestern Abend.", begann ich. "Also, was das angeht... ich sollte mich wahrscheinlich endlich mal entschuldigen. Es tut mir echt leid. Ich hätte dich nicht küssen dürfen. Und ich hätte nicht- du weißt schon. Ich kann auch total gut verstehen, dass du jetzt sauer auf mich bist. Wie gesagt, sorry... ich bin-"

"Ardy, nein. Bitte nicht. Bitte hör auf.", unterbrach sie mich plötzlich in meinem Redeschwall. "Es is' alles gut, wirklich, du musst dich nicht bei mir entschuldigen."

Ich runzelte verwirrt die Stirn. "Hä, was? Ich- muss ich nicht?"

"Nein... nein, musst du nicht.", antwortete sie voller Ernst und rieb sich mit der Hand die Stirn. "Ich würde sogar eher sagen, dass... ich mich bei dir entschuldigen müsste."

Fassungslos starrte ich sie an, während ich über ihre Worte nachdachte.

Was lief denn jetzt falsch? Sie wollte sich bei mir entschuldigen? Das konnte doch nicht ihr Ernst sein. Ich meine, ich war doch derjenige von uns beiden, der nüchtern gewesen war. Ich war derjenige gewesen, der klar denken konnte. Ich... ich verstand die Welt nicht mehr.

fakin' it ❖ taddl, ardy ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt