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Der Angriff auf die Elfen wird wie geplant ablaufen müssen. Die Flammende soll Vertrauen zu mir und zu Euch aufbauen, sie soll sich ihrer Sache sicher sein", begann die goldgeschuppte Himmelsschlange. Die Worte flossen ihr geschmeidig über die Lippen, wickelten Srúna ein, sodass ihr dümmlicher Verstand nur auf den Altdrachen ausgerichtet war.

Die Sonnendrachin nickte, ihre Augenlider flatterten. Ihre Pupillen hatten sich auf Nadelkopfgröße zusammengezogen und der Anblick der kleinen schwarzen Punkte in ihren Augen ließ den Goldenen ein Schütteln unterdrücken.

„Die Rote darf nichts merken, kein Wort darf Euch deshalb über die Lippen kommen - auch nicht zu Euren Vertrauten", fuhr die Himmelsschlange fort. Wieder nickte die Sonnendrachin träge.

Als sie nichts erwiderte, redete der Goldene weiter: „Die Elfenstädte werden brennen. Bei ihrem Anblick wird Euch bewusst wie Nyrathur aussehen wird, wenn die Flammende ihren Plan durchsetzen kann. Die ganze Welt, so wie wir sie kennen, wird lichterloh Funken sprühen, die Flammen werden sich auch in das härteste Gestein fressen und unser Planet wird nur noch ein lohender Ball im Weltall sein, gefährlicher noch als die Sonne.

Darum müssen wir handeln. Ich habe meine Assassinen vorbereitet, sie alle sind im Bilde. Nach den Elfen wird sich die Rote auf die Kentauren stürzen. Wenn sie merkt, dass ihr Angriff auf die Elfen geglückt ist, wird sie leichtsinniger. Ich, als ihr engster Berater, kann zu ihrer Unachtsamkeit gut beitragen, indem ich ihr offenbare, dass sie alles schaffen kann", mit Absicht nannte er die Rote nur bei ihren Namen und nicht bei dem Wort ‚Schwester'. Sie war keine Verwandte, nur eine temperamtenvolle, zu mächtige Drachenschlange.

Srúnas Augen waren weiterhin auf ihn gerichtet, ihr Blick war aber in die Leere gerichtet. Der Goldene musste sich ein selbstgefälliges Grinsen verbieten. Seine Macht, seine Worte, wickelten die Sonnendrachin zu gut ein.

„Warum greifen wir Eure Schwester nicht gleich bei diesem Angriff an?", fragte sie. Die Himmelsschlange verbarg sein Knurren hinter einem einhüllenden Lächeln. „Der erste Angriff soll gelingen. Die Flammende soll sich sicher sein, dass alles nach Plan läuft, dass sie uns vertrauen kann. Nur so können wir sie stürzen", antwortete er scheinbar freundlich. Nach und nach würde er die Erdkriecher in sein Machtspiel einflechten, geschickt würde er ihre Lebenfäden mit dem seinen verbinden - oder anders gesagt: er würde ihre kürzen, um den seinen zu verlängern. Um ihn endlos zu spinnen.

„Ich verstehe", gab Srúna von sich. Der Goldene verkniff sich ein Seufzen. Natürlich verstand sie. Seinen Plan hatte er ja schließlich auch extra für sie entworfen. Erdkriecher konnte man mit niederen Dingen wie einer Heimat oder mehr Nahrung oder Reichtum immer locken. Dabei war es die Macht, die eigentlich zählte.

Der goldgeschuppte Drache setzte sein strahlendstes Lächeln auf. „Das ist gut. Wenn der Angriff auf die Kentauren erfolgt, werdet Ihr Eure Drachen zurückrufen. Sie sollen unbemerkt von dem Spielplan verschwinden, damit die Kentauren zurückschlagen können. Eure versteckten Truppen entschuldigt Ihr mit ihrem angeblichen Tod, sobald die Flammende ihre Ruhe verliert, kümmern sich meine Assassinen um den Rest", verriet die Himmelsschlange. 

Nein, nicht seine Assassinen würden den Rest erledigen. Er würde es eigens vollbringen, würde seine schimmernden Krallen in das rote Schuppenkleid seiner Schwester bohren, würde mit seinen Zähnen ihren Hals zerquetschen. Nur, wenn er sie selbst umbrachte, würde er die Macht des Drachenkaisers erhalten. Aber von diesem Plan musste Srúna ja nichts wissen.

Sie nickte verstehend. Der Goldene entfaltete die Flügel. „Ich danke Euch für Eure Zeit und Zustimmung. Ich versichere Euch ein großes Gebiet, in dem Beutetiere und Gebirge sehr zahlreich sind. Eure neue Heimat wird die aus den alten Sagen um ein Vielfaches überragen", schloss der Drache.

Auf Srúnas knappen Dank entfalteten sie beide ihre Schwingen und kehrten zu dem Lager zurück. Das, was die Sonnendrachin eben hatte durchmachen müssen, würden auch die Anführer der Horndrachen und der Wasserdrachen über sich ergehen lassen müssen. Der Goldene tat sich schon jetzt selber leid, als er nur daran dachte, noch mehr Stunden mit den Erdkriechern zu verbringen. Geiwss blieb er eine Himmelsschlange, aber er konnte nicht beweisen, dass die Dummheit der niederen Drachen auf einen abfärbte. Dem Purpurnen war es sicherlich so ergangen.

———

Draecon rammte das Messer in seiner linken Hand fest in den Stein. Zu fest, dachte er noch. Er war schließlich nicht länger ein Elf, sondern ein Kobold, dessen Gewicht weniger als ein Drittel seines eigentlichen besaß.

Eine kleine Handvoll Geröll brach bei dem Einhaken des Messers vom Gestein ab und rieselte gen Boden. Der Assassine suchte mit seinen Füßen Halt an einer kleinen Ausbuchtung, streckte seinen Körper durch und trieb das andere Messer in die Steinwand.

Zügig arbeitete sich Draecon vor, prüfte jeden Halt einmal, bevor er auch wirklich sein Gewicht verlagerte. Problemlos schaffte der Elf es hinauf und sah nach unten.

Viele Meter unter ihm lag nun die Küste, die Mannschaft von Dreniul war kaum mehr als ein fingergroßer Farbfleck inmitten von Grau.

Der Aufstieg war einfach gewesen, zu einfach, mochte Draecon beinahe sagen. Aber er war nicht abergläubisch. Gewiss war es ihm nur so leicht gefallen, weil er ein so geringes Gewicht hatte und die Steinwand nun wirklich auch nicht schwierig zu besteigen gewesen war.

Allerdings hatte er als Assassine darauf Acht zu geben, dass alles seinen geplanten Lauf nahm. Er musste überall mit Fallen rechnen, musste sie wittern, bevor er blindlings in sie tappte.

Was wusste er schon über Xofori? Vielleicht hatten die Hexen sich ja auf ihn vorbereitet, hatten seine Züge vorausahnen können und das alles hier war nur ein kleiner Teil eines ausgeklügelten Plans?

Draecon schalte sich stumm. Es gab keine derartigen Zufälle.

Seufzend drehte er sich um und band das Ende des Seils mehrfach um den Zweig eines Baumes. Die alte Eiche schien ihm vertraut, ungefährlich. Zwar war er hier in Xofori, aber die Blätter waren ihm bekannt. Keine Stacheln saßen auf der Rinde und es trieb auch kein unbekannter Geruch in der Luft. Warum sollte es nicht auch gewöhnliche Bäume auf Xofori geben?

Der Elf richtete seinen Blick auf das unerkundete Land, das sich vor ihm auftat.

Vereinzelt hatten Bäume ihre Wurzeln in die Erde gegraben, ihre geisterhaften Baumkronen ragten in den wolkenverhangenen Himmel und ihre Äste wiegten sich in einer kaum spürbaren Brise.

Ein Schauer lief Draecon über den Rücken; nicht der eisigen Temperaturen wegen, sondern weil das Land spürbar vergiftet war.

Modriger Geruch stieg dem Assassinen in die Nase, als eine leichte Bö den Gestank des Moores zu ihm trieb.

Draecon hob die Karte hoch und verglichen sie mit der Umgebung. Mit jedem Schritt kam er Elyssus näher.

Breath Of Death - Silbernes LodernWhere stories live. Discover now