LVII

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Draecon trieb Lōd immer weiter an. Die Angst, dass dem Silbernen etwas geschehen könnte, nahm von ihm Besitz.

Ein Schleier lag vor seinen Augen, nur undeutlich erkannte der Elf die Umgebung. Aber das war egal. Das war nicht das, was jetzt zählte.

Das Blut rauschte in seinen Ohren und seine Muskeln zitterten. Immer und immer wieder drückte der Assassine seine Waden in Lōds Flanken, in der Hoffnung, den Hengst irgendwie anzutreiben.

Aber selbst als das seidig-schwarze Fell unter ihm schweißnass war und Lōds Atem angestrengt rasselte, war Draecon die Geschwindigkeit noch immer nicht hoch genug.

Dort in der Ferne brannte Neehri und das kalte Gefühl, das, ausgehend von Draecons Messer, seinen gesamten Körper erkaltete, war die Bestätigung auf seine größte Angst.

Der Silberne steckte in Schwierigkeiten. Und er war als Assassine nicht an seiner Seite.

Wut und Verzweiflung sammelten sich in ihm zu einem lauten Schrei zusammen. Er konnte nur hoffen, dass es nicht schon zu spät war.

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Die Flammende knurrte und augenblicklich nahm die Grüne Kampfhaltung ein. Der Silberne verstummte, nachdem die Rote seine letzten Worte übertönt hatte. Dabei hätte die Grüne zu gerne erfahren, was der Silberne zu sagen hatte.

Seine Worte hatte sie nicht ganz verstanden. Sie wusste nicht, was er damit meinte.

Sie kannte ihre Schwester. Sie war zu mächtig, um sich von einfachen Zaubern einhüllen und einnehmen zu lassen. Und doch musste es etwas geben, das sie für sich gewonnen hatte. Das die Neugier der Drachenkaiserin erweckt hatte.

„Wollt ihr euch wirklich mit mir anlegen?", fragte die Rote. Wahn schimmerte in ihren Augen. Ihre Schuppen leuchteten blutrot. Ihre Zähne weiß.

„Sag mir, was du willst", stieß der Silberne hervor. Seine sturmgrauen Augen blitzten.

„Dich töten", hauchte die Flammende und gab somit das Startsignal für den Goldenen und die Blaue.

Der Jüngling ließ für den Bruchteil einer Sekunde ein triumphierendes Lächeln hindurchscheinen, ehe er sich nach vorne stürzte.

Die Blaue folgte ihm, das Gesicht emotionslos zwar, aber die Augen zeigten ihren inneren Schmerz auf.

Allerdings hatte die Grüne nicht genügend Zeit, ihre jüngste Schwester zu mustern. Zu schnell war der Goldene bei ihr und schlug mit den Klauen nach ihr.

Sie wich aus, keine Sekunde zu spät.

„Goldener!", schrie sie verzweifelt, „Sieh doch endlich ein, dass du auf der falschen Seite stehst!"

Der Jüngling lachte auf. „Es gibt keine falsche Seite. Es gibt nur Gewinner und Verlierer."

Ein kurzer Blick zu dem Silbernen zeigte der Grünen, dass auch er das Reden aufgegeben hatte.

Tapfer behauptete er sich vor der Flammenden und der Blauen.

Sie waren gekommen, um zu töten. Sie waren gekommen, um das Schicksal von Nyrathur zu ändern. Und sie würden verdammt nochmal nicht scheitern!

Ein wütendes Brüllen drang aus ihrer Kehle und die Grüne wechselte zur Offensive. Blind vor Zorn schlug sie um sich. Nutzte alles, was ihr Körper ihr zu bieten hatte.

Sie ließ ihren Schwanz um sich kreisen, schlug mit ihren Pranken und das Feuer tanzte um sie herum. Doch der Goldene hatte sich seit ihrem letzten Treffen verändert. Er war besser geworden.

Geschickt wich er ihren Angriffen aus, ohne auch nur einen Treffer zu kassieren. Sein spöttischer Gesichtsausdruck stachelte die Grüne nur noch mehr an.

„Das wird also aus den Himmelsschlangen und ehemaligen Drachenkaisern, wenn sie ihr Amt verlieren? Wie gut nur, dass mich ein derartiges Schicksal nie ereilen wird", lachte er auf und unterlief einen Schlag der Grünen. Seine Krallen strichen das Schuppenkleid der Drachin und hinterließen dort eine Furche, die aber nicht ganz den dichten Panzer durchdrungen hatte.

Statt eine neue Attacke zu starten, die womöglich nicht viel mehr gebracht hätte als die bisherigen, wich die Grüne zurück und umkreiste ihren Bruder.

„Nein", stieß sie schweratmend hervor und ein standhaftes Lächeln zupfte an ihren Lefzen, „das wird dir allerdings nie passieren. Tiefer als jetzt kannst du nämlich gar nicht mehr sinken."

Anstatt zu brüllen oder auf die Drachin loszugehen, quittierte der Jüngling ihre Worte nur mit einem kleinen Auflachen.

„Zeig mir, was du kannst", forderte er sie dann heraus und beugte sich nach vorne. Seine Haltung war perfekt: seine aus dem Kopf sprießenden Hörner und der kleine Schuppenpanzer dazwischen schützten genau die kleine Stelle hinter dem Kopf, an dem die Schuppen in den Hals übergingen.

Seine starke Brust hatte der Goldene stolz herausgereckt.

„Zeig mir, dass dein Leben in Vergessenheit nicht deinen Sinn fürs Kämpfen beeinträchtigt hat."

Und wieder fiel die Grüne auf ihn herein. Dieses Mal aber konzentrierte sie sich nicht darauf, irgendwie das Schuppenkleid zu durchbrechen, sondern nahm sich die schwächer geschützten Stellen seines Körpers vor.

Sie schlug mit ihren krallenbewehrten Klauen nach dem Gesicht des Goldenen. Noch während dieser sich wegdrehte und ihre Pranken statt Schuppen Luft zerfetzten, drehte die Grüne ihren Hals, um mit ihrem Maul nach dem Gelenk der Schwingen zu schnappen.

Doch auch das hatte der Goldene vorhergesehen: elegant drehte er sich weg, konnte aber nicht ganz den tödlichen Zähnen seiner Schwester ausweichen.

Mit einem Geräusch von reißendem Papier riss ihr Gebiss einen langen Striemen durch die fast gefühllosen Flügel.

Der Jüngling schrie auf und die Grüne schöpfte Hoffnung: ihr Bruder war nicht ganz unantastbar. Wenn sie nur schnell genug handelte und mehrere Angriffe in wenigen Herzschlägen vollführte, musste er zwingenderweise einige Treffer einstecken.

Ein zufriedenes Grinsen legte sich auf ihr Gesicht, als die beiden Drachen wieder Abstand voneinander nahmen.

„Vergiss nicht, dass ich einmal Drachenkaiserin war", sagte die Grüne. Ihr Herz schlug wild und das Adrenalin rauschte ihr durch den Körper. Es tat so gut, das klaffende Loch in dem Flügel ihres Bruders zu sehen.

So gut, endlich mal wieder zu kämpfen und einen ebenbürtigen Gegner zu haben. Nicht diese einfachden Erdkriecher, die ihr ihr Gebiet haben strittig machen wollen.

„Nein, das tue ich definitiv nicht", erwiderte der Goldene trocken, „Die Geschichte, wie ich eine ehemalige Weltenführerin umbrachte, soll schließlich ganz nach meinem Geschmack sein."

Und mit den Worten ging er endlich auf sie los.


Breath Of Death - Silbernes LodernWhere stories live. Discover now