Kapitel 48

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Mein Bett war wenigstens gemütlich. Hin und wieder schaute ich zu Sophia, diese mit irgendjemandem chattete.
"Du willst dein Handy haben, oder?", fragte sie mich ohne mich anzuschauen. Also musste sie meinen Blick gemerkt haben.
"Ja."
"Nach gewissen Punkten darfst du das irgendwann haben. Sowie auch rausgehen."
"Ich darf nicht raus?"
"Erstmal nicht.", antwortete sie und schaute mich kurz an. "Sie müssen dich erstmal zuordnen. Die meisten Mädchen, mir mit eingeschlossen, haben sich am Anfang gar nicht benommen."
"Wie meinst du das?"
"Wir haben uns geweigert zu essen. Wir waren unhöflich. Waren nicht kooperativ. Und bei den Einzelgesprächen nicht so gesprächig."
"Oh, okay." Ich dachte darüber nach.
"Du willst weiterhin abnehmen? Dann spiele ihnen etwas vor. Lüge sie an."
Ich ließ das erst mal auf mich sacken, und dachte darüber nach zu essen und tatsächlich zuzunehmen um hier rauszukommen.
„Danke für die Tips.", sagte ich dann etwas abwesend.
Sie zuckte mit den Schultern. "Du siehst mir ganz sympathisch aus." Dann schaute sie auf Ihre Armbanduhr. "Essenszeit! Komm folg' mir."
Bevor sie die Tür öffnete drehte sie sich zu mir um. "Du musst meinem Rat nicht folgen, aber an deiner Stelle würde ich heute ganz normal essen. Wenn du die Leute auf deiner Seite haben möchtest, dann spiel in der ersten Zeit nach ihrer Nase."
Ich seufzte. "Alles essen?" Alleine die Vorstellung war grauenhaft.
"Keine Sorge die werden dir nicht viel geben.", erklärte sie. "Anfangs passen sie sich etwas an." Irgendwie beruhigte mich das ein wenig. Aber auch nur ein wenig.
Ich folgte ihr durch die Korridore und musste ehrlich gestehen, dass ich es mir schlimmer vorgestellt habe. Es sah hier eigentlich ziemlich in Ordnung aus, es gab viele Zimmer und Aufenthaltsräume, es war alles sehr sauber und es gab viele Blumen. Dann wurde es immer lauter und wir kamen an einen großen Raum an. Es sah so aus wie eine Schulkantine, nur noch viel größer und viel schöner ausgestattet.
Es gab sehr viele Tische und Stühle und an jedem Tisch war eine Vase mit Blumen. Der Raum war wirklich gefüllt von vielen anderen Mädchen, die genau so dünn waren wie ich. Es war ziemlich überwältigend so viele von denen auf einen Raum zu sehen. In der Schule fand ich die Leute um mich herum alle sehr dick, aber hier waren wir alle gleich. Und ich war etwas überrascht, dass hier auch Jungs waren. Ganz dünne Jungs, wie ich.
Bevor ich mich irgendwo hinsetzen konnte, da ich mich noch immer neugierig umschaute, kam mir auch schon eine Frau entgegen. Sie war etwas dicker, hatte schwarz gefärbte Haare, und ganz kleine Augen, die mir etwas unheimlich waren. Sie hatte hohe Wangenknochen, eine Spitze lange Nase und machte mir irgendwie einen unfreundlichen Eindruck.

"Elena?", fragte sie mich.
"Ja. Das bin ich."
"Hallo und herzlich Willkommen. Ich bin Schwester Fiona. Ähm wir setzen uns gleich hier hin, okay?", fragte sie mich während sie sich schon hinsetzte. Ich schaute auf ihre Michael Kors Uhr und auf den teuren Ring den sie trug und mir wurde bewusst, dass sie die dünnen Mädchen vollstopfte, um sich so ein Luxus leisten zu können.
"Also. Hier ist dein Ernährungsplan.", erklärte sie und zeigte mir einen Zettel mit den Wochentagen in Form einer Tabelle. "Hier sind alle Tage, und was es dann geben wird. Ich werde dich für die erste Zeit begleiten. Es wäre schön, wenn du das isst, was hier vorgesehen ist. Du hast immer eine Wahl zwischen ähnlichen Gerichten, aber es ist wichtig, dass du etwas zu dir nimmst."
Sie schaute mich wartend an. Wahrscheinlich erwartete sie Protest oder Ähnliches, aber ich befolgte Sophias Rat.
"Okay.", sagte ich.
"Super, das freut mich. Lass es dir schmecken."
War sie absichtlich so auffällig oder folgte sie mir extra auf Fuß und Tritt? Wahrscheinlich vertraute sie mir nicht. Bei ihrem Alter und Berufserfahrung hatte sie bestimmt sehr viele Erfahrungen mit verschiedenen Magersüchtigen gemacht und sie war auf alles gefasst.

Ich nahm mir etwas Salat, eine Frikadelle und dazu eine fettige Soße. Bestimmt haben die mit Kalorien reingehauen, ohne dass man es wirklich sieht. Dann nahm ich mir in eine Schale mit Obstsalat und Sahne und ich hatte echt schlechtes Gewissen. Das würde ich später alles essen...
Als ich mich an meinem Tisch setzte und anfing zu essen, hoffte ich, dass die Schwester Fiona nicht zu mir kommen würde, um mir Gesellschaft zu leisten. Leider war dies der Fall und sie quasselte mich zu. Endlich wurde ich fertig. Und natürlich fühlte ich mich elend. Es waren so viele Kalorien und das schon am ersten Tag.
"Super Elena. Du wirst eine tolle Patientin sein. Du kannst dich gerne hinlegen, falls das zu heftig war. Aber dann gehst du zur Selbsthilfegruppe."
"Okay.", sagte ich um schnellstmöglich von dieser Frau wegzukommen.
Vielleicht war das zu offensichtlich, dass ich in meinem Zimmer rannte. Sie dachte bestimmt, ich würde kotzen, sowie die meisten das hier machen würden. Also folgte sie mir.
Doch sie erwischte mich bei nichts, weil ich mich nur auf mein Bauch auf dem Bett legte.
Das war einfach zu heftig. Wenn man sich an Vortagen nur mit Gurken, Tee und Äpfel ernährt, war das viel zu heftig und viel zu viel auf einmal.

Federleicht Where stories live. Discover now