Kapitel 30

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„Das sind meine Freunde.", sagte Jonas und stellte sie mir nach einander vor. Ich war etwas schüchtern, aber dennoch amüsierte ich mich ein wenig. Auch wenn die Sache mit Lisa mich bedrückte. Sehr bedrückte. Jonas drückte mir ein Glas mit Cola in die Hand. Es war kalt aufgrund der Eiswürfel.
"Alles cool bei dir?", fragte er und setzte sich zu mich.
"Ja, alles... cool."
Er lächelte mich an. Und wie ich dieses schöne Lächeln liebte. "Das glaube ich dir nicht."
"Okay... ich habe etwas Stress mit einer Freundin."
"Julia?", fragte er schließlich und mir blieb nichts übrig als ihn verwirrt anzuschauen. Woher wusste er, dass ich mit Julia befreundet war?
"Guck mich nicht so an!", rief er entschuldigend und hob unschuldig seine Schultern. "Du bist ja nicht gerade selten mit ihr unterwegs."
"Du hast recht. Aber es geht nicht um sie."
"Okay.", sagte er und dehnte das Wort. "Deine frühere Freundin? Du weißt schon, die eine, die oftmals euch besuchen kam?"
"Ja, Lisa, genau sie. Ich hab sie etwas vernachlässigt."
"Verstehe... willst du drüber reden?"
"Ehrlich gesagt nein."
"Das verstehe ich auch.", sagte er und schenkte mir wieder ein bezauberndes Lächeln. Wir unterhielten uns dann über andere Themen. Das übliche, aktuelle. Trump, Proteste, Stars/ Promis, Musik, Filme. Ich wollte es nicht leugnen, es war super schön mit ihm zu reden. Und natürlich war ich aufgeregt und unendlich glücklich zur selben Zeit. Spät am Abend entschied ich dann nach Hause zu gehen um noch etwas spanisch zu lernen.

"Hasta luego, Ginger!", rief er mir gut gelaunt zu.
Und ich erwiderte ein leises 'tschüss'. Er war meine große Liebe seitdem ich klein war und ich war so dankbar, dass ich Zeit mit ihm verbringen konnte.
Warum? Weil ich aufgehört habe fett zu sein. Es war also eine Bestätigung und es zeigte mir, dass ich musste also weiter machen. An diesem Abend habe ich kein Spanisch mehr gelernt, ich fand es wichtiger Sport zu treiben und Kalorien zu verschwitzen.

*

Es war ein ganz normaler Tag. Caro war diesmal still, sie sagte gar nichts zu mir in der Küche. Mama machte uns wie immer ein Brot, als wenn nichts wäre, als wenn ich nicht abnehmen würde, als wenn ich es nicht an den Obdachlosen hier in der Nähe weiter gäbe. Dann verließ ich das Haus und ging zum Fahrrad.
"Morgen, Ginger!", rief Jonas mir dann zu. Ich fand es etwas merkwürdig ihn hier und jetzt gesehen zu haben, denn eigentlich war er immer schon längst weg. Doch er schien auf jemanden zu warten, da er noch einen weiteren Helm in der Hand hatte.
"Ich hab an mein Versprechen gedacht.", sagte er während er überraschenderweise auf mich zukam. "Ich hatte dir ja eine Spritztour versprochen."
Das würde ich niemals vergessen, ich tat aber so als wüsste ich nicht wovon er sprach.
"Okay, aber nur wenn du Lust hast. Ich fahr dich dann zu deiner Schule."
"Das wäre cool.", sagte ich so gelassen wie möglich, obwohl mein Herz wie verrückt raste.
Es war so schön, die Arme um seinen Bauch zu haben, ihm so nahe zu sein. Leider ging die Fahrt zu schnell vorbei.

"Danke Jonas."
"Nichts zu danken, Ginger. Ich halte mich immer an meine Versprechen. Also bis dann!"
Er setzte sein Helm wieder auf und fuhr los, ich konnte nicht anders als ihm hinterher zu schauen.
"Wer war denn das?", fragte jemand hinter mir. Julia.
"Ähm, das war mein Nachbar.", sagte ich und ging auf sie zu.
Ihre braunen Haare waren heute zu einem messy, aber trotzdem sehr schönen Dutt zusammengebunden. Schön, leicht geschminkt. Schönes Outfit. Sicherlich hätte Jonas sich verguckt.
"Und weiter?", hakte sie nach.
"Hast du spanisch gelernt? Ich hab voll verteilt, dass wir einen Test schreiben!" Aber sie ließ das Thema nicht wechseln.
"Hast du was mit dem?", fragte sie.
"Nein, das ist der Ex von meiner Schwester."
"Ohh. War ihm deine Schwester nicht gut genug? Aber das kann ich verstehen.", sagte sie in einem abfälligen Ton.
Auch wenn ich nicht der größte Fan meiner Schwester war, fand ich es nicht okay wie Julia über sie sprach.
"Du kennst sie doch gar nicht." 
Wir gingen nun den Schulflur entlang, zu unserem nächsten Raum. Und insgeheim hoffte ich Lisa nicht zutreffen.
Obwohl es später eh dazu käme, wir hatten gemeinsam Spanisch.
"Oh doch." Sie schaute ein Mädchen an, die einen langen, weiten und nicht ganz so schönen Rock trug. "Hey, ist das der Rock deiner Mutter? Geb ihn ihr bitte zurück!" Dann wand sie sich wieder an mich. "Ich kenne Caro. Sie ist eine Snitch. Hallo, sie ist ihrem Freund fremdgegangen und das mit Paul!"
Ich wusste nicht, was ich dazu erwidern soll. Wenn sie nämlich so arrogant und fies zu anderen Mädchen war, hatte ich immer großen Respekt vor ihr. Und das aus Angst.

"Übrigens finde ich dich heute wirklich hübsch.", sagte sie und lächelte.
Mittlerweile waren wir im Raum und setzten uns auf unsere Plätze. "Doch nicht für deinen Nachbar oder?"
Kein ernst gemeintes Kompliment. Und wieder kam sie auf das Thema Jonas zurück.
"Nein, ich wusste nicht, dass er mich fahren wird."
"Jaja.", sagte sie und lachte.

Für Außenstehende, wie zum Beispiel Lisa, die gerade zu uns schaute, musste es so aussehen, als würden wir uns amüsieren, als wären wir gute Freunde, die über Witze lachen. Aber so war es nicht. Ich war erleichtert als der Lehrer um Ruhe bat, damit er den Test verteilte.
Leider war die Erleichterung verblasst, als ich mir den Test genau anschaute.
Ich konnte nichts. Naja, war ja auch klar, ich hab schließlich auch nichts gemacht.
Aber auch so, war ich körperlich irgendwie nicht in der Lage.
Meine Konzentration schweifte ab und ich verstand selbst die Aufgabenstellung nicht.
"Noch fünf Minuten.", sagte der Lehrer und ich hatte noch nichts ausgefüllt."
Und auch die gingen schnell um. Schon würde eine fünf kassiert, Elena, großartig.
Ich dachte an die Worte meines Lehrers, ich würde mich aufgrund von Julia ablenken.
Jetzt wünschte ich mir nichts sehnsüchtiger, als neben Lisa zu sitzen. Zu lernen. Und nichts mit Julia zu tun zu haben.

Aber leider war dies nicht der Fall und ich konnte es nicht rückgängig machen. Ich hatte nichts mit Lisa zu tun, dafür mit Julia. Und ich hatte im Gefühl, dass es so für einige Zeit lang bleiben würde.

Federleicht Where stories live. Discover now