LIX

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Dröhnender Schmerz hatte sich hinter seiner linken Schläfe eingenistet. Seine Seite stach durch den doppelten Aufprall.

Als Draecon seine Augen öffnete, brauchte er einige Herzschläge, bis das verschwommene Bild endlich wieder an Schärfe zunahm.

Seine Arme waren hinter seinem Rücken verbunden, seine Beine aneinander.

Der Assassine riss an ihnen, hoffte inständig, dass es einfaches Seil oder ein Tau sein würde, aber eine Kette klirrte.

Verzweiflung machte sich in ihm breit.

Warum hatte Nox das getan? Er war Assassine, genau wie Draecon selbst. Hatte die Blaue ihm befohlen, Draecon als Druckmittel gegen den Silbernen zu fangen?

Und wie lange war er ohnmächtig gewesen? War der Kampf der Drachen womöglich schon vorüber?

Draecon hasste die Unwissenheit. Immer heftiger riss er an den Ketten, bis sie so laut klirrten, dass es ihm in den Ohren klingelte.

Pure Angst um den Silbernen und Hass auf Nox und die Blaue nahm von ihm Besitz. Wenn er diesen schwarzhaarigen Bastard nur noch einmal zu Gesicht bekommen würde, wäre der Dreckskerl tot.

Mehr als tot.

Auch der Himmel gab Draecon keine Anhaltspunkte zu der Uhrzeit. Noch immer stand der Qualm in der Luft als hätte er schon immer zu Neehri gehört. Selbst wenn er weg war: woher wollte Draecon wissen, dass er nicht mehrere Tage nicht bei sich selbst gewesen war?

Von einem normalen Schlag gegen die Schläfe war dies nicht möglich, aber was verleitete ihn zu der Annahme, dass Nox ihm nicht etwas von jenen Kräutern gegeben hatte, von denen er doch so verdammt viel Ahnung hatte?

Wenigstens spürte Draecon noch das Gewicht der Dolche an seinem Gürtel. Die hatte der Schneeprinz ihm also nicht abgenommen.

Nach zwei Versuchen gelang es dem Assassinen endlich auf die Beine zu kommen. Mit Schwung konnte er sich aufstellen und hatte wenigstens das Gefühl, dass er nicht allzu machtlos war.

Lod war fort.

Natürlich! Was hatte er gedacht?

Ihm blieb nichts weiter als die Hoffnung, dass er sich irgendwie selbst befreien konnte und noch pünktlich zum Retten des Silbernen eintreffen würde.

Doch seine Fesseln bereiteten ihm Schwierigkeiten. Nox hatte all das Wissen, das ihnen von den Himmelsschlangen mitgegeben worden war, in seiner Technik eingebaut.

Aber irgendwie würde Draecon das schaffen.

Nachdem der Elf ein paar Mal erfolglos mit den Ketten geklirrt hatte, unterbrach ihn eine Stimme.

„Ich sehe, du bist wieder bei dir."

Nox.

Knurrend hob Draecon den Kopf. Der Schneeprinz stand ein paar Schritte von ihm entfernt. Nah genug, um jede seiner Bewegungen zu verfolgen, weit genug weg, um vor Draecons angespanntem Körper keine Angst haben zu müssen.

„Ich kann dir alles erklären", fuhr der Elf fort und musterte den Gefesselten von oben bis unten.

Und Draecon wusste, dass der Schneeprinz ihm wirklich etwas Ernstes zu sagen hatte, weil seine Mundwinkel nicht wie sonst gehoben waren.

-

Die Flammende, der Goldene und die Blaue trieben den Ältesten und die Grüne immer näher zusammen. So weit, bis sich die Körper der beiden verstoßenen Himmelsschlange berührten.

Der Kontakt mit der Grünen gab dem Silbernen wenigstens etwas Hoffnung. Er war hier nicht allein. Und sollte das wirklich das Ende von allem sein, dann würde es jemanden geben, der mit ihm unterging oder der seine Geschichte weitertrug.

Sie beide hatten es mit dem Reden aufgegeben. Ihre Worte hatten keinerlei Wirkung gezeigt.

Bei dem Goldenen und der Roten hatte er das erwartet, aber wenigstens bei der Blauen hätte der Älteste eine Regung in ihrem eiskalten Gesicht erwartet.

Erkenntnis in ihren Augen, Schrecken in ihren Zügen, ein vor Schuldbewusstsein zusammengekniffener Mund.

Aber da war nichts gewesen.

„So lange die Geschichte der Himmelsschlangen nun schon wärt; in dieser Zeitspanne wurde noch nie jemand unserer Geschwister getötet", stellte die Flammende zu allem Überfluss fest. „Nur der Fakt, dass wir beim Verstoßen eines unserer Mitglieder das Verschwinden der Macht so überdeutlich fühlten, brachte uns zu der Annahme, einen Teil unserer Macht bei einem Tod auf immer zu verlieren."

Der Silberne erlaubte sich keine Regung. Die Rote wollte sie verunsichern, ihnen durch ihre Worte die volle Konzentration auf den Kampf nehmen und sie so schwächen. Die Himmelsschlange durfte die Worte ihrer Schwester nicht an sich heranlassen, andernfalls hieße das der sichere Tod.

„Ich bin noch hin- und hergerissen, ob ich euch wirklich töten sollte. Was würde passieren? Eure Macht auf mich überfließen, so wie bei anderen Lebewesen, die wir töten? Oder verschwindet ein Sechstel meiner Kraft und Magie?"

Der Goldene verzog seine Lefzen aufs Neue zu einem höhnischen Lächeln, jener Gesichtsausdruck, den der Silberne schon einmal zu oft gesehen hatte. Was würde er dafür tun, ihn dieses Grinsen ein für alle Mal aus dem Gesicht zu wischen!

„Ich denke, ich sollte das einfach ausprobieren", überlegte die Flammende laut und wieder begann der Kampf.

Dieses Mal widmete sich die Blaue der Grünen, während der Goldene und seine älteste Schwester den Silbernen aufsuchten. Vermutlich, weil seine Verbannung die frischere und seine Macht daher noch nicht so schwach wie die seiner Schwester geworden war.

Beide gingen gleichzeitig auf den Ältesten los. Der Silberne wich nicht zurück. Stellte sich den Angriffen seiner Geschwister.

Er war so konzentriert, irgendwie die Verteidigung seiner Geschwister zu durchbrechen, dass er den Blick der Blauen fast nicht bemerkt hätte.

Ihre saphirblauen Iriden leuchteten entschuldigend auf. All die Gefühle, die sie eben nicht zugelassen hatte, kamen in der Zeitspanne von Sekundenbruchteilen auf – so schnell, dass es dem Silbernen schwerfiel, sie alle zu erkennen.

Reue, Angst, Entschlossenheit.

Versprechen.

Hoffnung.

Mit einem Schlag seines kräftigen Schwanzes lenkte er die Rote und den Goldenen ab. Nur, um seinen Blick nicht von seiner blaugeschuppten Schwester nehmen zu müssen.

Auch die Grüne hatte den Blickkontakt der beiden gesehen und erkannt, was sie zu tun hatte.

Ihre mächtigen Pranken trafen die Blaue an der Seite. Schwarzes Drachenblut quoll augenblicklich aus der Wunde.

Sie war tief genug, um genug Blut herausdringen zu lassen, oberflächlich genug aber, um die Blaue nicht immens zu verletzen.

Ihr Lebenssaft floss über ihren Panzer, verteilte sich auf den blauen Schuppen und troff auf den Boden.

Bei ihrem leichten Brüllen hielten die Rote und der Goldene kurz inne. Ihre Blicke trafen sich, schlossen eine Entscheidung.

Knurrend entfernte sich der Jüngling von dem Kampf, um seiner Schwester zu Hilfe zu eilen.

In den Augen der Flammenden erkannte der Silberne puren Hass.

„Genug aufgewärmt, ja?", fragte er, der Macht der Worte nur allzu bewusst. Wenn er die Drachenkaiserin nur genug provozierte, würde sie, vom Zorn getrieben, endlich leichtsinniger kämpfen. Mehr Schwachstellen zeigen. Mehr Fehler begehen.

Sie wartete nicht, sondern sprang ohne Vorwarnung erneut auf ihn zu.


Breath Of Death - Silbernes LodernDonde viven las historias. Descúbrelo ahora