Kapitel 6

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Es war immer das Gleiche.
Jeden Tag hatte ich eine neue Ausrede um Mamas Essen nicht zu essen. Mittlerweile packte ich es sorgfältig ein und brachte es einem Obdachlosen Mann, der immer in der Nähe der Poststation schlief. Jeden Tag lächelte er mich dankbar an, wenn ich ihm den Inhalt meiner ordentlich gefüllten Brotdose gab.
Ich kam auch gut mit meinem Sport voran. Zwar war meine Disziplin im Zusammenhang mit Sport immer sehr bescheiden gewesen, aber ich schaffte es tatsächlich alle zwei Tage ins Fitnessstudio zu gehen und dort am Laufrad und Laufband zu trainieren.
Und es sind mehrere Wochen vergangen, in denen ich all das durchmachte.
Sport treiben. Kalorien zählen. Wenig essen.
Brutal, aber ich zog es durch. Und es gab wirklich ein Unterschied.
Ich habe rasant abgenommen.
Von den 79 Kilo, die ich drauf hatte, bin ich zu 75 gekommen!

Nachdem ich duschte, ging ich an meinen Kleiderschrank und probierte meine Teile an.
Viele davon waren mir jetzt zu groß, also fragte ich Mama, ob ich Geld bekomme, für ein paar neue Kleidungsstücke.

Sie wirkte sehr skeptisch. "Brauchst du Hilfe beim Shoppen?"

"Nein.", sagte ich und wollte eigentlich etwas zickiges antworten. Was sollte das denn auch? Caro fragte sie sowas nie. Aber Caro wusste ja wie man sich kleidet. Ich nicht.

Jedenfalls ging ich mit einem guten Gefühl in die Stadt.
Ich fühlte mich schon viel leichter und lebendiger an.

Aber auf dem Weg zur Stadt, in Schaufenstern und Plakaten, waren viele Frauen auf großen Plakaten und Fotos abgebildet.
Es waren ausschließlich dünne, hübsche Frauen. Sie waren dünner als ich. Ihr Körper war einfach perfekt. Keine einzige Speckrolle. Keine Cellulite. Aber schöne Kurven, für jeden Mann ansprechend.
Ich zwang mich von dem Plakat wegzuschauen und erinnerte mich daran, dass ich abgenommen habe. Und es würde noch besser werden.
Beim Shoppen traute ich mich diesmal in angesagte Läden, nicht in nur in Läden, die keiner kannte, wo es Übergrößen für mich gab.
Ich ging zum ZARA und war mir unsicher, aber keiner beachtete mich.
Nervös schaute ich mich um, und traute mich auch ein paar Teile zur Umkleide Kabine zu bringen.
Wie zum Beispiel die High Waisted, skinny Jeans, die sehr schön war.
In der Umkleide zwickte es beim Anprobieren, obwohl dies die größte Größe war. Ich zog und zog, bis ich irgendwann in der Hose war. Doch ich fühlte mich nicht wohl darin. Sobald ich nur ein Schritt mache würde, würde sie reißen, ich ahnte es. Also zog ich sie lieber aus.
Doch sie gefiel mir gewaltig.
Erst recht, da der Schnitt etwas von meinem Bauch kaschierte.
Genau das was ich brauchte, bis ich etwas mehr abgenommen habe.
Ich ging zu einer Mitarbeiterin, die irgendwie genervt wirkte. Sie kaute laut und ungeduldig ihr Kaugummi und sortierte die Bügel hastig auf dem Ständer.

"Entschuldigen Sie, haben Sie diese Hose einer Nummer größer?" Sie antwortete nicht gleich, nahm die Hose entgegen, die ich ihr ausgestreckt hatte und suchte die Nummer.
"Nein, das ist die größte Nummer. Vielleicht gehst du in ein anderen Laden, wir haben deine Größe hier nicht."

Outsch.

Diese fünf Kilo sind bedeutungslos. Ich bin nämlich immer noch fett. Und ich werde noch weniger essen und noch mehr Sport machen müssen, um mehr abzunehmen.

Schnell eilte ich aus dem Geschäft, und war erst mal froh, da raus gegangen zu sein. Das Lied, was zu der Zeit auch lief, hat mich ehrlich gesagt genervt.
Ich ging langsam nach Hause und kam an einer Bäckerei vorbei, von der ein sehr genüsslicher Geruch kam.
Ich hatte Geld.
Sollte ich mir ein Bagel oder Dounat holen?
Nein. Sonst kann ich nie zum ZARA.

Ich musste erneut, an die Verkäuferin denken, die mir unfreundlich erklärte, dass ZARA keine Größen für mich hatte. Sie war dünn, hatte einen coolen Style und war hübsch.
Solche Leute würden angestellt.
Ich hätte nie eine Chance gehabt.

Meine Größe gab es da noch nicht mal.

Und mein Erfolgserlebnis war für'n Vogel. Wie konnte ich mich freuen, wenn ich immer noch übergewichtig war?Wenn ich immer noch fett war? Wie konnte ich da den Mut besitzen und zum ZARA gehen...?

Ich hasste mich und mein Körper und wollte mich am liebsten nach Hause beamen, damit mich jetzt keiner weinen sieht.

Federleicht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt