XXVIII

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Der Purpurne lächelte den Elfen warm an. Soeben hatte dieser ihm eine lange Ballade über ein Mädchen gespielt, das ihren Liebsten nie wiederfand, nachdem dieser sie verlassen hatte.

Das traurige Gefühl, das dadurch auf den Friedlichen eingestürzt war, hielt noch immer an. Noch immer hatte er eine Gänsehaut und Tränen in den Augen. Er nickte dem Elfen zu. „Das war sehr schön. Woher kennst du diese Ballade?", fragte er und rief sich den Klang des Refrains noch ein letztes Mal zurück ins Gedächtnis.

„Und er verstand mich nicht,

akzeptierte mich nicht,

mein Leiden war ihm egal.

Doch jetzt sage ich bleib fern von mir,

auf deine Spielchen fall' ich nicht mehr rein.

Ich weinte einsam hinter ihm her,

jede einzelne Träne bereue ich,

denn jetzt sage ich bleib fern von mir,

auf deine Spielchen fall ich nicht mehr rein.

So wahr ich dazu in Stande bin,

so helfe ich in solchen Lagen,

Verrat ist etwas tief Treffendes,

doch mit mir lernt ihr zu sagen:

Lass mich alleine, bleib fern von mir,

auf deine Spielchen fall ich nicht mehr rein."

Der Elf strich noch einmal über seine Harfe. „In meiner Kindheit fand ich eine große Liebe, der ein solchen Unheil widerfahren ist. Das Lied ist wie Medizin für sie."

Die Stimme des Musikers zitterte stetig und die langen Pausen zwischen seinen Wörtern ließen nichts ahnen wie wunderbar er sang.

Deshalb liebte der Purpurne Musik. Sie war das wahre Leben. Das Spiel von Klang und Melodie, von Tempo und Rythmus war stets verschieden aber doch immer gleich. Jeder liebte die Musik, egal ob Ballade, ein Lied aus der Kneipe zum Feiern oder ein seltsam traurig-fröhliches Stück, in dem man seine Gefühle preisgab.

Der Drache erhob sich. In seiner Elfengestalt fühlte sich alles unfassbar vertraut an, während er als Drache immer das Gefühl hatte, alles rings um ihn dank seiner massiven Größe zu zerstören.

Er reiste nur in seiner wirklichen Gestalt, wenn es um die Treffen mit seinen unmusikalischen Geschwistern ging. Er schnaubte, als er an die übrigen Himmelsschlangen dachte.

Seitdem die Flammende Drachenkaiserin geworden war, erwog der Purpurne, diesen Titel zu erhalten. Die Angriffe auf Nyrathur waren Grund genug, dass die rote Drachin ungeeignet für diesen Posten war. Sie war zu temperamentvoll, ihre Gedanken zu launisch. Und sie hatte zu viel Macht. Sie konnte alles umsetzen, was ihr für teuflische Ideen in den Sinn kamen und niemand konnte sie aufhalten.

Der Friedliche hatte lange überlegt, wie er wieder ein ruhiges Zeitalter einläuten konnte. Er selbst als Drachenkaiser war undenkbar, er war viel zu viel unter dem Volk von Nyrathur und war ihnen viel zu verbunden.

Der Goldene war definitiv auch keine Lösung, er war vielleicht sogar noch schlimmer als die Flammende. Zudem schienen die beiden sich gegenseitig über alles auszutauschen und sollte die Rote stürzen, dann würde sie alles daran tun, ihren jüngsten Bruder auf den Thron zu setzen.

Dennoch musste der Purpurne wenigstens versuchen, der Blauen zur Drachenkaiserin zu helfen. Scheitern konnte er noch immer, aber wenn er es gar nicht versuchte, dann würde auch die Musik, die Nyrathur seit Jahrtausenden begleitete, mit seinen Bewohnern untergehen.

———

Draecon starrte noch immer auf Cadania. Er zögerte, auch nur einen Schritt auf die Stadt zuzugehen. Es war nicht die Angst, die ihn davor abhielt, sondern... ja, was war es?

Er fürchtete es nicht, womöglich Aufsehen zu erregen. All jene, die ihn sehen würden, würde er eigenhändig umbringen, noch bevor sie auch nur ein Wort über ihn verlieren konnten. Allerdings wollte er trotzdem nicht in diese Stadt. Er wollte nicht unter all die glücklichen Kentauren und Kobolde, es war einfach falsch.

Der Assassine seufzte. Was war nur mit ihm los? Noch nie hatte er eine Mission in Frage gestellt, also sollte er sich doch zusammenreißen! Der Silberne hatte ihn damit beauftragt, seinen Angreifer zu töten und um das zu vollbringen, musste er Freya besuchen. Sie lebte doch auch schon seit Jahrzehnten in Cadania und war noch nicht aufgeflogen.

Der Elf überlegte. Eine so große Stadt wie Cadania brauchte ein gutes Abwassersystem, andernfalls würde sie in dem Schmutz untergehen. Vielleicht wäre das eine Möglichkeit, in die Stadt zu gelangen.

Auch wenn es Draecon sehr zuwider war, begann er mit weiten Runden um Cadania. In einem miefigen Tunnel zu stecken war zwar unter seiner Würde, aber um seine Mission zu erfüllen, würde er alles tun.

Schon bald stieß er auf die ersten Gullideckel, die ein wenig abseits der Stadt in den Boden eingelassen waren. Normalerweise waren Kentauren nicht für ihre Sauberkeit berühmt und auch in solcher Nähe zum Meer könnte man darauf kommen, dass sie lieber die Flüsse zum Fortspülen von Dreck benutzten, aber hier lebten auch Kobolde. Kobolde waren bekannt für ihre weiten unterirdischen Systeme und anders als die Zwerge waren sie nur allzu bereit, ihre Fähigkeiten für einen guten Lohn zu verkaufen.

Auch wenn es Draecon behagte, hiefte er sich seinen Rucksack auf den Rücken und öffnete die kleine Luke zu den Abwasserkanälen.

Ein übelkeitserregender Gestank schlug ihm entgegen, es roch nach Fäkalien und Müll.

Der Assassine band sich ein Tuch vor Mund und Nase, um den Gestank wenigstens ansatzweise zu halten, ehe er sich bückte und die rostige Leiter nach unten stieg.

Irgendwo in der Ferne hörte er ein stetiges Tropfen und das Licht von ewig brennenden Fackeln erhellte die Gänge.

Das Wasser war brackig und dunkel, aber an den Seiten wurden einst schmale Gehsteige angelegt. Nach einigen Schritten jedoch wichen sie zur Wand und machten dann die komplette Breite des Tunnels frei für das Wasser.

Draecon stöhnte. Er wusste nicht wie lange es dauern würde, bis ein Kobold ihn hier finden würde. Auch wenn es ihm zutiefst widerstrebte, musste er auf einen Mitarbeitenden warten, der ihn in seinem Boot mitnehmen konnte.

Der Assassine lehnte sich an die Wand und schloss die Augen. Er hatte Zeit und somit keinen Grund zur Eile.

Breath Of Death - Silbernes LodernWhere stories live. Discover now