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„Vielmehr muss ich fragen, ob du eine Elfe namens Freya kennst. Sie ist Spionin der Drachen", zischte Draecon leise, aus Angst, irgendwo bespitzelt zu werden. Grob ergriff er Rafna am Oberarm und zog ihn in den hinteren Teil des Raumes.

Der Kobold nickte eifrig. „Kennen ja. Allerdings weiß ich nicht, wo sie anzutreffen ist. Ich könnte einen Boten schicken, der es herausfinden wird. Mit ein paar Tagen oder Wochen solltest du allerdings rechnen."

Draecon machte eine abwerfende Bewegung. „Darauf kommt es mir nicht an. Schicke deine Boten und lass sie genauestens nach Freya fragen. Ich brauche ihre Adresse. Das Doppelte des Gewichtes dieses Goldbeutels bezahle ich dir, wenn dein Bote mir alles überbracht hat, was ich wissen muss. Wenn du artig bist und dieses Geheimnis für dich behältst, zahle ich dir sogar das Dreifache."

Sofort sah der Elf, wie die Gier in Rafnas Blick wieder aufflammte. „Ich werde meinen Boten sofort losschicken", versprach er noch, bevor Draecon wieder aus dem Gebäude gegangen war und stillschweigend wie der Tod verschwand.

———

Der Silberne räkelte sich. Dass Draecon nicht pünktlich wiederkommen würde, um mit ihm gegen seine Geschwister vorzugehen, wusste er. Besser gesagt hatte er das sogar geplant. Dem Silbernen war klar, dass eine solche Auseinandersetzung, einen Aufstand gegen den Verlust des Titels ‚Drachenkaiser', tödlich ausgehen würde. Zumindest für ihn.

Ein gefallener Drache sollte sich von seinen Geschwistern fernhalten, wenn ihm das Leben lieb war. Sie würden getrennte Wege gehen und sich nie wieder blicken lassen.

Aber dem Ältesten war Nyrathur wichtiger als sein eigenes Leben. Er war müde, geschaffen von der schier ewigen Gebundenheit an Recht und Ordnung. Wenn die Flammende ihren Angriff durchführte, dann würde die Welt brennen.

Er sah zu der Grünen. Ihre funkelnden Smaragdaugen waren interessiert auf den kleinen Kobold gerichtet, noch immer erzählte er der Drachin etwas in einer, für den Silbernen, fremden Sprache.

Das Schuppenkleid der Grünen blitzte und schimmerte wie das Schuppenkleid eines Fisches. Die dunkle Lederhaut zwischen ihren Flügeln schien auf den ersten Blick etwas unpassend, ergänzte sich dann aber bestens zu dem hellen Grün der Schuppen.

Die leisen Geräusche verstummten und der Silberne blickte die Grüne an. Ihre Augen waren nun nachdenklich, das Funkeln aber immer noch da.

„Er erzählte mir, dass Draecon bei einem Wirt namens Rafna ist", erzählte sie. Der Silberne entspannte sich etwas. Rafna hatte einst den Himmelsschlangen seine Treue geschworen und Draecon war sichtlich abgelenkt vom Wesentlichen. Die Gewissheit, dass der Drache nicht gewusst hatte, wo sein Assassine sich gerade aufhielt, hatte ihn unruhig werden lassen. Jetzt aber konnte er wieder klar denken.

„Wir sollten uns um die Erdkriecher kümmern. Wenn die Flammende nicht schon die Chance ergriffen hat und sie auf ihre Seite gezogen hat, haben wir dennoch viel Arbeit vor uns. Der Geist der Erdkriecher ist klein und wenn es gerade nicht um Macht geht, dann hören sie uns nicht weiter zu", knurrte der Silberne. Zu seiner älteren Schwester war er ehrlich, er sah keinen Sinn darin, etwas vor ihr zu verheimlichen. Dass endlich mal wieder jemand bei ihm war, der weiser und älter war als er, war für ihn wie Nachhausekommen.

Die Grüne nickte. „Die Flammende wird die anderen ausschicken und nach den Erdkriechern suchen lassen. Demnach sollten wir im Norden anfangen, unsere kleine Schwester bevorzugt eher die warmen Regionen, da wird sie mehr Freunde haben als im Nordem", stimmte sie ihm zu.

Kurz hielt sie inne. Dann fuhr die Drachin fort: „Wir sollten keine weitere Zeit verschwenden. Bieten wir den Erdkriechern Ländereien an, wenn wir gegen unsere Geschwister siegen. Zu großen Gebieten haben sie noch nie Nein gesagt."

Der Silberne brummte zustimmend. Auf einen Blick der Grünen entfaltete er seine Schwingen. Ihr erstes Ziel war geplant: der höchste Norden, höher noch als die Regionen der Trolle. Die Eisdrachen waren unter den Erdkriechern begnadete Kämpfer, langsam zwar, aber widerstandsfähig. Ihre Schuppen waren dick wie Panzer und auch wenn sie bei Weitem nicht mit denen einer Himmelsschlange mithalten konnten, so waren sie dennoch stärker als die Sonnendrachen in den Wüsten Nyrathurs.

Der Silberne konzentrierte sich und stellte sich die höchsten Teile Nyrathurs vor. Er sah, wie die Grüne es ihm nachtat und als der Schwindel von ihm abgefallen war, fand sich der Silberne in einer weiten Eiswüste wieder.

Der Schnee reichte selbst ihm bis zum Bauch, ein dichter Regen aus Eiskristallen versperrte ihm die Sicht. Weit in der Ferne ließen sich im Nebel die Silhouetten von Bergen erkennen. Ab und an ragte ein Tannenbaum aus der hohen Schneedecke. Eiszapfen hingen an den dünnen Ästen und die Bäume hatten sich dem Wind geneigt. Es war verdammt kalt und der Atem stand dem Silbernen in Wölkchen vor dem Munde.

Das einzig Warme hier oben war der Körper der Grünen, die sich schützend an ihn schmiegte.

Der Älteste wandte den Kopf zu seiner älteren Schwester. Hier lebten die Eisdrachen, abgelegen und selbst für eine Himmelsschlange unbequem.

Der Drache entfaltete seine Flügel und erhob sich in den Himmel. Auch dort war die Sicht nicht besser als unten auf der Erde, Schneeflocken versperrten einen weiten Ausblick auf die Umgebung.

„Wir sollten bei den Bergen nach ihnen gucken. Ich habe gehört, Eisdrachen besitzen Höhlen tief im Feld, um sich vor der Kälte zu schützen!", schrie die Verstoßene gegen den heulenden Wind an. Der Silberne nickte, jedes weitere Wort war Zeitverschwendung.

Mit kräftigen, langsamen Flügelschlägen trug er sich fort, seine Schwester direkt neben ihm. Immer wieder rasten seine silbernen Augen umher und hielten Ausschau nach einer Bewegung, einer kleinen Regung, aber nichts war zu sehen. Der kräftige Wind wurde stärker und bremste die beiden Himmelsschlangen immer mehr aus. Es war merkwürdig. Vor wenigen Tagen noch, als er noch Drachenkaiser und somit ranghöchstes Geschöpf Nyrathurs gewesen war, hatte ihm dieser Sturm beinahe gar nicht anhaben können, während er jetzt, zwar nicht viel, aber dennoch mehr als früher, an seinen Kräften zehrte.

Es dauerte schier eine Unendlichkeit, bis die Grüne und der Silberne die Berge erreicht hatten. Der Älteste witterte. Der Geruch von Erdkriechern war nun so präsent, dass er nicht länger zu übersehen war. Dutzende Augen lagen auf den beiden Drachen, als sie innehielten und auf einem beschneiten Felsvorsprung landeten.

Breath Of Death - Silbernes LodernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt