Kapitel 4

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Der Morgen war wie immer, ich bekam etwas von Caros Gift, die Schule war wie immer, ich machte gut mit, aber es machten sich manche über mich lustig, nur eine Sache war nicht wie immer.
Ich ging heute das erste Mal trainieren.
Mama finanzierte und unterschrieb mir voller Vergnügen schon ein Jahresvertrag, denn sie wollte natürlich fördern, dass ich endlich abnehme. So sagte sie es mir.
Ich hatte mich in dem Moment gefreut.

Aber nun stand ich hier vor der Tür und war mir unsicher.
Bestimmt würden da nur Leute herumlaufen, die super Bodys haben.
Und ich sah neben ihnen bestimmt schäbig aus.
Dennoch wagte ich den Schritt und trat ein.

Keiner beachtete mich zum Glück.
Auch während ich zum ersten Gerät ging um mich aufzuwärmen.

Denn gestern hatte ich mich noch über das Trainieren schlau gemacht und einige gute Workouts gefunden, die ich nun in Tat umsetzte.
Es war anstrengend. Ich schwitzte und war fix und fertig.
Es war sogar schlimmer als jede Sportstunde.

Ich wischte mir mit meinem Handtuch über meine Stirn und fing mit zitternden Beinen an, meine Sachen zu packen.

"Hey.", hörte ich von hinten.
Ich dachte, ich wäre nicht gemeint, drehte mich dennoch um, falls dies doch der Fall sei.
Und der war es tatsächlich.
Und ich war wirklich sprachlos.

Ein großer, gut gebauter Typ lächelte mich gerade an und hat mich angesprochen.

Mich.

"Ähm du kommst mir bekannt vor.", sagte er dann.

"Echt?", fragte ich, konnte seinem Blick aber nicht standhalten.

"Ja. Ich hab dich mal mit einem Mädchen namens Caro gesehen. Ist das deine Freundin?"

Ah. Das wolltest du also.
Nicht meine Aufmerksamkeit, sondern Caros Nummer.
Jetzt machte ich mich über mich selbst lustig.
Warum sollte so ein gut aussehender Junge auch mit mir reden wollen?

"Ich wollte fragen ob du vielleicht ihre Nummer hast?"

"Ja. Und sie ist meine Schwester."

"Deine Schwester!", sagte er begeistert. "Ihr seht euch aber gar nicht ähnlich."

Ja, ich weiß, sie ist die Schöne, ich das Biest.
Ich gab ihm ihre Nummer und ging so schnell es geht weg.
Dieser Typ hat mir doch den Tag verdorben.
Wo ich gerade so glücklich- vor allen Dingen auch stolz auf mich war!
Nein. Ich denke an die Kalorien die verschwinden und an den schönen Körper den ich bald bekomme.
Und dann wird mich ein Typ auch nach meiner Nummer fragen. 

Ich fühle mich geehrt, wie gerade auch.
Und ich fühle mich schön.

Aber dies war noch nicht der Fall.
Endlich kam ich zu Hause an und ich wollte nichts mehr als unter die Dusche.

"Aha du warst trainieren.", sagte Caro sobald sie mir die Türe öffnete.
Ich ging an ihr vorbei, sie eilte mir aber hinterher.

"Hat dir irgendein Typ die Nummer für mich gegeben?"

"Ich habe eine weiter gegeben."

"Oh sag mir bitte dass er wenigstens gut aussah!"

"Nein, war er nicht." Ich log. Ehrlich gesagt sah er fast so gut aus wie Jonas.
Aber nur fast.

Ich ging die Treppen hoch zum Badezimmer.

"Wie kannst du es wagen?! Das werde ich Mama sagen, und dann wirst du es bitter bereuen!"

Endlich war ich sie los.
Ich zog mich aus und betrachtete meinen nicht schönen Körper im Spiegel.
Du musst es noch etwas aushalten.
Bald wirst du schön werden.

Ich duschte mich und fühlte mich wie ein neuer Mensch.
Trainiert, geduscht, nur sehr hungrig.

Ich ging in die Küche und suchte nach etwas kalorienarmen, essbaren.
Gemüse, ganz viel Gemüse.

"Elena, ich hab auch gekocht. Du kannst ruhig etwas davon nehmen, sonst muss ich das wegschmeißen.", sagte Mama.

"Jaja, ich nehme gleich."

Sie musterte mich. "Seit dem du auf Diät bist, muss ich viel wegschmeißen."

Ouch. Oder nicht outsch? War es ein Kompliment?

Ich konnte mir darüber nicht den Kopf zerschlagen, weil ich mich jetzt auf's Essen konzentrieren musste. Mund auf, langsam kauen, runter schlucken und spüren, wie es mein Magen füllt. Dazu trank ich ganz viel Wasser um mein Magen zu füllen.

Würde das mein Lebensinhalt sein?
Werde ich ab jetzt immer die Kalorien zählen und verschwitzen?

Ja. Das werde ich.

*

Eine Woche verging.
Und das Ergebnis war super! Ich hatte zwei Kilos abgenommen!
Ich fand zwar, dass man dies im Spiegel nicht sehen konnte, aber als Test wollte ich etwas von Caros Kleidung borgen und anprobieren.

Ich zwang mich gerade in einer ihrer highwaisted, skinny Jeans, aber mehr als über meine Schienbeine passte sie mir nicht.
Ich zerrte und zog, aber irgendwann hatte ich die Befürchtung, die Hose würde reißen.

Und in dem Moment wurde die Türe meines Zimmers aufgerissen.
Was für ein Zufall- Caro kam rein.

"Glaubst du ich merke das nicht, wenn meine Lieblings Hose, die ich gerade frisch vom Trockner geholt habe, fehlt?" Sie lächelte mich amüsiert und boshaft an.
Ich konnte nichts erwidern, verspürte nur einen unendlichen Scham.
"Geh raus aus meinem Zimmer.", murmelte ich.
"Erst wenn ich meine Hose wieder bekomme." Sie beobachtete wie ich die Hose auszog. "Ob du diese Pferdebeine irgendwann bändigen kannst. Obwohl wem sage ich das?" Sie lachte künstlich und kam auf mich zu. "Egal wie viel du dich anstrengst, du bist und bleibst immer noch fett." Caro war schon immer gemein zu mir, und eigentlich musste ich mich daran gewöhnt haben, aber das was sie gerade gesagt hat, tat unendlich weh.
Sie entriss mir ihre Hose aus meiner Hand und ging würdevoll aus meinem Zimmer.
Ich stand da, und war immer noch etwas sprachlos, geschockt und zutiefst beschämt.
Sie traf immer genau da, wo es richtig weh tut.

Das Glücksgefühl und die Euphorie die ich verspürt hatte, waren mit einem Mal weg und ich traute mich an dem Tag nicht mehr aus meinem Zimmer.

Federleicht Where stories live. Discover now