LVI

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Der Goldene sah zu der Flammenden. Die Drachenkaiserin hatte ihre Augen auf den Horizont gerichtet. Dort, im Licht der roten Sonne, tanzten die Flammen.

So, wie die Rote reagiert hatte, als nicht nur Flammenzungen aus dem Himmel stießen, sondern auch von unten erwidert wurden, hatte sie wohl damit gerechnet, dass sich die Kentauren – auf welche Weise auch immer – wehren würden.

Mit den Augen eines unsterblichen Wesens, eines Herrschers, hatte der Goldene auch die vereinzelten Eisdrachen über Neehri ausgemacht.

Und seinen verstoßenen Bruder.

Der Silberne war in Begleitung der Grünen also aufgebrochen, um sich der Flammenden in die Quere zu stellen. Ein letztes, hoffnungsloses Aufbegehren vor dem finalen Untergang.

Der Goldene verzog seinen Mund zu einem höhnischen Lächeln. Der Silberne war in einer solch verzweifelten Lage, dass er sogar seine ältere, verstoßene Schwester aufgesucht hatte. Dass der Goldene die Grüne jemals wiedersehen würde, hätte er nie gedacht.

Doch der Silberne und die Grüne brachten seine Pläne durcheinander. Der Goldene hatte nicht daran gedacht, dass sie sich schon jetzt der Roten stellen würden, aber durch ihr Handeln gaben die beiden degradierten Himmelsschlangen dem Jüngling gleichzeitig eine Chance, doch Drachenkaiser zu werden.

Der Goldene hätte neben der Flammenden gestanden und die Sekunden gezählt, bis er ihr berichtet hätte, dass die Erdkriecher den feindlichen Ansturm und die Flammenwalzen nicht überleben würden. Die Flammende wäre aufgebrochen, um sich selbst davon zu überzeugen und der Jüngling hätte hinter ihr Position einbezogen.

Gerade in Reichweite wäre die Flammende von allen Seiten attackiert worden und der Goldene hätte seine Zähne tief in ihren geschuppten Körper gegraben und mit jedem Tropfen Blut wäre ihre Macht auf ihn übertragen worden.

Durch den Silbernen jedoch blieb das Zeichen für die Erdkriecher aus. Es schien sogar so, dass der Goldene keinen weiteren Gedanken mehr an diesen leichtsinnigen Plan verschwenden müsste.

„Sie kommen", sagte die Flammende in diesem Augenblick und riss den Jüngling somit aus seinen Gedanken. Er hatte seine Miene unter gefährlicher Kontrolle, hatte seine Gesichtszüge erkalten lassen. Die Flammende würde nie erfahren, welchen Drachen sie zu ihrem engsten Verbündeten gemacht hatte.

Bei dem Gedanken an ihr überraschtes Gesicht, wenn er ihr offenbarte, wer er wirklich war, musste er sich ein boshaftes Grinsen verkneifen.

Bald, ermahnte sich der Goldene, bald würde es soweit sein.

„Du brauchst dich nicht anzuschleichen, Grauer", rief die Rote herausfordernd, „Ich weiß, dass du da bist, und bin dementsprechend vorbereitet. Unsere Assassinen haben ganz Neehri umzingelt und alles gesehen; wie du mit den Eisdrachen hergekommen bist, wie ihr Vorbereitungen getroffen habt und wie fremde Elfen kamen. Dreimal darfst du raten, wie viele unserer Mörder sich unter die Pferdemänner gemischt und die Leichen derer, die sie ersetzen, in den stürzenden Fluten verschwinden haben lassen."

Daher wusste die Flammende also von den Vorbereitungen und war wenig erschrocken gewesen.

„Also komm und überspringe dieses alberne Spielchen. Über so etwas sind wir als Himmelsschlangen doch schon so lange hinweg, oder nicht?", fuhr die Drachenkaiserin fort.

Kurz erhielt sie nur Schweigen zur Antwort, ehe sich dann aber das hohe Gras unter kräftigen Flügelschlägen zur Seite neigte.

Fast lautlos landete ihr großer Bruder, dicht gefolgt von der fast in Vergessenheit geratenen Grünen.

„Mir ging es nicht darum, möglichst unbemerkt herzukommen. Und überhaupt: was führt dazu, dass ich in deinen Augen noch immer eine Himmelsschlange bin?"

Obwohl der Silberne so viel in so kurzer Zeit verloren hatte, strahlte er noch immer eine so mächtige Präsenz aus, dass der Goldene sich zwingen musste, seine Augen nicht von den grauen seines Bruders zu nehmen.

Nur einmal kurz schweiften sie ab, um die Grüne zu mustern. Ihr smaragdgrünes Schuppenkleid strahlte in den verschiedensten Tönen und nahm an den Kanten sogar leichte Gelb- und Rottöne aufgrund der Sonne an. Ihre blitzenden Zähne hatten mit der Zeit nicht an Schärfe verloren und die Augen erwiderten seinen Blick eisern.

„Nur weil du verstoßen worden bist, heißt das nicht, dass du deine ganze Abstammung verloren hast", erwiderte die Flammende kühl.

Die Lefzen über dem tödlichen Gebiss des Silbernen zuckten zurück. „Wie auch immer. Bist du dir sicher, dass du das willst? Dass du deine Herrschaft mit solch einem Gemetzel beginnen willst?"

Die Drachenkaiserin zuckte unschuldig mit den Schultern. „Ich weiß nicht, was du meinst."

Der Silberne lachte freudlos auf. „Erzähl mir nicht, dass du nicht weißt, was ich meine. Sieh dich doch nur um."

„Nyrathur ist eine Welt voller Aufständischer und Bastarde. In den letzten Jahren haben sie einen Dreck darauf gegeben, was wir alles für sie getan haben. Wie wir ihre Felder auf immer fruchtbar machten, wie wir sie vor Gefahren schützten, wie wir ihre Leben segneten!", spuckte die Rote hasserfüllt aus.

Instinktiv rückten der Goldene und die Blaue näher an die Seite der rotgeschuppten Drachin.

„Welche Gefahren? Sind wir es nicht, die die gefährlichsten Lebewesen auf dieser Erde sind?", höhnte der Silberne. Die Grüne stand schweigend hinter ihm und verfolgte das Gespräch zwischen den beiden Himmelsschlangen aufmerksam.

„Es gibt Gefahren überall. Sag mir nicht, dass du davon nicht wüsstest-..."

Die Flammende wurde von dem Silbernen harsch unterbrochen: „O ja, Gefahren wie dich zum Beispiel. Oder sollte ich besser sagen: Gefahren, die dich in Besitz genommen haben? Die Zeit ist weit genug vorangeschritten, um der Welt zu offenbaren, wer du wirklich bist. Denkst du, ich hätte deine Veränderung in den letzten Monaten nicht bemerkt?"

Ein Knurren verließ die Lippen der Flammenden und übertönte die Worte, die der Silberne weitersprach.

Der Goldene machte sich kampfbereit, auch wenn er zu gerne erfahren hätte, was der Silberne zu sagen hatte. Denn er wusste: würde er hinter das Geheimnis der Flammenden kommen, würde er womöglich noch mächtiger werden als sie es jemals wäre.

Breath Of Death - Silbernes LodernDonde viven las historias. Descúbrelo ahora