XXIII

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„Was sucht ihr hier?", knurrte ein Erdkriecher. Er war der erste, der sich der Grünen und dem Silbernen zeigte, und die Art, wie er die Schwingen ausgebreitet hatte, triefte vor Eitelkeit.

Der Silberne hätte nun Grund genug dafür, den Mistkerl zu töten, das wusste auch die Grüne, weshalb sie ihren Bruder abwartend anstarrte. Der Älteste aber schüttelte nur leicht den Kopf.

„Wir kommen in Frieden, um mit eurem Oberhaupt zu sprechen", antwortete die silberne Himmelsschlange nur. Immer mehr Eisdrachen lösten sich aus der Umgebung, ihr schneeweißes Schuppenkleid verschmolz perfekt mit der eisernen Landschaft.

Der Eisdrache, der sich vor allen anderen gezeigt hatte, wollte gerade zur Antwort ansetzen, als ein Raunen durch die Reihen lief. Es wurde immer lauter und die Stimmen immer aufgeregter, als mit einem Mal alle verstummten.

„Warum seid ihr gekommen?", fragte ein Erdkriecher direkt hinter dem Silbernen. 

Die Grüne wandte ihren Kopf. „Wir brauchen eure Unterstützung. Wo ist euer Oberhaupt?"

Langsam wichen die Eisdrachen vor den Himmelsschlangen zurück, so weit, dass sie im dichten Schneefall fast nicht mehr zu erkennen waren.

„Ich höre", eine einzige, kristallklare Stimme erhob sich und der Älteste ließ seinen Blick über die Eisdrachen schweifen, um das Oberhaupt ausfindig zu machen. Schräg neben ihm hatte sich ein Eisdrache aus dem Schatten der Menge gelöst, seine weißen Augen besaßen einen intensiven bläulichen Schimmer, der sich rund um die geschlitzte Pupille ausbreitete.

„Wir möchten mit dir sprechen. Allein", der Silberne sah dem Oberhaupt so angestrengt in die Augen, dass dieser sich abwandte und dem Drachen neben ihm etwas zuraunte. Sofort wichen alle Eisdrachen zurück und gaben den Blick auf eine kleine Höhlenöffnung frei. Das Oberhaupt der Eisdrachen ging darauf zu.

„Folgt mir. Fühlt euch wie Zuhause, ihr wisst, dass wir den Silbernen schätzen."

Der Älteste warf der Grünen einen Blick zu. Obwohl ihm die Eisdrachen schon öfters die Treue erwiesen hatten, hatte er Hemmungen, dem Oberhaupt einfach so zu folgen. Natürlich war seine ältere Schwester bei ihm und gemeinsam hatten sie die Kraft, ganze Siedlungen zu zerstören, aber in einer Höhle von Erdkriechern konnten sie ihre Kraft nicht komplett entfalten. Eisdrachen waren im Vergleich zu ihnen winzig und der Silberne war schon froh genug, wenn er überhaupt mit der Grünen in die unterirdischen Hallen passen würde.

Mit seiner Schwester an der Seite folgte er dem Häuptling und einer Handvoll anderen Eisdrachen durch gewundene, vereiste Gänge. Blaues Feuer war in den Wänden aus reinstem Eis eingeschlossen und erhellte die unterirdischen Gänge flackernd mit kühlem Licht. Schnee lag auf dem Boden und hinterließ ihre Fußabdrücke in sanftem Weiß.

Die Tunnel zogen sich weit mit vielen Windungen, ab und an zweigten weitere Gänge ab, die in Hallen mündeten. Sie waren lange gelaufen, bis sie in einen prunkvollen Saal kamen. Eiszapfen hingen von der Decke gleich Dornen. Wie Stalaktiten und Stalagmiten waren sie überall zu sehen, reckten sich von der Decke dem Boden entgegen und umgekehrt. Der Schnee auf dem Boden wich langsam zurück, bis der Boden der Halle aus durchsichtigem Eis gebildet wurde.

„Hier sollten wir unter uns sein", sagte der Eisdrachenhäuptling, als seine Begleiter verschwunden waren.

„Ihr seid also das Oberhaupt", stellte die Grüne nüchtern fest. Der Eisdrache nickte. „Ich bin Lazareth, seit Jahren vertrete ich das Volk der nordischen Eisdrachen."

Der Silberne ging ein paar Schritte. Lazareth, richtig. Er hatte von ihm gehört.

Ihr Eisdrachen wart mir schon immer treu. Doch nach so vielen Jahren: würdet ihr mir noch immer bis in den Tod folgen?", fragte der Silberne. Er musste diese Sache vorsichtig angehen. Wenn die Flammende die Eisdrachen auf ihre Seite zog, und er im Vorherein schon alle seine Pläne verraten hatte, wäre er leichte Beute.

Lazareth überlegte. „Viele würden das meinen. Einige aber nicht. Doch auch sie würden Euch zumindest unterstützen"

Die Grüne senkte den Kopf. „Wir können mit einem „Vielleicht" nichts anfangen. Beantwortet unsere Frage: ja oder nein?", aus dem Mund der Flammenden hätten diese Worte geklungen wie Messer, die Grüne aber ließ sie aber leicht und zart wirken.

Auch Lazareth begann zu laufen. Vier Schritte hin, vier zurück. Schließlich verharrte er. „Bevor ich Euch zustimme, um was geht es?", fragte er und in seinem Blick lag ehrliches Interesse.

Der Silberne wechselte einen Blick mit der Grünen, aber er blieb hart. „Seid ihr mit treu?", fragte er wieder und Lazareth nickte. Nach langem Zögern.

„Die Flammende hat die Macht an sich gerissen und ist in Begriff, ganz Nyrathur zu vernichten", erklärte der Silberne. Das Gesicht von Lazareth blieb ausdruckslos. „Und ihr wollt sie aufhalten, nehme ich an?", fragte er, ließ es aber eher wie eine Aussage klingen.

Die Grüne nickte. „Die Rote will alles und jeden vernichten, der auch nur einmal schlecht über die Drachen gedacht hat. Jeder würde bei diesem Massaker umkommen, Nyrathur würde sterben", erklärte sie beinahe aufgebracht. Die Gefühle, die in ihrer Stimme mitschwangen, waren dieselben, die der Silberne seit Tagen mit sich trug.

Lazareths Miene war noch immer unlesbar. Wieder begann er mit seinem Hin- und Hergelaufe.

„Ich verstehe Eure Absichten, Himmelsschlangen, aber sagt mir: wie viele meiner Art werden umkommen? Wie viele werden niemals wiederkehren?", fragte er und auch der Silberne begann wieder zu gehen.

Gewiss werden einige eurer Art sterben. Um genau zu sein sogar viele. Aber fragt euch Eines: seid ihr wirklich dazu bereit, ganz Nyrathur aufzugeben? Auch ihr seid Teil dieser Welt und die Flammende würde ihre tödliche Armee eines Tages auch auf euch loslassen. An jenem Tag werdet ihr euch ärgern, mir nicht gefolgt zu sein", antwortete der Älteste.

Lazareth schien zu überlegen. „Warum befehlt Ihr mir nicht, Euch zu folgen?", fragte er die silberne Himmelsschlange, „Ihr wisst ganz genau, dass wir Eurer Macht nicht standhalten könnten. Ihr könntet einfach und schnell meine Kräfte an Euch nehmen."

Der Silberne schüttelte langsam den Kopf. „Was für eine Himmelsschlange wäre ich, wenn ich die meiner Art töte, nur um dieselben tyrannischen Züge zu zeigen?"

Breath Of Death - Silbernes LodernWhere stories live. Discover now