Kapitel 56

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Warum machte ich das eigentlich? Woher wusste ich, dass diese Federleicht1 recht hatte...?!
Aber jetzt gab es kein zurück mehr, weil Amanda die Tür öffnete und mich sah. Erst war sie etwas verblüfft, dann nahm sie wieder ihren Standard Blick auf.
"Elena?", fragte sie.
"Hey, kann ich kurz mit dir reden?"
"Ja.", sagte sie und zuckte mit den Schultern. "Komm rein."
Okay, das hatte ich nicht erwartet. Dass sie mich so freundlich empfängt.
"Was gibt's?", fragte sie so als sei es das Normalste auf der Welt, dass wir miteinander sprachen, nach den ganzen Aktionen die sie mir antat.
"Ich wollte sagen... Deinetwegen möchte ich nicht zunehmen. Ich habe in Erwägung gezogen, dass ich zunehme nur weil du mich den ganzen Tag nervst."
Sie schaute mich total verblüfft an. Irgendwie erschrocken, aber ich konnte ihren Blick nicht wirklich deuten. Sie sagte eine Zeit lang nichts, sondern schaute mir nur in die Augen.
"Es tut mir leid.", flüstert sie. Dann räusperte sie sich. "Es tut mir wirklich leid."
Ich dachte ich hörte nicht richtig, denn heute war sie noch das Mädchen, das mir ein Furzkissen auf meinem Stuhl gelegt hat, und mich vor allen gemobbt hat. Dass sie sich jetzt entschuldigt, hätte ich wirklich nicht erwartet.
"Es ist schwer abzunehmen. Und ich will dich nicht dazu animieren zuzunehmen. Das tut mir schrecklich leid."
"Meinst du das ernst?", fragte ich sie verwundert, dass es so gut geklappt hat.
"Wie kann ich es dir beweisen?"

Ich zuckte mit den Schultern.
"Okay ab morgen isst du mit an unserem Tisch."
An Amandas Tisch wo nur die Mädchen saßen, vor denen alle hier Respekt hatten?
"Es tut mir wirklich leid Elena."
Also wenn das nicht aufrichtig gemeint war, war sie eine gute Schauspielerin.
Oder Federleicht1 hatte einfach recht.
Anas unterstützen sich, sie bringen andere nicht dazu, zuzunehmen. Erst recht da sie wissen was für ein schwerer Kampf das ist.
"Ich hab das gemacht weil.. es hier immer so langweilig ist.", erklärte sie dann.
"Also wenn dir langweilig ist, mobbst du andere?"
"Das hört sich jetzt von dir aus total schrecklich an."
"Ist es doch auch.", erwiderte ich lachend.
Sie fuhr sich mit ihrer knochendünnen Hand durchs Haar. Ich glaube, von allen Anas war sie die aller dünnste. Und ich hatte keine Ahnung wie sie das hier schaffte, sich hier aufzuhalten und nicht zuzunehmen.
Amanda seufzte. "Alles klar. Ich hätte aber nicht gedacht, dass ich Leute dazu bringe zuzunehmen. Dann wäre ich ja genau.. wie meine... Eltern und die ganzen inkompetenten Therapeuten und Schwestern."
"Jetzt weißt du es."
"Ja jetzt weiß ich es." Sie schaute mich wieder musternd an. "Willst du immer noch zunehmen um hier rauszukommen?"
"Nein. Zu Hause muss ich normal essen. Und dafür bin ich noch nicht bereit."
"Noch nicht?", hakte sie nach.
"Ich will noch etwas abnehmen."
"Okay.", sagte sie und lächelte. "Ich weiß gar nicht wieso ich dich gemobbt habe. Wir könnten gute Freundinnen werden."
Sie lächelte mich an und ich wusste nicht was ich davon halten sollte.
Sie war doch genau wie Julia, aber anderseits, kannte ich sie doch kaum.
Und im Moment wirkte sie aufrichtig und ehrlich.

*

Nach dem Englisch Unterricht bat mich Herr Peters noch etwas dazubleiben, da Sabrina mir etwas mitzuteilen hatte. Nun stand ich an der Tür und wartete, wie fast vor jedem Treffen mit ihr, auf Sabrina. Da sie eine sehr beliebte Therapeutin war, hatte sie dementsprechend immer viel zu tun. Es war auch so, dass sie sich freiwillig für jeden Zeit nahm auch wenn ihre Zeit knapp war.
"Hallo Elena!", rief sie mir gut gelaunt zu.
Von ihrem strahlenden, authentischen Lächeln wurde man einfach dazu animiert glücklicher zu sein und das Lächeln zu erwidern.
"Hallo Sabrina."
"Wie war der Unterricht?"
"Gut."
Und von hinten meldete sich Herr Peters zu Wort. "Elena ist eine super Schülerin!"
"Ich weiß.", antwortete Sabrina schmunzelnd. "Und du hast dir eine Belohnung verdient.", sagte Sabrina nun an mich gerichtet. "Alle Schwestern sind der Meinung dass du tolle Arbeit leistest und eine Belohnung verdient hast."
Eine Belohnung? Die wollte ich unbedingt haben.
Sabrina kramte in ihrer Jackentasche und brachte mein Handy zu Vorschein.
Mein Handy!
"Danke!", sagte ich zu Sabrina und entsperrte das Handy gleich.
Denn das erste was ich tun würde, war, Caro anzurufen um herauszufinden wer das Mädchen bei Jonas ist. Noch während ich aus dem Zimmer rausging betätigte ich ihre Nummer und hatte komischerweise während des Tutens Herzrasen.
"Elena?", war das erste, was Caro sagte.
"Ja hi. Ich habe gerade mein Handy zurückbekommen, weil ich so gut zunehme."
"Das freut mich! Also hast du jetzt die fünf Kilo..."
"Ja die habe ich schon seit gestern. Aber ich wusste nicht wie ich dir das sagen sollte. Also, ist ja jetzt auch egal, wer ist das Mädchen?"
"Du wirst jetzt enttäuscht von mir sein. Ich habe dich auf die falsche Fährte gelockt damit zunimmst."
Kurz wartete ich und versuchte das zu verstehen, was sie sagte.
"Das mit dem Mädchen war also gelogen?"
"Nein, nein!", erwiderte Caro schnell. "Die gibt es wirklich und die wohnt da immer noch. Es ist nur... es ist einfach was völlig normales. Er hat keine neue. Das Mädchen ist seine Cousine."
Ich wusste nicht ob ich eher erleichtert oder sauer sein sollte.
"Elena, ich wusste das anfangs nicht! Ich dachte er geht dir fremd! Dann bin ich sofort dorthin und habe ihn deswegen angeschrien, bis er mir erklärt hat, dass es seine Cousine ist. Sei mir bitte nicht böse. Ich will nur dass zu zunimmst um schnell wieder hierherzukommen. Ich vermisse dich wirklich sehr Elena."
Ich wusste immer noch nicht was ich davon halten sollte.
"Caro, ich habe mir jeden Tag abermals Gedanken um Jonas gemacht, habe manchmal stundenlang vor Eifersucht und Enttäuschung geweint, damit du mich anlügst...!"
"Ich habe dich nicht angelogen!" Und ich konnte mir im Moment total gut vorstellen, wie sie aufgeregt in ihrem Zimmer hin und her ging und sich dabei abermals durchs Haar fuhr. Der einzige Unterschied ist, dass sie mich nicht mehr hasste. Dass sie seit langem mich nicht mehr beleidigte oder ignorierte, im Gegenteil, sogar die weiße Flagge des Friedens mir zeigte.
Manchmal bemerkte man einen Verlust, erst wenn er auftritt.
Und so müsste es auch hier gewesen sein, denn Caro schien mich wirklich zu vermissen.
Ehrlich gesagt vermisste ich sie auch.
Ich weiß noch als es angefangen hat zwischen uns besser zu werden und zwar als unser Vater uns verlassen hat, und wir als Familie zusammenhalten mussten.
Und weiterhin ging es nur noch bergauf.
Klar, sie war und blieb noch Caro, aber sie war und blieb auch meine Schwester.
Deswegen konnte ich ihr nicht böse sein, sogar im Gegenteil, mich rührte ihre bekümmernde Art.
"Ist okay Caro.", sagte ich schließlich.
"Sicher?"
"Ja sicher."
"Okay und wann kommst du wieder?", fragte sie.
"Bald."
"Also wirst du weiterhin zunehmen?"

"... Ja." Obwohl ich mir dessen nicht sicher war.
Ich war vollkommen hin und her gerissen, was diesen Aspekt anging.

"Das freut mich. Mama ist gerade arbeiten, sonst würde ich sie dir geben."
"Und du gehst nicht zur Schule?"
"Nein, hab heute meine Tage bekommen." Ich sah sie vor mir grinsen. Denn das war einfach nur eine Notlüge nicht in die Schule zu kommen.
"Okay ich lege dann jetzt auf."
"Alles klar. Wir sehen uns ja bald, du kommst ja wieder."
"Genau.", antwortete ich mit einem schlechten Gewissen.
Und dann legten wir auf.
Als das Telefonat beendet war, landete ich auf alle meine Kontakte und scrollte runter, bis ich bei J ankam.
Jonas.
Ich ging auf sein Profil und sah seine Nummer.
Ich müsste nur auf das kleine, blaue Telefon drücken, dann könnte ich mit ihm reden.
Aber ich ließ es sein. Ich hatte nämlich nicht genügend Mut dazu.

Federleicht Where stories live. Discover now