XLIV

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Er war lange gewandert, so lange, dass er den Gestank kaum noch wahrnahm. Das Moor erschwerte das Laufen, immer wieder blieb Draecon mit einem Bein in dem zähflüssigen Matsch stecken.

Allerdings ragte an einigen Stellen etwas Land gleich einer Insel aus dem zähflüssigen Schlamm. Diese kleinen Stücke fester Boden erleichterten dem Assassinen nicht nur das Gehen. Die kleinen, rundlichen Abdrücke, die sich mit der Zeit in der Erde gebildet hatten, versicherten dem Elfen, dass die Hexen Xoforis nicht nur ein Mythos waren.

Er wusste nicht, ob er das beruhigend oder furchteinflößend finden sollte.

Der Assassine wusste nicht, was es war, aber irgendetwas versuchte zu ihm durchzudringen. Auf diesem Kontinent war Magie gegenwärtiger als überall auf Nyrathur und Draecon spürte die schleichenden Zauber, die an seinem Verstand zupften. Wie Finger griffen sie sanft nach seinen Gedanken und es kostete dem Elfen viel Anstrengung, seinen Geist vor Xofori verschlossen zu halten.

Man hatte ihm einiges in Dingen Magie gelernt wie eben auch das Abwehren von Zaubern.

Es schien Draecon, als würde er wispernde Stimmen hören. Sie schwangen in der Brise mit, flüsterten ihm heiser ins Ohr in einer so fremden Sprache, dass er sie nicht verstand.

Immer wieder sah er sich unauffällig um, suchte nach Bewegungen, nach Kobolden oder anderem Untier aber immer wieder schien Xofori seine Verfolger zu schützen. Auf ein Knacksen im Busch schoben sich mehrere Zweige vor den Ursprung des Geräusches. Bei einem Platschen im Sumpf hob sich das Moor an.

Wieder kam eine leichte Bö auf und Draecon konzentrierte sich, das heisere Krächzen der Stimmen auszublenden.

Sein Körper bebte vor Anspannung, der Assassine hatte alle Muskeln angespannt und drehte sich mehrmals im Kreis. Die verräterischen Geräusche näherten sich, kreisten ihn ein, bis der Elf keinen Schritt weiterging.

Sein Herz klopfte heftig in seiner Brust und Draecons Konzentration galt seinem Atem, den er verzweifelt zu beruhigen versuchte.

Erneut drangen Stimmen zu ihm, die Art wie sie in Erscheinung traten, erinnerte ihn an einen Schwarm Vögel. Stets waren es gleich mehrere, die zu ihm sprachen. Sie kamen auf ihn zu, wurden lauter und schwollen dann wieder ab.

„Zeigt euch!", befahl Draecon, wobei er seine Stimme gut unter Kontrolle hatte. Er fühlte sich noch nicht einmal halb so selbstbewusst wie er geklungen hatte.

Er erntete nur Rascheln.

„Ich bin einer von euch", fuhr der Assassine verzweifelt fort und drehte sich weiter langsam um sich selbst. Er vermied ruckartige Bewegungen und konzentrierte sich weiterhin auf die Umgebung.

Es vergingen Herzschläge, bis sich endlich eine Gestalt löste. Ein Kobold kam auf ihn zu. Seine Haut war faltig und schwarz wie Kohle. Mit blauer Farbe hatte er dunkle Ringe auf seinen nackten Oberkörper gemalt und gelbe Striche verzierten sein Gesicht. Er trug einen Lendenschurz und einen Stab, der Draecon entfernt an einen Wanderstock erinnerte. Allerdings unterschied ihn etwas Grundlegendes von einem solchen Stab, etwas, das der Assassine nicht erfassen konnte.

Der Kobold hatte sich einen gelblichen Knochen durch die Nase gestochen und mit weißer Farbe die Haut um seine Augen angemalt, wodurch sein Blick noch furchteinflößender erschien.

Langsam kam er auf Draecon zu. Seine Schritte waren schleppend, Ketten mit Knochenanhängern und Federn hingen ihm am Hals, den Armen und an den Fußknöcheln.

Bei jeder Bewegung klirrten sie aneinander, gaben hölzerne Töne von sich und bescherten selbst Draecon beinahe eine Gänsehaut.

Als der Kobold vor ihm zum Stehen kam, musterte er den Elfen eingehend. Seine schwazen Augen schienen mehr in Draecon zu erkennen als nur das Offensichtliche und das machte dem Assassinen Angst. Fauliger Atem schlug ihm entgegen und in dem leicht geöffneten Mund seines Gegenübers erkannte er spitze, faulige Zähne.

Der Kobold atmete laut, das Geräusch, das dabei erklang, war heiser und rau.

„Du bist keiner von uns", stellte er fest und seine Stimme war so krächzend, dass es Draecon in den Ohren nachhallte. Er schluckte schwer, bohrte seine Finger in den Griff seiner Messer und bebte vor Anstrengung, seine Hand nicht zustechen zu lassen.

Ruhig, aber auch argwöhnisch, umrundete der Hexenmann Draecon und tippte ihm mit dem Stock auf den Rücken. Eiskalter Schweiß sammelte sich auf Draecons Haut und er verfluchte sich selbst dafür, so zu reagieren. Aber das hier war gefährlicher, unheimlicher als alles, was er bereits durchlebt hatte.

Immer mehr Kobolde lösten sich aus den Büschen, ihr Auftreten glich dem ihres Anführers, wenn auch mit weniger Schmuck und keinem Stab.

Ihre Stimmen wurden lauter, sie flüsterten und ihr kehliges Zischen schien Draecons Geist nun doch zu durchdringen. Ihm wurde klar, dass sie es gewesen sein mussten, die ihn im Wind verfolgt hatten.

Draecon spürte, wie die Muskeln in seinen Händen ihm nicht weiter gehorchten. Spürte, wie die wertvollen Messer zu Boden fielen und laut auf die Erde aufschlugen. Seine Sinne wurden langsam von den Kobolden eingenommen und er vergaß den Zweck, warum er hier war. Er vergaß alles.

Er driftete immer weiter ab, als plötzlich ein Brüllen das Flüstern der Kobolde durchbrach. Sie verstummten und augenblicklich war Draecon wieder er selbst.

Lasst eure Spielchen an meinem Assassinen sein!", knurrte eine Stimme, die Draecon nur allzu bekannt vorkam. Es schien ihm, als würde im Nebel die Gestalt seines Gebieters stehen. Als würde er von dort auf sie herabblicken und seine schimmerne Silhouette jeglichen Zauber vertreiben. Es war nicht nur Draecon, der den Silbernen sah. Es waren auch die Kobolde. Ihr erschrockenes Schweigen versicherte ihm das.

Ein letztes Mal flackerten die Augen der Himmelsschlange wütend auf, dann verblasste sie und ließ nichts zurück außer Nebel. Und eine Horde von Kobolden, die nun Draecon verängstigt anstarrten.

Breath Of Death - Silbernes LodernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt