IV ✔️

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Der silberne Torbogen, der Draecon und Garwhen aus dem Schwarz führte, verschwand hinter ihren Rücken.

Und mit ihm verschwand das leise Summen der Magie, die noch immer in der Luft lag.

Der Silberne hatte mithilfe seiner Macht ein Tor geöffnet, das es den beiden Elfen ermöglicht hatte, eine Distanz von knapp 600 Meilen in wenigen Sekunden zu überwinden.

Der leuchtende, weiße Pfad inmitten der Dunkelheit war gefährlich – wich man von ihm ab, würde man ewig in dieser Zwischenwelt gefangen bleiben. 

Es gab nur Gerüchte über jenes Geschehen, denn jeder, der nur einen einzigen Fuß über den Wegrand setzte, würde nie wieder auf den Pfad zurückfinden. Doch angeblich Zuschauer solcher Fälle hatten davon berichtet.

Garwhen sagte nichts, hatte er sich bisher doch nur ein knappes Nicken zur Begrüßung abgerungen.

Der Elf mit diesen unnatürlich weißen Haaren saß reglos auf dem Kutschbock und hielt die Zügel seines braunen Hengstes. Der Duft nach Harz und frischen Holzspähnen schlug Draecon aus dem Karren entgegen, den das Pferd zog.

Garwhen war ein Händler. Ein offizieller Verkäufer, der im Auftrag des Silbernen Assassinen in Städte brachte. Gerade an den Tagen vor einer Widerständlerrede kamen oft über Hundert von ihnen zusammen, um ihre Waren an diesen Festtagen anzubieten.

Ein sanfter Windzug trug den Duft des Kentaurenlandes zu ihnen. Es roch nach Rauch, Gewürzen und Blütenstaub. Das kniehohe Gras wiegte sich in der Brise, die die Steppen auf immer begleiten würde.

Es raschelte am Boden, Hasen und Rehe waren hier keine Seltenheit. Die vereinzelten Bäume spendeten nur begrenzt Schatten, weshalb die Sonne die Grashalme gnadenlos niederbrannte.

Und doch hielten sie ihre Köpfe stolz erhoben, würden erst nachgeben, wenn ihre Triebe stark genug waren, um ihre Art weiterzutragen. Um das zu tun, was die Generationen vor ihnen getan hatten. Um zu überleben.

Dieser Landstreifen von der Westlichen See bis hin zu den angrenzenden Wäldern der Freien im Osten wäre ein schönes Land, ein beeindruckender Anblick der Natur gewesen, hätten hier nicht so viele Kentauren und somit auch Widerständler gelebt.

Mit einem Blick trieb Garwhen seinen Hengst weiter an.

Es galt, keine Zeit zu verschwenden.

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Die Böe trug aus weiter Ferne ein Volkslied an Draecons Ohren. Seine Augen suchten den Horizont ab und er verharrte, als Neehri in sein Blickfeld rückte.

Auch auf diese Entfernung konnte der Elf sich vorstellen, wie die Stadt aussah. Und das trotz der vielen Jahre, die seit seinem letzten Besuch hier vergangen waren.

Die Städte der Pferdemänner waren für alles bekannt, nur nicht für ihre Baukunst. In simpler Schlichtheit lehnten sich die Häuser aneinander, erschöpft von den Winden, die hier ihren eigenen Namen trugen. Die steinernen Wände, getragen von alten Eichenbalken, standen schief und waren teilweise mit grün- oder rotgefärbtem Lehm verziert – die typischen Farben für das Pferdevolk.

Einfache Strohdächer spendeten Schatten in den engen, sonnenbeschienenen Gassen der Stadt und trugen teilweise aus Schutz vor Feuer getrockneten Schlamm. Für den Notfall allerdings standen an jeder Ecke Brunnen und Eimer, die Brände sofort aufhalten würden.

Draecon erinnerte sich an jenes letzte Mal, als er den Befehl bekommen hatte, ein ganzes Dorf nahe der Küste in Brand zu setzen.

Die besagte Siedlung hatte nahe am Neehri-Vulkan gelegen und so hatte es von außen geschienen, als wäre der feuerspuckende Berg Grund für die Katastrophe gewesen.

In Wahrheit allerdings hatten die Himmelsschlangen das alles geplant und ihre Assassinen so postiert, dass kein Kentaur die Kunde des Brandstiftens verbreiten konnte. Niemand hatte dieses Dorf lebend verlassen.

Wenn Draecon über die Kentauren sprach, tropfte Gift von seiner Zunge und seine Wörter waren durchdrungen von Hass.

Es hieß, dass vor langer Zeit ein Reitervolk der Elfen seine Pferde mehr als alles Gold auf dieser Welt geliebt hätte. Diese Bindung zwischen Reiter und Tier sei stark gewesen, bald schon hätten die Elfen ihre Pferde jedem anderen Kontakt vorgezogen. Mit der Zeit seien ihre Beine dann mit den Rücken ihrer Pferde verschmolzen, zwei Geister hätten sich zu einem einzigen zusammengetan.

Seit jeher war das Pferdevolk nun berühmt für seine Stärke im Kampf und der gleichzeitigen Leichtigkeit, die sein Leben beherrschte. Kentauren brauchten nicht viel, wenn ihre Freunde bei ihnen waren. In ihrer gemeinsamen Stärke lag die Kraft und egal wie verfeindet sie mit anderen Völkern waren, so begrüßten sie sie abends doch immer mit einem Bier in ihren Kneipen.

Der Assassine war bisher keinem einzigen Pferdemann begegnet, der die Drachen schätzte. Sie alle waren Widerständler, unterschieden sich nur in ihrem Auflehnen. Die meisten aber waren dumm genug, sich öffentlich gegen die Himmelsschlangen zu stellen.

„Es ist gleich an der Zeit", brummte Garwhen. Es war das erste Mal, dass er etwas sagte. Seine Stimme war tief, gedämmt.

Draecon folgte dem Blick des alten Händlers. Eine lange Schlange von Händlern und ihren Karren reihte sich vor dem Wall der Stadt auf. Trinklieder drangen, getragen vom Wind, an ihre Ohren.

Der Assassine nickte. Es war alles durchgeplant.

Er zog sich von seinem Platz neben Garwhen auf den Wagen hinter ihnen. Der starke Geruch nach Holz schlug ihm entgegen, als er sich in dem rumpelnden Gefährt niederließ.

Die Wachen der Kentauren würden die Karren durchsuchen, aber wenn ein Assassine in eine Stadt dringen wollte, würden keine Wachposten dafür ausgebildet sein.

In dem hölzernen Boden war eine Luke eingearbeitet, so gut getarnt, dass selbst Draecon sie nicht bemerkt hätte. Ihre Form war dem Verlauf der hölzernen Planken angepasst und war demnach fast unsichtbar.

Als Draecon den Deckel anhob, der in etwa so lang war wie er groß, drang kein unheilvolles Quietschen zu ihm. Gut geölt waren die Scharniere also auch noch - wichtig für sein Verschwinden später in Neehri.

Es war dunkel und stickig in dem engen Raum unter dem Boden des Wagens. Er war gerade so tief, dass sich der Assassine flach auf den Rücken legen konnte.

Der Assassine griff nach seinem Bogen, der Waffe, die Appalusius' Leben beenden würde. Das Holz war aus dem wertvollen Holz einer alten Eibe geschnitzt, die Sehne aus festem und gleichzeitig flexiblem Band gefertigt.

Mit einem leisen Einrasten schloss Draecon die Luke und befand sich in vollkommener Dunkelheit. Ein kleiner Schlitz neben seinem Kopf ermöglichte ihm das Atmen.

Der Boden war uneben. Holpernd und ruckend fuhr der Wagen über die Steppen des Kentaurenlandes.

Bald schon wurden Stimmen lauter. Sprachen aus den verschiedensten Teilen dieser Welt drangen durch das Holz zu Draecon. Er beherrschte sie alle.

Mit einem Mal kam der Karren zum Stillstand und ein Ruck lief durch ihn. Der Kopf des Assassinen schlug gegen das Holz. Langsam tastete sich warme Flüssigkeit über seine Schläfe.

Aber der Elf wusste, dass der Ursprung nur eine kleine Wunde sein würde. Wusste, dass er seinen Arm nicht heben und das Blut fortwischen könnte. Wusste, dass er womöglich für einige Stunden hier eingesperrt sein könnte.

Die Schlange der Händler war lang, aber nichts würde ihn daran hindern, den Befehlen seines Gebieters nachzukommen.

Er war der Schrecken dieser Welt.

Er war Draecon.

Er würde den Tod bis zu den Widerständlern tragen, würde mit dem Messer auf all jene deuten, die sich dem Silbernen widersetzen wollten.

Denn eben diese hatten nicht verstanden, dass man niemals eine Himmelsschlange oder deren Assassinen herausfordern sollte.

Breath Of Death - Silbernes LodernWhere stories live. Discover now