XLV

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Der Silberne keuchte angestrengt. Kraftlos sank er in sich zusammen und atmete schwer. Einen derartigen Zauber hatte er nur selten angewendet, fast nie, um genau zu sein. Das Trugbild bis nach Xofori zu schicken hatte ihm große Mühe gekostet und er hoffte nur, dass es stark genug gewesen war, um den Kobolden Ehrfurcht zu lehren.

Während er langsam wieder zu Atem kam, löste der Silberne seine im Boden festgekrallten Finger. Er hatte den Zauber als Elf gewirkt, einfach aus dem Grund, dass er dort ein viel besseres Feingefühl hatte.

In dem Boden Nyrathurs erstreckten sich weitläufige Adern, durch die die Magie pulsierte, die alles hier am Leben erhielt. Ihr Netz breitete sich weit aus, verzweigte sich und reichte selbst bis nach Xofori.

Jedes Lebewesen in Nyrathur war mit der Gabe der Magie gesegnet, die meisten ohne zu wissen, dass sie existierte. Kentauren oder Trolle zum Beispiel wussten nicht einmal, dass auch durch ihre Adern diese unbändige Kraft floss. Diejenigen, die sich die Magie jedoch zunutze gemacht hatten, hatten ihr Prinzip nicht verstanden. Soweit der Silberne wusste, zogen beispielsweise die Kobolde die Kraft für ihre Zauber aus dem Boden. Sie nahmen es aber nicht, so wie er es selbst tat, aus den kleineren Adern, die weniger auffielen, sondern aus den großen Strängen. Ihr Schöpfen aus dieser Quelle brachte mit sich, dass alle magiefähigen Lebewesen orten konnten, wo gerade ein Zauber gewoben wurde.

Das unterirdische Netz war wie ein Spinnennetz, das bei der kleinsten Berührung einer der großen Fäden erzitterte. Das war auch der Grund gewesen, warum der Silberne genau gewusst hatte, wo er seine Illusion schaffen sollte.

Zudem spürte er Draecon so wie jeden anderen seiner Assassinen, egal wo sie sich aufhielten. Einmal durch das Mal verbunden, konnte er jederzeit ihren groben Standort ausmachen.

Doch trotzdem war ein solcher Zauber sehr aufwändig und anstrengend, selbst für eine Himmelsschlange wie ihn.

Der Silberne raffte sich auf. Sein silbernes Haar fiel ihm schweißnass in die Stirn und unter dem dünnen Hemd schlug sein Herz heftig.

Sein Blick richtete sich auf die Grüne.

„War es erfolgreich?", fragte sie und sah ihn mit ihren smaragdfarbenen Augen forschend an. Der Silberne schenkte ihr ein schmallippiges Lächeln. „Ich hoffe", sagte er und klang dabei um so viel zuversichtlicher als er sich fühlte. Hinter seiner Maske aus Ruhe und Zuversicht verbarg sich die Angst. Die Furcht um Draecon, um die Erdkriecher, um ganz Nyrathur. Die Furcht, dass die Grüne und er es nicht rechtzeitig schaffen würden und dass die Flammende am Ende schneller sein würde als er.

Die Grüne nickte ihm aufmunternd Nicken. Er fühlte sich von ihr so verstanden, so akzeptiert wie er es schon lange nicht mehr gewesen war.

„Lazareth schickte mir heute die Nachricht, dass seine Truppen bereits auf dem Weg sind. Sie sollten morgen früh eintreffen - wenn nichts dazwischenkommt", fügte sie noch hinzu und blickte nachdenklich zum Himmel herauf.

Der Silberne verwandelte sich zurück in Drachengestalt. Noch immer fühlte er sich ausgelaugt und kraftlos. In Gedanken rief er sich die Karte Nyrathurs vor Augen. Die Heimat der Eisdrachen war nicht allzu weit weg, aber durch ihre kräftigen Schuppenkleider und ihre kleineren Schwingen war es ihnen nicht erlaubt, so schnell zu fliegen wie etwa die Wüstendrachen.

„Hast du irgendetwas von der Roten erfahren?", fragte der Silberne nüchtern, aber die Grüne schüttelte nur den Kopf. „Bisher noch nicht. Aber ich denke, dass es keinen Tag dauern würde, bis sich die Kunde des ersten Angriffs verbreitet hat."

Langsam nickte die silberne Himmelsschlange. ‚Solange es noch Geschöpfe gibt, die die Geschichte verbreiten können', fügte er noch in Gedanken hinzu.

———

Langsam schlossen die Kobolde ihre offenstehenden Münder. Draecon kostete es ebenfalls größte Mühe, dass er seine Gesichtszüge weiterhin unter Verschluss hatte und ihm nicht alles entgleiste. Wie war das möglich? Wie hatte der Silberne so schnell kommen können? Und warum war da nicht diese Macht gewesen, die Draecon sonst immer gespürt hatte?

Sein Herz wurde weich und seine Liebe zu dem Drachen grenzenlos. Er war da. Er beschützte ihn. Er würde Draecon nicht fallen lassen.

Nie. 

Niemals.

Gleichzeitig aber erkannte der Assassine, dass seine Tarnung nun umsonst war. Der Silberne hatte den Kobolden versichert, dass sie Recht hatten und Draecon keiner von ihnen war. Aber ganz bestimmt war das alles Teil eines ausgeklügelten Plans.

„Ihr habt meinen Herrn gehört. Meinen Gebieter, dessen Macht auch ihr euch ergeben solltet", sagte Draecon. Jetzt musste er überzeugend handeln. Er hatte eine einzige Chance und wenn er diese vergeudete... ja, was dann?

Der Anführer der kleinen Horde senkte seinen Stab. Widerwillig drehte er sich dem Elfen zu.

„Was war das?", fragte er mit seiner heiseren Stimme, wobei sein fauliger Atem Draecon ins Gesicht schlug.

„Mein Herr", antwortete dieser selbstsicher. „Er ist hier. Überall da, wo ich hingehe. Und solltet ihr mir schaden, so wird er Rache nehmen", fügte Draecon hinzu. Seine Stimme war eiskalt und glich einem Knurren. Unterlegen senkte der Kobold widerwillig seinen Kopf.

„Man könnte meinen, ihr wärt hier unerreichbar. Das seid ihr aber nicht. Alles, was ihr tut, wird beobachtet. Also macht was ich euch sage und nennt mir die Adresse, an die ihr Gifte für Elyssus verschickt."

Der Kobold entblößte seine Zähne und fauchte, aber dann erwiderte er verächtlich: „Ist dir die Kneipe ‚Zum edlen Rosse' bekannt? Im Abstand von einem Monat schicken wir Kleinstbestellungen dorthin."

Draecon hob eine Augenbraue. „Wann ist die nächste Lieferung?", fragte er und wieder zischte der Kobold hasserfüllt. „Sie ist bereits auf dem Weg. Lass mich aber mit deinen Spielchen in Ruhe, Assassine. An deinen blutrünstigen Geschäften trage ich keinerlei Schuld!"

„Eine Sache noch", sagte der Elf schnell, bevor sich der Kobold zum Gehen wenden konnte. „Nenne mir den sichersten Seeweg, den du als Verbindung zwischen Xofori und den Kentaurenlanden kennst."

Der Kobold drehte sich um, bereit zum Verschwinden. „Ich hab dir alles gesagt, was du verlangt hast. Verschwinde von hier und komme nicht wieder. Sei froh, wenn du lebend davon kommst."

Mit diesen Worten war der Wicht davon.

Beinahe musste Draecon bei der Wortwahl des Kobolds auflachen. Was dachte der sich, dass er ihm, Draecon, Informationen verschweigen durfte? Er erwog, ihm einfach den Hals durchzuschneiden, verwarf den Gedanken dann aber wieder. 

Wie sollte er den Kobold wiederfinden und war sein Tod überhaupt gerechtfertigt? Zwar war er alles andere als freundlich gewesen, aber der Tod war eine schwere Strafe. Erst jetzt, so schien es Draecon, realisierte er wirklich, was für ein Geschäft er da betrieb. Gewiss, er hatte keine andere Möglichkeit, musste, oder besser durfte, auf immer Assassine sein, aber stolz sein sollte darauf nicht.

Mit gesenktem Kopf steckte er seine Messer zurück und schlug den Weg zum Schiff ein.

Breath Of Death - Silbernes LodernWhere stories live. Discover now