XXVI

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Srúna schüttelte ihren langen Hals, sodass ihre bronzefarbenen Schuppen leise gegeneinander klickten. Sie war stolz auf ihr prächtiges Schuppenkleid. Während ihre einfachen Schuppen, jene, die ihren gesamten Körper bedeckten, in der Farbe von Bronze glänzten, waren ihre Krallen dunkler, beinahe schon schwarz. Sie liebte ihren Anblick auf der Oberfläche eines klaren Sees oder, noch besser, in der Spiegelung eines Goldbarrens.

Wenn Srúna jetzt aber zu ihrer Rechten sah, sah sie einen noch schöneren Panzer als den ihren. Die Schuppen waren nicht bronzen, nein sie waren golden. So golden, dass sie bei geschmeidigen Bewegungen aussahen wie der reinste Goldfluss.

Allerdings war die Persönlichkeit, die sich hinter diesem prächtigen Aussehen verbarg, nicht annähernd so bezaubernd.

Der Goldene hatte es sich nicht nehmen lassen, sie, nachdem sie mit ihrem Gefolge von seinen Boten hierhergebracht worden war, persönlich abzuholen.

Die wenigen arroganten Assassinen hatten Srúna und dem Volk der Sonnendrachen unter dem Befehl der Flammenden keine weitere Gelegenheit mehr gegeben, die Pläne zu überdenken, zu hinterfragen oder abzulehnen. Und auch die Wortlaute der Roten waren klar und deutlich, noch immer schienen sie sich in Srúnas Gedächtnis festgesetzt zu haben:

„Ich bin die Flammende und Drachenkaiserin. Unser Volk sowie unsere ferneren Verwandten, ihr, sind von Nyrathur bedroht. Ich befehle euch meinem Bruder, dem Goldenen, zu folgen. Ihr steht noch in vielen Angelegenheiten in meiner Schuld, vergesst dies nicht. Ich erwarte euch."

Srúna zog die Lefzen hoch und knurrte angewidert. Dass ihr Volk die Rote verehrte, war in aller Welt bekannt. Der Zirkel der Sonnendrachen lebte in der Wüste. Die Drachen mit den hellen sand- und bronzefarbenen Schuppentönen hatten sich in der Wüste niedergelassen, weil ihnen schlichtweg alles andere genommen worden war. Elfen hatten vor Jahrhunderten angefangen, die Wälder zu bebauen und die Trolle hatten mit den Zwergen die nördlichen Gebirge bezogen.

Nixen und Hexen hatten sich den Seen und Sümpfen bemächtigt und Kentauren waren die Besitzer der weiten Grassteppen. Sich ein solches Gebiet zu erobern wäre tödlich für die meisten ihres Volkes.

An Flüssen standen Siedlungen, am Meer Städte. In Gebirgen nisteten sich Häufungen von Hütten und in Tälern Metropole ein. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das einfache Volk Nyrathurs auch bis in die Wüste vordrang.

Die Sonnendrachen hatten viele, viele Jahre gebraucht, um sich an das trockene Klima zu gewöhnen und erst recht an die wenige Versorgung. Mit der Zeit waren sie abhängig von der Flammenden geworden.

Damals hatte die hinterlistige Drachin gewusst wie es um sie stand. Srúnas Volk, damals geleitet von ihrem Urururur-Großvater, war kurz vor dem sicheren Ende gewesen, als die Himmelsschlange ihnen einen Vertrag anbot: Essen und Trinken für ewige Verpflichtung der roten Drachin gegenüber.

Verzweifelt wie er damals gewesen war, hatte das damalige Oberhaupt dem gottlosen Abkommen zugestimmt. Noch heute zog es seine Folgen mit sich: Srúna musste mit all ihren stärksten Kriegern dem Ruf der Roten folgen.

„Wo bringt Ihr uns hin?", fragte Srúna, den Blick starr geradeaus gerichtet. Sie war zwar in einer wirklich beschissenen Lage, aber den Stolz, das Schuppenkleid des Goldenen nicht zu betrachten und somit nicht zuzugeben, dass es schöner war als ihres, wahrte sie. Ihr wurde Vieles genommen, nicht aber ihre Liebe zu der Farbe ihrer Schuppen.

Der Jüngling antwortete nicht. Halb hatte Srúna so etwas auch erwartet. Als würde sich eine Himmelsschlange dazu niederlassen, sich mit ihr zu unterhalten.

Die Zeit zog sich in die Länge und Srúna merkte, wie ihre Drachen unruhig wurden. Fünfhundert hatte sie mitgebracht. Fünfhundert Kämpfer, allesamt stark und muskulös. Ihre Schwingen waren kräftig und mit dicker Lederhaut bespannt, ihre Schuppen dicht und unnachgiebig. Für Erdkriecher waren sie stolze Geschöpfe.

Während der Goldene sein Haupt weiterhin erhoben hielt und seine verdammte Stimme nicht erhob, beschäftigte Srúna sich damit, die Umgebung zu mustern. Es war nichts Großartiges dabei, lange Sandstrände mit angespültem Holz und Müll und einige Palmen, die sich erschöpft und ergeben dem Wind neigten. Die Sonne strahlte unerbittlich auf die Drachin nieder und erinnerte Srúna an ihre Heimat, an die Wüste.

Blau prangte der Himmel und in der Ferne erkannte sie eine leichte Wolkenbildung. Ob und wann es ein Unwetter geben würde, konnte sie nicht sagen.

Vögel zwitscherten fröhlich und das stetige Rauschen der Wellen beruhigte die Drachin. Sie schloss die Augen und dachte an ihr Zuhause. An die Sandstürme, die dort wüteten, an die ausgetrockneten Flussbetten, an das Kratzen der Sandkörner auf dem Körper. Wie gerne sie diesem Schicksal entfliehen würde. Aber sie stand der Roten bereits zu weit in der Schuld.

Mit einem Mal verstummten die Vögel und Srúna merkte wie sich etwas vor die Sonne legte. Sie hörte ein Scharren, dann war alles stumm.

Die Sonnendrachin öffnete ihre Augen und legte ihren Kopf in den Nacken. Hoch über ihr, etwa drei Schritt über ihr, prangte das riesige Haupt der Flammenden. Und diese hatte ihren Kopf noch nicht einmal richtig erhoben. Eher schien es so, als würde sie ihn extra für Srúna weit senken.

„Danke, Bruder", trällerte die Rote und entließ somit den Goldenen. Augenblicklich spannte dieser seine Flügel aus und erhob sich in die Lüfte. Schon bald war er verschwunden.

„Srúna", sagte die Drachenkaiserin gedehnt. Die Sonnendrachin wich instinktiv etwas weiter zu ihren Genossen. Als ihre Schwanzspitze mit dem Körper einer ihrer Drachen in Berührung kam, entspannte sie sich etwas.

Srúna wartete. Wartete darauf, dass die Flammende weitersprach, aber die Himmelsschlange wechselte das Thema und mit diesem ihre Stimme.

„Haltet Euch in Bereitschaft. Diese Insel gehört Euch, teilt sie Euch mit Euren Drachen auf wie Ihr wollt. Solltet Ihr fliehen wollen, werde ich davon in Erfahrung gesetzt werden und augenblicklich alle Versorgungsketten zu Euren Kameraden in der Wüste abbrechen", fuhr die Rote fort.

Srúna unterdrückte ein Knurren. Sie war zu abhängig von der teuflischen Himmelsschlange, nun wurde sie schlichtweg damit erpresst, dazu gezwungen, nach der Pfeife der Roten zu tanzen, damit ihr zurückgebliebenes Volk in der Wüste am Leben blieb.

Srúna senkte schweigend ihren Kopf. Damit war alles gesagt, so dumm zu sein und fliehen zu wollen, war keine Lösung. Sie hatte sich der Flammenden zu beugen und auch ihre Drachen. Sollten sie es nicht tun, dann gaben nicht nur sie ihr Leben.

Breath Of Death - Silbernes LodernWhere stories live. Discover now