61 | Kein Liebesbrief.

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"Leg die Chipstüte beiseite, Tessa. Wir müssen reden."

Ich zog eine Braue hoch und schaute argwöhnisch zu meiner Mutter, die gerade durch die Türschwelle der Küche trat und mit schnellen Schritten auf den Tisch -und somit auch auf mich- zukam. Ich hockte nun bereits seit mehreren Minuten dort, stopfte mir Chips in den Mund und starrte gedankenverloren in die Leere. Wie man sieht, hatte mein Zustand sich also rasant gebessert. Vorher, als Liz noch bei mir gewesen war, hatte ich mich geweigert mein Bett zu verlassen und nun saß ich plötzlich in der Küche. Bevor sie gegangen war, hatte meine beste Freundin es nämlich irgendwie geschafft, mich soweit zu motivieren, dass ich sowohl mein Bett, als auch meine Eiscreme und Liebesfilme verlassen hatte. 

In den letzten Stunden hatten sich echt ziemlich viele Dinge geändert. 

Chips waren an die Stelle meiner Eiscreme gerückt. 

Der Küchenstuhl an die Stelle meines Bettes. 

Und meine Mutter an die Stelle meiner Freundin. 

Jene war mittlerweile übrigens am Küchentisch angekommen und nahm auf dem Stuhl gegenüber von mir Platz. Sie legte ihre Arme verschränkt auf die Tischplatte, warf mir dabei eindringliche Blicke zu, die ich jedoch nicht so wirklich deuten konnte und sagte dabei kein Wort. Wahrscheinlich wartete sie darauf, dass ich ihrer Anordnung von vorhin nachkam und die Chipstüte, die ich in meinen Händen hielt, weglegte. Oder darauf, dass ich etwas sagte. Was eigentlich überhaupt keinen Sinn machte, weil sie doch offensichtlich diejenige war, die mit mir sprechen wollte. Trotzdem entschied ich mich dazu, ein Stück auf sie zuzugehen. "Was ist los? Worüber willst du reden?", fragte ich mit gerunzelter Stirn. 

"Über dich.", antwortete sie, als ob es nichts selbstverständlicheres gegeben hätte. 

Oh Gott. - Oh Gott, nein. Bitte nicht. 

"Über mich?", hakte ich gespielt unwissend nach, da ich mir ziemlich war, dass ich schon wusste, in welche Richtung das alles führen würde. "Willst du nicht lieber über was interessanteres reden?"

Sie schüttelte den Kopf, ging überhaupt nicht weiter auf meinen Versuch, unser Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken, ein. Daraufhin stieß ich ein leises Seufzen aus und fragte mich, womit ich das alles bloß verdient hatte. Womit zum Teufel hatte ich es verdient, mich vor Liz und nun auch noch vor meiner Mutter für meine schlechte Laune rechtfertigen zu müssen? Sie hatte mir zwar noch nicht direkt gesagt, worüber genau sie reden wollte, aber es war ziemlich klar, dass es darum ging. - Als sie vorhin überraschend zu Besuch gekommen war, hatte ich nicht erwartet, noch ein weiteres Mal über diese ganze Scheiße diskutieren zu müssen. Einfach, weil sie meine Mutter war. Sie hatte mich zwar gefragt, ob etwas passiert war und wie es mir ging, dann aber nicht mehr weiter nachgehakt, als ich behauptet hatte, dass ich mich nicht besonders gut fühlte und die Vermutung hatte, krank zu werden.

Damit hatte ich gehofft, sie loswerden zu können.
Aber leider hatte ich mich getäuscht. Sie wollte nicht gehen. 

Als ich ihr dann noch ein paar Mal verdeutlicht hatte, dass ich lieber meine Ruhe hätte, weigerte sie sich jedoch trotzdem immer noch abzuhauen. Ich hatte nicht die geringste Ahnung wieso, aber sie wollte wohl unbedingt in meiner Wohnung bleiben. Ich versuchte zwar ihr unterschwellige Hinweise zu geben, die ihr klar machten, dass ich einfach alleine sein wollte, aber als sie mir dann irgendwann anbot, sich nützlich zu machen und etwas aufzuräumen, gab ich nach. - Meine Wohnung glich zu dem Zeitpunkt nämlich milde gesagt einer Müllhalde, was meine Mutter wohl auch bemerkt haben musste. Außerdem, davon mal abgesehen, gratis Aufräumservice? Wie hätte ich da bitte nein sagen können? 

Während sie aufräumte, mussten wir uns ja nicht zwingend im selben Raum befinden. 

Aber jetzt war sie leider wieder bei mir. Jetzt waren wir wieder im selben Raum. 

fakin' it ❖ taddl, ardy ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt