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Srùnas Blick raste hektisch umher.

Verzweifelt suchte sie nach ihren Kämpfern.

„Flieht!", befahl sie und wich einer hochschießenden Flamme aus.

Nur weil sie eine Drachin war und einen harten Panzer aus Schuppen besaß, hieß das nicht, dass die tödliche Hitze nicht auch für sie gefährlich sein könnte.

Natürlich war das Feuer für sie bei Weitem nicht so bedrohlich wie für Kentauren, aber ihre Schwingen bestanden aus purem Leder. Wenn sie mit ihnen die Flammen berührte, könnte sich das Feuer schmerzhaft in sie fressen und klaffende Löcher zurücklassen.

Ebenso wie die Pfeile der Kentauren. Die allerdings auch eine wirkliche Gefahr für ihren restlichen Körper darstellten. Ihre Schuppen waren hart und fest, aber Eisenspitzen konnten ihren Panzer zum Zersplittern bringen.

Dazu der Qualm. Durch die schwarzen Wolken, die durch fehlenden Wind nicht hinfort getragen wurden, konnte Srùna kaum erkennen, wo Kentauren lauerten und ihre verdammten Bögen spannten.

„Zieht euch zurück und versammelt euch neu!", ordnete die Anführerin an und drehte ab.

Ein Pfeil traf ihre linke Schwinge, riss ein Loch hinein und schoss einfach weiter.

Etwas weiter links von ihr brüllte ein Wasserdrache auf. Durch den undurchsichtigen Rauch hatte sich ihm ein Eisdrache genähert und lange, blutige Spuren auf dem blauen Schuppenkleid hinterlassen.

Der Wasserdrache versuchte seinem Feind auszuweichen, drehte ab, aber der Eisdrache hatte seine Zähne in dessen Hals gegraben.

Ehe Srùna hätte zur Hilfe eilen können, regnete es Blut.

Stattdessen flog sie immer höher, hoffte, irgendwann die Decke zu durchstoßen und endlich wieder frische Luft zu atmen, aber etwas grub sich in ihr hinteres Bein.

Die Sonnendrachin versuchte, den Eisdrachen abzuschütteln, aber dieser ließ nicht los.

Srùna spürte, wie warmes Blut an ihrem Körper hinunterfloss und mit einem wütenden Schrei schlug sie mit ihrem Schwanz auf den Eisdrachen ein. Diesen Schlag hatte der Erdkriecher nicht kommen sehen und musste widerwillig loslassen. Dennoch traf ihn Srùnas Schwanzende, woraufhin er blutend zu Boden taumelte.

Panik machte sich in der Zirkelanführerin breit.

Was, wenn sie das alles nicht überlebten? Was, wenn die Flammende gelogen, sie betrügt hatte und niemand wiederkehren würde, um ihrem Volk endlich das zu geben, wonach es sich so sehr sehnte?

Und wo war der Goldene?

Er hatte mit ihr einen Pakt geschlossen, hatte ihr versprochen, dass niemand zu Schaden kommen würde, solange sie sich an dieses Übereinkommen hielten.

Srùna und ihre Kämpfer erfüllten ihren Teil der Abmachung. Spielten mit, griffen Städte an, um die Flammende den Glauben zu geben, dass jeder ihr bedingungslos vertraute und ihren Befehlen nachkam.

Doch wo war der versprochene Schutz?

Mit einem großen Kreis drehte die Sonnendrachin ab und versuchte, irgendwie nach Osten durchzubrechen.

Es nützte nichts, jetzt einfach sinnlos die Kentauren und Eisdrachen anzugreifen. Sie mussten sich neu ordnen, neue Kraft schöpfen und die Wasser- und Horndrachen solange ihren Feinden alleine aussetzen.

Der Angriff auf Neehri war zu einer ernsthaften Bedrohung beiderseits geworden. Während den Kentauren drohte, in den Flammen unterzugehen, hatten die Erdkriecher den tödlichen Pfeilen auszuweichen. Die Pferdemänner waren erstaunliche Bogenschützen, das musste man ihnen lassen.

Immer wieder musste Srùna waghalsige Flugmanöver durchführen, musste sich durch die Luft schrauben und ihre Schwingen unter Beweis stellen.

Ein Pfeil streifte ihre Schulter und ließ dort eine entzweigebrochene Schuppe zurück, glücklicherweise aber wurde die verletzliche Haut darunter nicht getroffen.

Mit einer Drehung wich Srùna einem weiteren Pfeil aus und stieß endlich durch die Rauchbarriere.

Luft.

Ihre Lungen füllten sich mit reinem Sauerstoff, ihr Herz pumpte kräftig und schnell und eine leichte Brise griff ihr unter die Schwingen, während Srùna auf dem Wind glitt wie auf einer Welle.

Ihre Gedanken wurden wieder klar und es schien ihr, als würde die Luft ihre Angst zumindest teilweise nehmen.

Langsam ließ sie sich auf den Boden sinken. Weitere ihrer Kämpfer landeten, schnaubten und ihr Knurren brachte die Luft zum Zittern.

Es schmerzte der Sonnendrachin, ihre Soldaten so angeschlagen zu sehen.

Blutüberströmt, verzweifelt, müde.

Diese unendlich große Müdigkeit war es, die ihr so zu schaffen machte.

Srùna atmete ein paar Mal noch ein, froh über das klare Frisch, ehe sie sagte: „Ich ahne, wie es euch geht. Mir geht es ähnlich."

Ihr Blick schweifte einmal durch die Runde, sah ihren Drachen in die Augen.

„Aber ihr dürft nicht vergessen, wofür wir das hier machen. Was die Belohnung sein wird. Stellt euch vor, einst würden wir unsere alten Gebiete zurückerhalten, würden über Steppen wachen und endlich wieder Wind spüren. Würden an tosenden Flüssen Fische fangen und Regen auf unseren Schuppen spüren. Das alles ist es wert, jetzt hier zu stehen."

Sie entdeckte das kleine Bisschen Hoffnung, das langsam die Mienen der Drachen erhellte.

Als Clananführerin wusste Srùna, was es hieß, ermunternde Worte zu hören. Zu denken, dass alles gut werden würde und das Handeln einen Zweck hatte. Dass es jemanden gab, der die Führung und auch die Konsequenzen auf sich nimmt. Dass Entscheidungen nicht alleine getroffen wurden.

Also fuhr sie fort: „Die Kentauren haben die Eisdrachen und Elfen als Verstärkung. Wir haben unsere Brüder und Schwestern, die Kämpfer der Horndrachenzirkel und der Wasserdrachenclans. Haltet euch im Rauch, versucht so gut wie möglich für die Kentauren da unten unsichtbar zu bleiben. Bleibt immer zu zweit, falls ein Eisdrache auf die Idee kommen sollte, euch anzugreifen.

Und vergesst niemals, weshalb ihr gerade hier seid."

In den Gesichtern der Erdkriecher leuchtete nun wieder der eiserne Wille, der für die Sonnendrachen so typisch war.

Stolz betrachtete sie die Krieger, während diese nacheinander, nun wieder gestärkt, abhoben.

Srùna verdrängte den Gedanken, dass dieses Abheben für einige der Drachen das letzte Abheben sein könnte.

Sie hoffte einfach, dass es nicht so sein würde.


Breath Of Death - Silbernes LodernWhere stories live. Discover now