Kapitel 68

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"Wie kannst du hier sein? Ich dachte ich darf kein Besuch empfangen!"
"Glaubst du ich lasse dich alleine, wenn eine Freundin von dir stirbt? Eigentlich wollte ich zu dieser Beerdigung kommen, aber das haben die nicht erlaubt."
"Jonas... Die Schwestern hassen mich wie hast du das geschafft?"
"Ja allerdings. Die können dich hier echt nicht leiden. Ich hab eben eine Schwester nach dir gefragt und die wollte gar nicht mit mir reden. Wie hältst du das nur aus?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Ich nehme so schnell es geht zu um hier rauszukommen."
Er schaute mich für einen Moment musternd an, dann nahm er mich ganz fest in die Arme.
"Du meinst es ernst, oder?"
"Ja, Jonas."
Er nahm mich so fest in die Arme, dass es irgendwann schon anfing wehzutun.
"Das freut mich. Wirklich. Prinzessin, wir können uns dann täglich sehen. Ich würde dich jeden Morgen zur Schule fahren. Und danach wieder abholen. Du glaubst gar nicht wie sehr du mir fehlst."
"Du mir auch. Ich gebe mein bestes."
"Also wie ich es geschafft habe hier reinzukommen? Ich habe erwähnt, dass mein Vater ein klasse Anwalt ist und dann war die Sache plötzlich geregelt."
"Wow. Dann wusstest du ja ganz genau was du sagen musst."
"Ich habe ein Kommunikationswissenschaften als Hauptfach. Das ist ganz hilfreich."
"Allerdings."
Dann schaute er mich ernst und etwas besorgt an.
"Elena wie geht es dir? Nach dem was alles passier ist."
Ich seufzte. "Keine Ahnung. Gefühlschaos. Ich bin... tief traurig, wenn ich alleine bin."
"Oh nein, sag mir sowas nicht. Gibt es denn hier gar keinen an den du dich wenden kannst?"
"Doch meine Therapeutin, aber auch nur höchstens eine Stunde am Tag. Es gibt viele andere Patienten, die auch mit ihr reden wollen."
"... und sonst niemanden?"
"Nein. Ich bin für den Tod an Amanda mitverantwortlich, finden alle."
"... Bitte was?! Das sagen die?"
Ich nickte nur und er fuhr sich gestresst durchs Haar.
"Elena, du musst wissen, dass es nicht stimmt. Du hast nichts damit zu tun. Und es war nicht einmal deine Idee hier auszubrechen."
"Ich weiß Jonas. Glaub mir ich frage mich jeden Tag aufs neue ob das meine Schuld ist und ich komme immer zu nein."
"Das ist gut. Aber... es ist bestimmt schrecklich hier zu sein, und sie ist.. weg."
"Ja.", sagte ich und seufzte. "Das ist das Schlimmste. Aber sie hat mir gesagt, dass ich zunehmen soll und ich mache das auch."
Jonas nahm meine Hand und streichelte sie kurz. Dann küsste er sie.
"Wenn das alles nicht passiert wäre, würdest du hier weiterhin abnehmen wollen und nicht realisieren, dass es gefährlich ist, was du tust, Schatz."
Das hörte sich hart an, aber es war die Wahrheit. "Ich weiß."
Dann küsste er meine Hand. "Es ist jetzt nicht schön hier zu sein. Hab aber immer im Hinterkopf, dass du hier bald rauskommst, okay? Du wirst deine Koffer packen, ich und deine Mutter und ich holen dich ab und dann kannst du zu Hause in deinem Zimmer sein, auf deinem Bett schlafen und musst keinen hier ertragen."

Ich nickte zustimmend. Das waren aufmunternde Worte.

"Allein für mein eigenes Bett würde es sich lohnen zuzunehmen." Wir lachten beide.
"Es gibt noch genügend andere Gründe, Schatz."

"Elena!", rief dann jemand. Es war Schwester Fiona. "Zeit zum Mittagessen."
"Möchtest du mitkommen?", fragte ich. "Oder gehst du lieber?"
"Nein ich bleibe. Ich komme nicht den ganzen Weg hierher und bekomme bestimmt keinen zweiten Termin, um hier nur zehn Minuten zu bleiben." Er küsste mich auf den Kopf. "So schnell wirst du mich nicht los."

Es gab Schwestern, und auch Patienten, die uns kritisch anschauten. Ein paar der Schwestern kamen auch zu uns und baten Jonas zu gehen, aber er regelte die Situation immer perfekt.
"Elena braucht mentale Unterstützung, die Ihre Einrichtung ganz offensichtlich nicht bietet." "Wir können das auch mit meinem Anwalt besprechen." "Ich motiviere meine Freundin zum Essen, haben Sie ein Problem damit?"

"Wow, jetzt verstehe ich was du meinst, dass die Schwestern dich nicht leiden können. Das ist die dritte die uns anspricht, obwohl die vorher miteinander geredet haben.", sagte Jonas.
"Und das jeden Tag aufs neue."
"Du musst hier schnellstmöglich raus, Schatz. Ich frag mich überhaupt wie du es hier aushältst." Wir setzten uns nun am Tisch und Jonas nahm meine Gabel um mich zu füttern.
"Möchtest du vielleicht die Klinik wechseln? Ich könnte mich dafür einsetzen."
"Nein, irgendwie nicht. Auch wenn ich hier keine Freunde habe, ich hab auch kein Interesse. Dann würde ich einen neuen Ernährungsplan geben. Und Sabrina, meine Therapeutin wäre nicht da. Und das Wichtigste- ich habe den Ruf des Problem Kinds, glaub mir alle Kliniken in der Umgebung haben davon gehört."
"Genug Gründe, dachte du willst hier um jeden Preis raus."
"Ja, aber im Normalgewicht."
"Mund auf Schatz.", sagte er lächelnd. "Ist dir mal aufgefallen, wie verdammt mutig du bist?"
"Mutig? Nein."
Er grinste mich an. "Nicht jedes Mädchen wäre in der Lage gewesen an deiner Tür zu klopfen und zu gestehen, dass man einen liebt."
"Ach das meinst du.", antwortete ich kichernd und dachte an diesen Moment, als wäre es erst gestern passiert.
"Diesen Moment werde ich nie vergessen. Wie du da standest, deine Nase und Augen vom Weinen gerötet, dass du noch viel hübscher warst. Du sahst so verletzlich aus und ich wollte dich um jeden Preis berühren. Bis du dann sagtest, du würdest mich lieben."
"Hast du das eigentlich erwartet?"
"Nein. Ehrlich nicht. Ich fand dich schon immer korrekt. Du warst immer sehr menschlich, wenn du dich zum Beispiel um die Insekten draußen gekümmert hast." Ich musste lachen. "Ja, Elena, das hast du! Und auch so, wenn ich bei euch zu Besuch war, warst du diejenige die sehr freundlich war und am meisten half, aber deine Mutter hat nur Beachtung deiner Schwester geschenkt."
"Ja Caro, stand früher immer im Mittelpunkt."
"Obwohl du die Besondere bist.", sagte er lächelnd. "Blaue Augen, Sommersprossen, dein roter Lockenkopf."
"Jonas du machst mich ganz verlegen!"
"Nein, das musst du wissen.", erwiderte er. "Als du dann vor meiner Tür standest, etwas schüchtern aber gleichzeitig auch mutig, was ich total bewundernswert fand, konnte ich nicht anders als dich zu lieben."
Ich schwieg da ich diesen Moment Revue passieren ließ. Was wäre wenn ich nie diesen Schritt gewagt hätte?
"Du bist was besonderes, Elena, vergiss das nicht. Deswegen steht dein Freund 'Sebastian' so auf dich."
"Jonas, er steht nicht auf mich."
Er lächelte mich kurz an, dann wurde er ernst.
"Elena, ich will dich ganz für mich haben, und wenn du mich seinetwegen verlassen solltest, würde es mir das Herz brechen."
"Das wird nie passieren. Ich liebe dich."
Er schaute mich an und lächelte dann ganz kurz. "Ich liebe dich auch, Prinzessin. Aber trotzdem werde ich jetzt die ganze Zeit, in der du hier bist, mir Sorgen machen... irgendwas könnte zwischen euch passieren. Nur ein geschlossener Raum, ein paar nette Worte und der Menschenverstand dreht durch."
Alarmstufe rot. Er beschrieb genau das, was fast passiert ist.
"Jonas, das wird nie vorkommen. Er ist ein guter Freund. Er war mal magersüchtig und hat es geschafft wieder normal zu sein. Und er ist mir wirklich eine Hilfe, da ich hier keinen anderen habe und da er mich emotional stärken kann."
"Er war mal magersüchtig?"
Ich nickte nur.
"Warum hast du das nicht von Anfang an gesagt? Ich dachte das wäre irgendein Typ aus unserer Stadt, von dem du mir nie erzählt hast. Ich dachte er würde seine Chancen bei dir versuchen, weil ich nicht mehr da bin."

"Nein, Jonas, wir kennen uns von der Zeit als ich hier neu eingetroffen bin. Er war der einzige der mit mir sprach und er war eigentlich ein guter Einfluss, weil er zunahm. Er hat mich sogar gebeten, mich von Amanda fernzuhalten um das alles vorzubeugen. Und jetzt ist er wieder da, weil er weiß ich habe keinen hier und weil er weiß, dass ich zunehmen möchte und er mir dabei hilft."
"Das wusste ich nicht.", sagte Jonas dann. "Ich dachte wie gesagt, es wäre nur irgend so ein... Dreckskerl."
"Nein, auf keinen Fall."
"Der opfert dann voll viel Zeit um hier regelmäßig zu erscheinen."
"Ja ich weiß. Und ich weiß das auch zu schätzen. Aber die Schwestern lassen ihn hier rein, weil sie ihn zum einen lieben, zum anderen weil er mir guttun würde. Dann würden die mich schneller loswerden."
"Ich hoffe er kann dir helfen."
"Ja, das tut er."
"Okay, dann wirst du nie mehr was von mir hören, was ihn betrifft."
"Also 'erlaubst' du mir, dass wir uns treffen."
"Genau, Schatz. Mund auf, jetzt kommt die nächste Portion Kartoffel."

Federleicht Where stories live. Discover now