XXVII

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Lazareth wiegte noch immer nachdenklich sein Haupt und der Silberne zwang sich zur Ruhe. Er wollte brüllen, schreien, Feuer speien, aber er stand nur da, leicht zitternd wegen der Anspannung.

„Gebt mir bitte Zeit. Ich werde zu einer Entscheidung kommen, das garantiere ich Euch, aber eine solche gebraucht ihre Zeit. Solange ich aber überlege und mich mit meinen Vertrauten berate, werdet Ihr als meine Göste willkommen sein", sagte der Eisdrache. Der Silberne ließ den Kopf hängen und wandte sich mit der Grünen ab. Sie tauschten einen kurzen Blick, ehe sie in eine Halle gebracht wurden, wo sie schließlich alleine waren.

„Wir werden zu spät sein", raunte seine ältere Schwester betrübt und der Silberne konnte ihr nur niedergeschlagen zustimmen.

———

Es würde nicht mehr lange dauern, bis der Angriff auf Nyrathur, auf eine ganze Welt, beginnen würde. Der Goldene rollte sich ein und blickte der untergehenden Sonne zu. Von seiner Höhle weit oben in den Gipfeln eines Berges mit grasbewachsenen Hängen hatte er dies schon oft getan doch der Zauber ging nie verloren. Wenn die Wolken sich rot färbten und die Sonne den Horizont küsste, dann leuchtete sie wie sein Schuppenkleid. Er war der Goldene, das Kind der Sonne, das Hoffnung brachte.

Allerdings konnte er dieses Mal nicht allzu lange bleiben. Soeben hatte er erfahren, dass sein Spitzel Neuigkeiten für ihn bereithielt. Hierher war er nur für die wenigen Sekunden gekommen, in denen er der Sonne beim Untergehen zusah. Untergehen, das würden auch Nyrathur und all seine Geschwister. Untergehen würden die Erdkriecher, die Himmelsschlangen und nur er würde bestehen bleiben und am nächsten Tag wieder aufgehen. Aufgehen auf einer Welt, in der alles vernichtet war.

Als der Goldene seine weiten Schwingen öffnete, spürte er die leichte Brise, die ihm das Gefühl von Leben gab. Mit einem kräftigen Stoß hob er vom Boden ab und schlug mit seinen Flügeln. Nyrathur lag ihm zu Füßen und er war der Gott.

Es dauerte nicht lange, ehe er an einem seiner Lager für seine Assassinen und Vertraute angekommen war. Als er unter seinen Pranken wieder Boden zu spüren bekam, verwandelte er sich in einen Elf. Eine solche Gestalt war hier, wo alles doch so viel kleiner und zerbrechlicher war, einfach praktischer. Seine eflische Gestalt war die eines hübschen Mannes mit goldenem, seidigem Haar. Bernsteinfarben funkelten seine Augen und er hatte den Körperbau eines ausgebildeten Assassinen.

Mit langen Schritten ging er auf das große, goldene Haus zu. Von der Eingangshalle führten verschiedenste Wege ab, alle zu Schlafklammern. Übungsplätze waren alle draußen errichtet, stattdessen waren in einigen leerstehenden Räumen die Wände bemalt und Statuen von ihm aufgestellt. Man erblickte ihn als Kämpfer in einem goldenen Feuer, man sah ihn als Licht, man sah ihn als Anführer.

Wände über Wände wurde seine ewig lange Geschichte erzählt und Wände über Wände würde sie weitergehen, wenn er endlich Drachenkaiser geworden war.

Er stieß die Tür zu einem Zimmer auf und verschloss sie ordentlich. Als das getan war, drehte er sich um.

Auf dem Bett saß die Elfe, mit der er sich treffen wollte. Die Elfe selbst war unwichtig, höchstens war ihr Aussehen interessant, aber das, weshalb er hier war, befand sich in ihr. Sie trug jene Informationen mit sich, die er wissen musste.

„Ich grüße dich", sagte er und setzte ein strahlendes Lächeln auf. Die Elfe beugte ihr Haupt und grinste zurück. Er erinnerte sich daran, sie tätowiert zu haben. Ihr hatte er einen Drachen gestochen, dessen Klauen eine Rose hielten. An den Namen der Elfe konnte er sich allerdings nicht mehr erinnern.

„Mein Gebieter", hauchte sie und der Goldene wurde ungeduldig. Dennoch lächelte er sie warm an und fragte: „Was hast du herausgefunden?"

„Über einige Umwege erhielt ich die Information, dass Draecon sich bei den Kentauren, nahe Cadania aufhält. Vielleicht sagt Euch der Name Rafna etwas, er ist ein Wirt in einem Dorf am Meer. Er überbrachte mir die Information, dass der Assassine Draecon, oder auch 'stiller Tod'", diese Worte spuckte sie beinahe aus, „sich bei ihm aufhält."

Der Goldene zog sein Lächeln etwas in die Breite. „Rafna, natürlich! Er ist ein guter Bursche", sagte er. Er hatte noch nie diesen Namen auch nur annähernd gehört. Die Elfe schenkte ihm ein weiteres Grinsen.

„Wie alt ist diese Information?", fragte er und sie erhob sich. „Etwa einen Tag. Er sollte also in der Nähe sein", antwortete sie. Er wusste, worauf die Elfe hinaus wollte. Sie wollte ausgesandt werden, um Draecon zu töten.

Der Goldene aber erfüllte ihr diesen Gefallen nicht. „Gute Arbeit. Wir sollten ihn erstmals in Ruhe lassen, sollten weitere, wichtige Informationen in deine Hand gelangen, so teile sie mir bitte augenblicklich mit", bat er sie.

Die Elfe nickte. „Das tue ich. Ich danke Euch für Eure Großzügigkeit, mit der Ihr Eure Zeit mit mir verbrachtet", fuhr sie fort.

Der Goldene neigte den Kopf, ging zur Tür heraus und auf den kürzesten Weg wieder hinaus aus dem Lager. Was sollte er mit der Information anfangen? Draecon war nahe Cadania, und?

Er hatte sich mehr erhofft, hatte gedacht, dass er herausfinden würde, wo der Silberne sich versteckt halten könnte. Oder was dessen Pläne sein könnten. Stattdessen schien Draecon sich irgendwo gemütlich einen Ort gesucht zu haben, wo er sein restliches Leben genißen konnte. Der Goldene schnaubte.

Endlich trat er an die frische Luft und hielt kurz inne. Sein Blick schweifte über die vielen Elfen und blieb schließlich an einer schwangeren Elfe mit einem kleinen Kind im Arm hängen. Aber ja!

Der Silberne schien einen Narren an Draecon gefressen zu haben. Wollte er seinen älteren Bruder verletzen, so musste er doch gar nicht immer auf ihn persönlich gehen. War es nicht viel schmerzvoller, wenn diejenigen, die man liebte, zugrunde gingen?

Der Goldene selbst liebte niemanden. Liebe war dumm und etwas für die Geschöpfe, die alles andere in ihrem Leben aufgegeben hatten. Dass der Silberne in Draecon vernarrt war, machte die ganze Sache einfacher.

Der erste Gegner schien zu fallen. Das Leiden des Silbernen war durch Draecon nun schon so gut wie gewiss. Weitere vier Himmelsschlangen würden bleiben, wenn er die Grüne nicht mit einrechnete. Vier Himmelsschlangen, die noch zwischen ihm und dem Titel des Drachenkaisers standen.

Breath Of Death - Silbernes LodernWhere stories live. Discover now