LIV

26 2 6
                                    

Der Silberne drehte ab und die Grüne tat es ihm gleich. Sie wichen zur Seite und gaben den Eisdrachen den Weg frei zu den drei Zirkeln der anderen Erdkriecher, die im halsbrecherischen Tempo auf Neehri zukamen.

Der Silberne blendete das aggressive Knurren aus, vermied den Gedanken, dass die Eisdrachen den ersten Ansturm wohl nicht halten und schon gar nicht überleben würden.

Aber sie waren vorbereitet, ermahnte er sich. Es würde nicht viel bringen, ihnen aber dennoch Zeit schenken.

Wertvolle Zeit.

Zeit, die sie auf jeden Fall brauchen würden.

Die Himmelsschlange riss sich zusammen. Der Silberne hatte nichts mehr zu fürchten. Seine Assassinen, Draecon, waren in Sicherheit. Seine Schulen würden fortbestehen, egal was passieren würde.

Und alle, die jetzt noch hier an seiner Seite standen, hatten es freiwillig so gewollt und würden mit in die Geschichte eingehen.

Der Wind blieb aus. Nur seine großen Schwingen trugen ihn. Trugen ihn zu ihr, der Schwester, die ihn verstoßen hatte. Und deren Leben er zu beenden hatte.

Die Grüne in seinem Rücken bot ihm die nötige Kraft, die er brauchte, als sich in der Ferne die Gestalt der Flammenden abzeichnete.

Dem Ältesten entrang ein Knurren. Er erweckte das Feuer in sich zum Leben und beruhigte seine Atmung, während seine Flammen immer höher wanderten und an seinem Rachen leckten.

Seine Krallen blitzten im Sonnenlicht, als er der Roten immer näher kam und sein Wunsch so heftig wie noch nie auflebte, seine Krallen endlich in ihren verdammten, rotgeschuppten Hals zu graben.

-

Srùna hielt nicht inne. Fürchtete zu sehr, was geschehen würde, wenn sie nicht weiter auf Neehri zuhielt.

Es war ein klarer Befehl der Flammenden gewesen, die Kentaurenstadt brennen zu lassen. Und keine Gnade walten zu lassen. Was also würde passieren, wenn Srùna nachgab und ihre Pläne aufgrund der Eisdrachen änderte?

Auch Yuivi und Ethnos ließen sich von den Eisdrachen nicht beirren.

Es zerriss Srùna das Herz, gegen ihre einstigen Verbündeten zu handeln.

Mit den Eisdrachen hatte das Volk der Sonnendrachen früher oft Handel abgeschlossen. Das waren Zeiten, zu denen Srùna noch keine Anführerin gewesen und Nyrathur eine Welt voll Friede war. Zu denen nur die Assassinen das größte Unglück hätten sein können und es wenig Widerstände gegeben hatte.

Bei dem Gedanken an das Leben als junge Drachin lächelte sie. Was würde sie geben, um eine solche Zeit noch einmal erleben zu dürfen.

Jetzt aber trat sie ihren einstigen Verbündeten als Feind entgegen.

Der Zirkel der Eisdrachen schien diese Zeit ebenfalls hinter sich zu haben, denn er stürzte sich auf ihre Drachen, die den jedoch Angriff nicht erwiderten, sondern sich höchstens verteidigten.

Neehri kam näher und Srùna öffnete ihren Schlund. Sie war bereit. Hatte sich damit abgefunden, das Schicksal einer weiteren Stadt auf sich zu nehmen. Eine weitere Stadt in Brand zu setzen.

Sie konnte nicht den Helden spielen. Und sie würde es auch nie können.

Sie war ein Erdkriecher, eine naive Sonnendrachin, deren Handeln rein gar nichts bewirkte. Sie mochte die Illusion haben, irgendwie die Möglichkeit zu haben, Nyrathur zu retten, aber das Einzige, was sie zu tun vermochte, war, ihren Zirkel unbeschadet dem Zorn der Roten entkommen zu lassen.

Mit dem Schrei, der diese Erkenntnis in ihr auslöste, ließ sie ihrem Feuer freien Lauf. Ließ sich gehen, von ihren Instinkten führen. Ihrem Wunsch nach Morden, ihrem Blutdurst.

Das Brüllen der anderen Erdkriecher hallte von überall her, aber schon bald veränderten sich ihre Stimmen. Sie waren nicht länger verzweifelt, wütend oder resigniert, sondern erfüllt voller Schmerz.

Srùna fuhr augenblicklich herum. Die Gedanken ihrer Krieger waren ihre eigenen. Ihre Wut war dieselbe, die Srùna spürte. Und ihre Schmerzen zerrissen Srùnas Herz.

Die Kentauren hatten sich vorbereitet. Hatten Öle auf den steinernen Dächern der hochwertigeren Häuser verteilt, damit die Flammen hochschossen und an ihren eigenen Erzeugern leckten.

Und da war das Wasser.

Überall.

Die Pferdemänner hatten ihre Gassen in Wasser gelegt, hatten die umliegenden Felder und Weiden überflutet.

Häuser aus Holz oder mit Strohdach hatten sie unter einer dicken Schicht aus Erde vergraben.

Srùna schrie auf, als eine nach Öl stinkende, qualmende Flamme an ihren Schuppen entlangstrich.

Und überall waren Kentauren. Liefen durch die matschigen, unter Wasser stehenden Gassen, liefen aus den Häusern und rückten aus den umliegenden, überschwemmten Steppen an.

Schwarzer Rauch hing in der Luft, stieg so hoch nach oben, dass er die Sicht der Drachen einschränkte, durch den fehlenden Wind aber nicht hinfort geweht wurde.

Dazu die Angriffe der Eisdrachen.

Srùna war egal, was es für Konsequenzen geben würde.

Sie drehte ab und suchte nach ihren Kämpfern, um sich mit ihnen zurückzuziehen, als Pfeile mit eisernen Spitzen heraufschossen.

-

Draecon zügelte Lod.

Schwarzer Rauch stieg in der Ferne auf, hing über der Stadt wie ein Schleier des Todes.

Der Assassine kniff die Augen zusammen.

Die lodernden Flammen stiegen hoch in den Himmel, verbrannten die Luft und alles andere mit ihr. Selbst hier, so weit entfernt, dass der Elf nur den Qualm und die Flammen sehen konnte, roch er den Geruch verbrennender Haut.

Draecon unterdrückte ein Würgen. Als Assassine hatte er schon so einiges erlebt, aber mit diesem Geruch würde er sich nie anfreunden können.

Er wollte gerade weiterreiten, als er realisierte, welche große Stadt das war.

Augenblicklich spornte Draecon Lod an und trieb ihn vorwärts. Nur selten in der Geschichte hatte jemals eine Kentaurenstadt gebrannt. Die Pferdemänner gaben zwar wenig Acht auf Regeln oder Gesetze, aber durch das trockene Klima waren sie in Sachen Bränden sehr vorsichtig und hatten überall zu jeder Zeit Wassereimer stehen, um aufkommende Feuer zu löschen.

Wenn aber eine große Stadt wie Neehri lichterloh brannte, dann musste irgendetwas vorgefallen sein. Und bei der plötzlich aufkommenden Angst schien es Draecon sehr wahrscheinlich, dass es etwas mit den Himmelsschlangen zu tun hatte.


Breath Of Death - Silbernes LodernWhere stories live. Discover now