LIII

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Srùna spürte Panik. Panik bei dem Gedanken daran, dass Neehri genauso enden würde wie Yascaena. Und dass sie und ihre besten Soldaten schuld daran sein würden.

In ihren Träumen verfolgten sie noch immer die Schreie der Sterbenden. Das knisternde Feuer und der stinkende Qualm. Es hatte nichts Beruhigendes, das nie sterbende Feuer dann in ihr zu spüren. Eher im Gegenteil. Es schüchterte die Sonnendrachin ein, ein solch tödliches Element in sich zu tragen.

Beim Feuer konnte man nie wissen, wann die spielerisch tanzenden Flammen zu einer tödlichen Flammenwand wurden. War diese einmal da, konnte man sie auch nicht länger zügeln oder kontrollieren. In diesem Augenblick würde sich das Feuer überall verbreiten und nichts unbeschadet zurücklassen.

Bei Neehri brachte es nichts, auf Anbruch der Dunkelheit zu warten. Die Kentauren waren bereits durch Yascaena vorgewarnt und somit auch gewappnet. Die, die die Kunde noch früh genug erhalten hatten, waren geflohen.

Doch die meisten Pferdemänner hatten Neehri nicht verlassen. Im Gegenteil: sie hatten ihre Freunde und Verwandten aus den umliegenden Dörfern und Städten herbeigerufen, auf dass sie sich den Drachen entgegenstellen würden.

Srùnas Atmung beschleunigte sich, als sie die Flammende kommen sah.

„Sie wollen sich nicht unterwerfen", schnurrte sie und ihre leuchtenden Augen glänzten vor unstillbarer Gier. Die Himmelsschlange hatte sich irgendwie verändert. Sie war seit dem Angriff auf Yascaena noch mächtiger, noch bezwingender geworden.

Srùnas Feuer schoss in ihren Rachen, leckte fröhlich und voller Vorfreude an ihrem Schlund. Voller Angst unterdrückte die Sonnendrachin ihren animalischen Trieb.

Wie gerne sie doch umgekehrt wäre.

Aber sie durfte nicht vergessen, warum sie hier war. Was es brachte, dieses gottlose Massaker zu vollführen und der Flammenden zu helfen. Sie war Srùna, Anführerin der Sonnendrachen. Und somit hatte sie das zu tun, was für ihr Volk am besten war.

Egal, ob sie sich dafür selbst aufgeben, töten oder ein anderes Volk dem Untergang weihen musste.

Und doch fühlte es sich falsch an.

„Ich erwarte von euch keine Gnade", fuhr die Rote unbeirrt fort und heftete ihren Blick auf Yuivi, Ethnos und Srùna. Die Drachenkaiserin erhob sich in die Luft und gab den Weg hin zu Neehri frei. Als Srùna ihre Schwingen ausbreitete, sich auf das anstehende Töten vorbereitete, knurrte die Flammende so laut, dass jeder es hören konnte: „Tötet sie alle."

-

Als der Silberne die Stimme seiner jüngeren Schwester hörte, zuckte er unwillkürlich zusammen. Es schien so verdammt lange her zu sein, als er sie zum letzten Mal gehört hatte, und seitdem hatte sie sich sehr verändert.

Die Stimme der Roten war um ein Vielfaches kräftiger und befehlerischer zu sein, als er sie in Erinnerung hatte. Und sie war laut, so verdammt laut, dass er wusste, dass seine Information nicht falsch war.

Vor einem Tag hatte er die Kunde erhalten, dass sich die Flammende nach ihrem Massaker in Yascaena auf Neehri stürzen wolle. Der Silberne hatte keine Zeit verschwendet und war mit der Grünen und den Eisdrachen augenblicklich aufgebrochen.

„Tötet sie alle."

Alle würden getötet werden. Alle Kentauren, die in Neehri sässig waren. Alle Elfen und Pferdemänner, die gekommen waren, um ihnen Beistand zu leisten. Alle, die lieber sterben würden, als in einer Welt zu leben, die von der Flammenden regiert wurde.

Genau wie er und die Grüne. Und die Eisdrachen, deren weiß-blaue Schuppen im Sonnenlicht funkelten. Ein letzter Hoffnungsschimmer, bevor der Rauch der Roten die Sonne auf immer trübte.

Der Silberne hatte sich mit den Eisdrachen süd-westlich von Neehri versammelt. Jetzt, wo die Kunde des Angriffs auf Yascaena in ganz Nyrathur verbreitet war, würde sich die Flammende nicht mit Verstecken und Überraschungen abgeben.

Aber die Drachenkaiserin war für den Silbernen eine undurchschaubare Figur. Erst jetzt, wo er seine Macht als mächtigstes aller Geschöpfe verloren hatte, fiel ihm auf, was für ein starker Gegner seine jüngere Schwester eigentlich war.

Und ausgerechnet sie war es nun, gegen die er in den Krieg zog.

Warum hatte die Rote ein paar Tage gewartet, nachdem sie Yascaena zerstört hatte?

Um nichts in dieser Welt konnten ihre Truppen bei solch einem Überraschungsangriff verwundet sein. Warum also die sechs Tage Pause?

Wie auch immer die Antwort lauten mochte: als der Silberne die geflügelten Gestalten im Osten erkannte, war ihm diese nicht mehr von Belang.

Sofort beruhigte sich seine Atmung und er maß die Entfernung der Drachen ab. Als sie sich dem Rande der Stadt immer weiter näherten, stieß er sich mit einem Brüllen vom Boden ab und spürte, wie die Grüne und die Eisdrachen es ihm gleichtaten.

Sein Plan war so gut wie aussichtslos, aber er hatte Frieden geschlossen und war bereit, für Nyrathur sein Leben zu geben.


Breath Of Death - Silbernes LodernWhere stories live. Discover now