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Er war der letzte. 

Wäre er, der Silberne, nicht der Erstgeborene unter den Drachen gewesen, hätte er sich eine solche Frechheit niemals erlauben können. Seine Geschwister waren nicht gerade für ihre Geduld bekannt, vielmehr für die Eile, die sie an den Tag legten. 

Die Drachen wurden gefürchtet für ihren rasenden Zorn, ihr tödliches Feuer und die weitreichenden, gefährlichen Kontakte. Wer sich gegen eine Himmelsschlange stellte, war sich seines Todes sicher.

„Hast du eine Erklärung für deine Verspätung?", fragte die Rote, die älteste Schwester des Silbernen. Würde er das Amt des Drachenkaisers, den Titel des mächtigsten Lebewesens von Nyrathur, verlieren, wäre sie diejenige, die dann an seiner statt herrschte.

Bei dieser Vorstellung graute es ihm.

„Du solltest dir bewusst sein, dass selbst du dir nicht alles erlauben kannst, Bruder", fügte der Goldene hinzu und so viel Verachtung schwang bei diesen Worten mit, dass der Älteste ein Knurren unterdrückte.

Abfällig betrachtete die Himmelsschlange seinen goldgeschuppten Bruder, besser bekannt als ‚der Jüngling'. Sein Name machte seiner Persönlichkeit alle Ehre.

„Ich freue mich auch, euch alle hier versammelt zu sehen", grollte der Silberne und ließ seinen Blick durch die Runde schweifen. Sein Drachenkörper vibrierte bei dem Klang seiner eigenen Stimme.

Das Treffen der fünf Himmelsschlangen fand tief im Hjel statt, einem Wald aus knorrigen, alten Eichen. Inmitten des im unbesiedelten Osten liegenden Hains hatte sich eine Lichtung aufgetan, groß genug für die fünf Drachen. Problemlos konnten sie hier landen und sich frei bewegen.

Niemand schenkte dem Ältesten eine Antwort. 

Stattdessen fragte die Blaue, ihren forschend stählernen Blick dabei fest auf die Flammende gerichtet: „Darf ich fragen, was der Grund für dieses Treffen ist?"

Nüchtern kam sie direkt auf den Punkt, handelte so wie der Silberne es von ihr kannte.

Sie erhielt lediglich ein Grunzen als Reaktion.

„Verschiebe deine unsinnigen Spielchen auf später, Rote, wir alle haben Besseres zu tun als auf deine fragwürdigen Antworten zu warten", brummte der Silberne gereizt. Er war dieses Ausnutzen von Macht so unfassbar leid.

Die Flammende ließ sich Zeit, wartete, bis das laute Rascheln der Blätter im Wind verklungen war. Die Stille, die dann folgte, war unheimlich laut.

Die rotgeschuppte Himmelsschlange räusperte sich, dann fing sie an zu sprechen.

„Ihr alle wisst, wie viele der niederen Drachen in den letzten Wochen den Tod gefunden haben", begann sie und machte ein paar Schritte.

Sie alle lauschten ihren Worten, sogar der sonst immer so unbeteiligte Purpurne.

„Die Widerständler töten sie nicht, weil sie sich schlicht und einfach bedroht fühlen. Nein, habt ihr jemals die Leiche irgendeines Erdkriechers gesehen?"

Schweigen. Weitere ihrer leisen Schritte. Dann fuhr sie fort.

„Ich nicht. Warum sollten sie ihre Feinde mit sich nehmen? Diese Frage hat mich lange Zeit beschäftigt und so schickte ich einige meiner Assassinen aus."

Wieder eine künstliche Pause, in der auch der Wind schwieg.

„Die Widerständler untersuchen die Erdkriecher. Nach dem Tod durch Gift testen sie, wie sie die Panzer unserer schwachen Ahnen durchbrechen können. Bisher haben sie noch keine Waffe gefunden, aber wie lange wird dies noch so bleiben?"

Breath Of Death - Silbernes LodernWhere stories live. Discover now