Kapitel 28

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Ich verstand es einfach nicht. Wie konnte ich so schlecht in der Schule sein, wobei ich immer eine der Besten war und ich meine ganze Freizeit nur mit Lernen verbrachte...? Ich hatte in Englisch eine vier minus. Es war so wie in Mathe, meine Leistung stieg rasant ab. Nur jetzt machte ich mir mehr Sorgen. Ich schielte zu Lisa rüber und sah, dass sie eine dicke, rote 2 auf ihrem Test hatte. Warum lief die Schule gerade so schlecht, wenn ich doch die ganze Zeit  zu Hause lernte?
"Elena kann ich dich kurz sprechen?", fragte mein Englischlehrer. Ich folgte ihm raus, und sobald er die Tür schloss, wusste ich worum es ging.
"Was ist los Elena?"
"Ich weiß nicht, ich denke ein Blackout.", sagte ich.
"Ich habe eine andere Theorie.", sagte er und ich merkte, dass es ihm unangenehm war darüber zu sprechen.
"Du bist jetzt mit Julia befreundet. Und dein... Äußeres hat sich verändert. Ich denke dein Fokus liegt nicht mehr auf Schule und Noten. Eher auf... Julia und ihre... Lebenseinstellung."
Er wartete auf eine Antwort, aber ich hatte keine, denn ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Hatte er recht? Eine andere Erklärung gab es nicht.
"Du bist eine gute Schülerin. Eine der besten. Ich will nicht, dass es sich ändert. Deswegen gebe ich dir noch eine zweite Chance."
"Danke.", sagte ich. Mehr viel mir nicht ein.
Ich wollte Julia nicht sagen, was er mir gesagt hat. Denn irgendwo lag ein Stück Wahrheit. Als ich noch mit Lisa befreundet war, vor den ganzen Stylings, Jungs und den Partys, war ich besser. Ich schaute wieder zu Lisa rüber und sah, dass sie in dem Moment auch zu mir schaute. Aber sie wand schnell ihren Blick ab.
Ich nahm mir vor sie anzusprechen.

*
"Ladies, ich muss etwas mit Jason sprechen. Geht schon mal nach draußen.", sagte Julia an uns gewandt, nach dem es zur Pause geklingelt hat.
Anna, Bella und ich gingen dann mit dem Strom der Schüler im Flur nach draußen. Ich war mir zwar unsicher, aber dennoch drehte ich mich zu Anna und fragte sie, was mich schon seit langem interessierte.
"Was war letztens eigentlich los mit Julia? Also als ich nicht mit ihr essen wollte?"
Anna schaute mich für einen Moment lang nur stumm an, als fände sie es schlimm, dass ich diese Frage gewagt habe. Dann zuckte sie jedoch mit den Schultern, und sowie ich sie einschätzte, cool und lässig wie sie immer war, gab sie mir etwas preis.
"So ist Julia. Machtspiele sind ihr Ding. Du musst tun was sie sagt, sonst wirst du ignoriert. Und glaub nicht, dass sie es bei der Sache gelassen hat. Irgendwann wird sie wieder darauf kommen."
Ich wusste nicht was ich antworten sollte. Ich wollte irgendwas wie 'krank' oder 'bescheuert' sagen, aber Anna konnte ich leider nicht zu 100% trauen.
"Okay.", sagte ich nur.

Während der Pause war ich in meinen Gedanken vertieft. Ich dachte an die Worte von Anna, aber auch an die meines Lehrers und beides machte mich fertig. Es dauerte nicht lange, da kam Julia wieder und setzte sich an unseren Tisch in der Mensa.
"Ich hasse Jungs.", sagte sie. "Die sind so unreif!", sie war fast außer sich.
Und sie erinnerte mich ein weiteres Mal an einen Psychopathen. An einen reichen, gut aussehenden Psychopathen. Sie drehte sich suchend um. Wahrscheinlich auf der Suche nach ihrem nächsten Opfer. Ihr Blick blieb an Judith stehen. Einem Mädchen, das eher außenstehend war, aber gerade noch hierher gehörte.
"Geh zu Jason und klatsch ihm ins Gesicht."
"Was?", fragte sie und sie wurde eine Spur blasser.
"Geh jetzt!", forderte Julia. Ich schaute zu Anna, in diesem Moment trafen sich unsere Blicke. Das hatte sie eben gemeint. Machtspiele. Man sah, dass Judith mit sich rang. Dennoch bewegte sie sich langsam zu den Jungs, und zu Jason. Judith war eine Kandidatin die alles dafür tun würde zu Julia zu gehören. Aber ich dachte nicht, dass sie soweit gehen würde.
Sie stand dann vor ihm, hochrot, und gab ihm einen leichten Klaps auf die Wange. Er schaute total verwirrt, dann zu Julia, und warf ihr dann, so kindisch er war, eine Kusshand zu.
"Ich hasse ihn!", rief Julia. Judith kam wieder, unsicher am Lächeln, denn sie hat ja gemacht was Julia von ihr verlangte.
"Geh weg.", sagte Julia dann aber zu ihr. "Ich möchte dich hier nie wieder sehen."

Ich wand mich ab, schaute auf mein Handy und tat so, als hätte ich gerade irgendeine wichtige Nachricht bekommen. Denn das fand ich krank.

*

Das Erste, was ich tat, als ich zu Hause war, war lernen. Ich musste besser in der Schule werden. Jedoch merkte ich selber, dass ich im er noch nicht in der Lage war mich zu konzentrieren. Meine Gedanken schweiften ab. Der Hunger war elend und ich war unterzuckert. Ich wusste, dass ich etwas essen musste, sodass ich mich konzentrieren konnte. Aber das kam nicht in Frage. Abnehmen war meine höchste Priorität. Vielleicht würde es nach etwas Sport besser gehen. Also zog ich mich um und ging eine Runde joggen.
"Hey, Ginger!", rief mir jemand zu. Kurz bevor ich nach Hause ging.
Die Stimme kam mir bekannt, aber der Spitzname war mir fremd.
Ja, ich war ein Ginger. Aber ein hässlicher Rot- Kopf.
Bis ich natürlich abgenommen habe, und Julia mich herausgeputzt hat. Und nie hat mich jemand so genannt.
Ich drehte mich zu Jonas, dieser auf mich zu kam.

"Wie geht's?", fragte er.

"Ähm.. gut.", sagte ich, vom Laufen außer Atem. "Und selbst?"

"Mein Roller hat einen Schaden.", sagte Jonas und zeigte darauf. Er erklärte mir genau, wo das Problem war, ich hörte zu, verstand aber ehrlich gesagt kein Wort.

"Wow. Na dann viel Spaß beim... Basteln."
Er lachte. "Wenn es nur so einfach wie basteln wäre." Er zögerte kurz. "Du hast ja meine Nummer. Ruf mich an, wenn wir etwas unternehmen können. Also... wenn du mir beim Basteln helfen willst." Er lächelte mich an.
"Mach ich.", erwiderte ich, innerlich voller Freude. Dann ging ich rein und konnte mir mein Lächeln nicht verkneifen.
"Das Essen ist im Topf!", rief Mama mir zu, als sie gehört hat, dass ich reingekommen bin. Ich ging an den Schrank, nahm ein Teller und füllte es mit dem Essen. Dann ging ich hoch in mein Zimmer und warf es gleich wieder weg. Ich hatte natürlich ein schlechtes Gewissen. Aber ich musste erneut Prioritäten setzen. Und das war das Abnehmen. Ich knabberte an den Paar Salzstangen die ich hatte, um den Heißhunger zu stillen. Als ich fertig damit war, fiel mir etwas auf. Durch dem lauten Essen der Salzstangen, habe ich das Heulen vom Zimmer neben an nicht gehört.
Langsam näherte ich mich meiner Tür, hielt mein Ohr direkt daran und stellte fest, dass Caro weinte. Weinte war nur sehr untertrieben. Sie heulte sich die Seele raus.
Leise öffnete ich meine Tür und schlich rüber zu ihrer.

"Ich- Ich werde von jedem verachtet!", sagte sie mit tiefem Schluchzen und machte dann eine Pause. "Ich bin das nicht selbst schuld!", rief sie nach einiger Zeit. Sie musste also telefonieren.
"Ich wollte es Elena zeigen. Sie... sie nimmt immer mehr ab und will so werden wie ich." Pause. "Ich bin aber die Schönere zwischen uns! Aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher!" Erneute Pause. "Ja ich gebe zu ich bin Eifersüchtig! Warum wird sie jetzt auf alle Partys eingeladen und ich nicht, weil ich eine 'Schlange' bin?!" Jetzt heulte sie wieder. "Was soll ich denn tun? Jeder hasst mich! Alle lästern über mich!" Pause. "Das wird nicht vorüber gehen!" Obwohl sie es nicht verdient hat, spürte ich etwas wie Mitleid. Sie wurde wirklich verachtet. In der Nachbarschaft. Zwischen ihren Freundinnen. Und sie wurde als Schlange bezeichnet. Es war ein öffentlicher Skandal in unserem Dorf, dass sie mit meinem Freund geschlafen hat. Mit dem Freund ihrer Schwester. Im Nachhinein war ich, so komisch sich das auch anhört, froh dadrüber. Ich war froh, nicht mehr Pauls Freundin zu sein. Die Art und Weise wie wir uns getrennt haben, schmerzte zwar immer noch, aber immerhin haben wir uns getrennt. Und Caro kam nicht damit klar, dass ich nicht mehr hässlich bin und sie nicht mehr im Rampenlicht steht. Das tat ich, auf Grund meines Gewichtsverlusts.
"Nein, das habe ich nie.", hörte ich sie sagen. "Jonas war zwar nett und gut aussehend und so, aber geliebt habe ich ihn noch nie." Ich traute meine Ohren nicht. Mittlerweile hatte sie zu Heulen und Schluchzen aufgehört, deswegen verstand ich sie ganz deutlich.
"Elena steht auf den.", sagte sie. "Jaa... ich weiß dass es gemein ist, aber trotzdem!"
Ich konnte es nicht fassen. Diese ganze Sache nur wegen mir?!
"Ich weiß es ist gemein. Sag mir das doch nicht!" Sie schwieg für eine lange Zeit.
Ich stand auf. Ich hatte genug gehört. Anstatt dass sie sich bei mir entschuldigt, heult sie sich bei ihrer besten Freundin aus. Die einzige die noch mit ihr redet, aber soweit ich weiß, nicht in der Öffentlichkeit, nur am Handy, war ihre Freundin Anna. Ich setzte mich aufs Bett und dachte darüber nach, was sie alles gesagt hat. Leider merkte ich, dass ich wieder nichts für die Schule gemacht habe, aber ich hatte jetzt wirklich besseres zu tun. Wichtigeres.
Weil Caro sich mit ihrer Freundin unterhalten hat, fiel mir Lisa auf und um sie musste ich mich auch noch kümmern. Ich entschied, sie besuchen zu gehen.

Federleicht Where stories live. Discover now