XXIX

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Es dauerte nicht lange, bis Draecon das erste Geräusch vernahm. In einem gleichmäßigen Rythmus hörte er ein Paddel ins Wasser tauchen, dann die wenigen Spritzer, die beim Herausziehen entstanden.

Sofort war der Assassine hellwach. Er atmete ruhig durch den Mund, damit der Gestank nicht seine Nase zu sehr betäubte. An der gegenüberliegenden Wand entstanden langsam die Schemen eines Bootes. Ein diabolisches Grinsen huschte über Draecons Gesicht, als seine Hände zu den vertrauten Messern glitten.

Schwer und kühl lagen die lederumwickelten Griffe in seinen Handflächen und das Licht der Fackeln spiegelte sich matt auf den schwarzen Klingen wider. Seine Messer waren von schlichter Eleganz, die das Auge erfreute. Auch wenn Draecon mit diesen Messern schon viele Leben beendet hatte, konnte man nicht ihre tödliche Schönheit übersehen.

Der Elf drückte sich so weit wie nur möglich an die Wand, um zumindest vor dem ersten Blick verborgen zu sein. Dann kam langsam das Boot näher. Zuerst sah er nur den Bug, dann irgendwann auch den kleinen Kobold, der beim Paddeln leise vor sich hin sang.

Er sah sich um, kam immer näher auf Draecon zu und erkannte ihn schließlich. Augenblicklich verstummte der Kobold und öffnete den kleinen Mund weit für einen Schrei. Doch noch ehe ihm auch nur ein Ton über die Lippen kam, sprang Draecon in den wackligen Nachen, um dem Kobold eine Klinge an den Hals zu drücken. Sofort füllten sich seine Augen mit Tränen und er ließ das Paddel fallen.

„Bitte", winselte er und sah Draecon angsterfüllt an. „Bitte, ich habe eine Familie, eine Tochter!"

Draecon zögerte. Er erwog, den Kobold nicht zu töten. Nicht dass er auf seine Winseleien hereinfallen würde, sondern weil er einfach jemanden brauchte, der sich hier unten in den Gängen auskannte.

„Du tust das, was dir von mir gesagt wird. Bei dem kleinsten Versuch zur Flucht oder auch nur dem leisesten Schrei bist du ein toter Mann", erklärte der Assassine.

Der Kobold schluckte. Draecon wies mit dem Messer auf das Paddel. aLos, weiter, meine Zeit ist kostbar", knurrte er und setzte sich dem Kobold gegenüber.

Dieser hatte seinen Blick immer noch auf Draecons Gesicht gerichtet - tränenüberströmt, aufgelöst. Dann jedoch griff der Kobold langsam nach dem Paddel und setzte seinen Kurs fort.

Draecon lehnte sich entspannt nach hinten, den Gestank hier ignorierte er geflissentlich. Das Geräusch des ein- und auftauchenden Ruders beruhigte seine Nerven und der Assassine vergaß für eine kurze Weile seinen Auftrag.

Der Kobold starrte ihn immer noch an, die Augen groß und die Unterlippe zitternd. Der Elf stöhnte. „Was?", knurrte er und sah den kleinen Kerl gereizt an.

„Du... bist der Assassine", nuschelte er, eifrig damit bemüht, das kleine Boot weiter anzutreiben. Draecon nickte gelassen. „Ja. Man nennt mich Draecon", erwiderte er scheinbar gelangweilt. Innerlich aber war er bis aufs Höchste angespannt. Durch den Kobold könnte er erfahren, wie viel bereits über ihn verbreitet war.

„Draecon... ein merkwürdig schön klingender Name für eine Missgeburt wie dich", murmelte der Kobold und sofort hatte der Assassine sein Messer gezückt und drückte es an die Kehle des Kobolds.

Dieser ließ das Paddel sinken. „Lass mich gehen", jaulte er augenblicklich. Draecons Miene verfinsterte sich. Was erlaubte sich der Kobold?!

Er drückte das Messer noch stärker gegen den faltigen Hals seines Gegenübers. „Ein falsches Wort, Missgeburt, und du stirbst. Erlaub dir ja keine Späßchen!", knurrte er und der Kobold drehte winselnd den Kopf zur Seite.

Zögernd ließ Draecon den starren Wicht zu Boden gleiten, wo er eifrig das Paddel wieder aufhob und es schnell ins Wasser tauchte.

„Sag mir...", als der Assassine kurz zögerte, weil ihm der Name des Kobolds noch immer unbekannt war, unterbrach dieser ihn rasch: „Hevnir".

Der Elf schloss kurz die Augen, dann fuhr er fort: „Sag mir, Hevnir, kennst du dich hier unten aus?"

Eine Weile lang erhielt er keine Antwort, dann aber entgegnete Hevnir kleinlaut: „Meine Sippe arbeitet hier schon seit Jahrzehnten."

Draecon brummte. „Kannst du mich zu Hendricks Haus bringen?"

Die Worte kamen ihm nur schwer über die Lippen. Er wollte auf keinen wichtigtuerischen Kobold angewiesen sein, aber es ging nicht anders. Zu allem Überfluss schien Hevnir das auch genau zu wissen, aber er war klug genug, das nicht zu erwähnen.

„Wenn etwas für mich dabei rausspringt", nuschelte er und sofort hielt Draecon wieder seinen kühlen Stahl an Hevnirs Hals. „Dein Leben würde dabei rausspringen", grollte er leise, aus Angst, dass ihn andere Kobolde hören konnten. Es blieb still.

Sofort sah Hevnir zu Boden, er schluckte hart. „Aber sicher", winselte er und entspannte sich augenblicklich, als der Assassine sein Messer zurücksteckte.

Es war eine unangenehme Stille zwischen ihnen. Hevnirs Blick glitt immer wieder panisch und angsterfüllt zu Draecons Hand, die scheinbar beiläufig an dem Griff seines Messers lag. Sie beide wussten, dass das ganz und gar nicht beiläufig war.

Das einzige Geräusch, das die immerzu bedrückende Stille durchdrang, war das leise Plätschern, wenn das Paddel ins Wasser getaucht und wieder herausgezogen wurde.

Draecon musterte die Wände. Er hatte nicht die geringste Ahnung wie man sich hier unten orientieren konnte. Jeder einzelne Gang sah gleich aus und die Abzweigungen, die in stetigen Abständen auftauchten, erinnerten an ein Labyrinth.

„Wir sind gleich da", nuschelte Hevnir nach einer Weile, als sie ein großes Tor aus Gold passierten. Augenblicklich weiteten sich Draecons Augen.

„Was soll das?", fragte er und erhob sich ungläubig. „Was?", erwiderte Hevnir, aber der Assassine brauchte gar nicht zu antworten.

„Gold ist das einzige Metall, das nicht rostet und lange Stand hält", antwortete er schließlich schulterzuckend. Draecon fuhr herum. „Das sind wahre Schätze, die hier unten in Abflusskanälen versinken! Man könnte ganze Städte davon bauen", sagte er ungläubig.

Hevnir lächelte zufrieden. „Abflusssysteme sind wahrlich die größten Schätze, die es gibt. Das Problem ist nur, dass sie niemand wertschätzt"."

„Außer euch", vollendete Draecon seinen Satz. Der Kobold nickte. „Außer uns", bestätigte er und hielt das Boot schließlich an.

„Wir sind da. Das Haus Hendricks liegt direkt über uns. Da...", er deutete auf einen eingelassenen Schacht in der Decke, „geht es hoch. Du wirst direkt auf der Straße stehen."

Draecon lachte trocken. „Denkst du, ich lass dich jetzt einfach gehen? Du kommst mit", zischte er. Hevnirs Lächeln verging doch noch ehe er ein Wort sagen konnte, klemmte sich der Elf den Kobold unter den Arm und ging auf den Schacht zu.

Breath Of Death - Silbernes LodernWhere stories live. Discover now