Kapitel 37

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Ich hatte ein sehr komisches  Gefühl. Nicht aufgrund meines Hungers, oder meines körperlichen Zustandes. Sondern, weil Mama und ich vor dem Klassenraum saßen, da mein Klassenlehrer, Herr Krupp, um ein dringendes Gespräch mit meinen Erziehungsberechtigten gebeten hat.
Die Tür wurde geöffnet und daraufhin trat Herr Krupp aus.

"Hallo Frau Schmidt, Danke für Ihr kommen."

"Gerne.", antwortete meine Mutter. "Ich komme sofort, wenn es sich um wichtige Angelegenheiten handelt."
Dann gab er mir die Hand und ich schüttelte sie, mit einem kleinen Lächeln, obwohl ich ihn in diesem Moment hasste. Was sollte das? Warum lud er meine Mutter auf ein dringendes Gespräch einzuladen? Und was konnte so wichtig sein, dass sie gleich am nächsten Tag kommen musste?

"Ich habe leider keine guten Nachrichten für Sie.", sagte er als er sich hinter dem Lehrer Pult Platz genommen hat.
Es war so komisch im Klassenzimmer zu sein, ohne irgendeinen weiteren Schüler und so nah am Lehrerpult.
"Elena, kannst du dir vorstellen worum es geht?"
Warum macht er es noch spannender als es schon ist?!
"Nein.", antwortete ich.
"Das enttäuscht mich jetzt. Die Elena die ich kenne, würde es merken."
Was denn? Und was für eine 'Elena die ich kenne'? Hab ich mich verändert? Vielleicht etwas abgenommen, aber unabhängig davon bin ich der gleiche Mensch.
"Es sind deine Noten." Okay, das hätte ich mir denken können. Aber es gab genug Schüler, die schlechte Noten haben, und ihre Eltern wurden nicht auf ein dringendes Gespräch eingeladen.
"Die Noten?", fragte Mama außer  Fassung. Das hatte sie bestimmt nicht erwartet, denn die Elena, die sie kannte, war immer die Klassenbeste gewesen. Zwar wurde sie deswegen hin und wieder in der Klasse gerobbt, aber immerhin hatte sie ein traumhaftes Zeugnis.
"Ja, Frau Schmidt. Wurden Sie darüber nicht informiert?" Nein, das habe ich nicht. Ich habe viele vieren und Fünfen kassiert und Mama nichts davon gesagt. Unauffällig schielte ich zu ihr rüber und bereute es sofort wieder. Denn Mamas Farbe Gesicht verblasste.
"Nein, sie hat mir nichts gesagt.", erwiderte Mama schockiert.
Ich wusste nicht, was Mama mehr schockte. Die Tatsache, dass meine Noten sich Extrems verschlechtert haben, oder dass ich es vor ihr verheimlicht habe? Keine Ahnung.

"In Englisch, Spanisch, Mathe und Erdkunde hatte sie alle Überprüfungen eine fünf."

"Fünf?", fragte Mama ungläubig und ein kleines Ticken zu laut. Dann schaute sie mich fassungslos an. "Fünf?", fragte sie erneut, um sich dessen ganz sicher zu sein.
"Also wurde Ihnen das nicht gezeigt?", fragte Herr Schmidt.
"Nein.", sagte sie und schüttelte energisch den Kopf.
"Das wundert mich ehrlich gesagt nicht. Elena war schließlich einmal Klassenbeste. Und so plötzlich schlechte Noten zu haben ist... naja... schrecklich."
"Woran liegt das? Doch wohl nicht an ihr? Meine Tochter hat doch immer hohes Ausmaß an Intelligenz aufgewiesen. Und Fleiß, sowie auch Ehrgeiz."

"Ich würde ihnen das gerne glauben und den Fehler bei den Kollegen suchen, aber alle anderen Schüler erweisen ihre konstante Leistung. Nur Elena hat plötzlich, von gestern auf heute so schlechte Noten bekommen. Zurzeit zählt sie zu den schwächsten Schülern ihrer Stufe und ist versetzungsgefährdet."

Ich schaute hinter dieser riesigen Nerdbrille, die auch ein Opa anziehen könnte, in die Augen von Herr Schmidt. Ich konnte nicht fassen, was er gerade sagte. Es tat weh, aber ich wusste es war die Realität.
Mama verstand die Welt nicht, sie saß hier neben mir und war buchstäblich sprachlos. Sie sagte nichts, sie schaute nur ungläubig zwischen mir und Herrn Schmidt. Irgendwie tat sie mir schon leid, da dies so plötzlich kam. Sie dachte alles sei noch beim alten. Alles sei noch okay.
Und ich hatte ihr die ganze Zeit nichts gesagt.
"Es tut mir leid, falls ich Sie mit der Information zu sehr belastet habe."

"Nein, kein Problem.", erwiderte Mama. "Ich bin überhaupt froh, dass mir irgendwer etwas sagt.." Sie schaute kritisch in meine Richtung.
"Gut. Denn ich möchte dieses Problem ändern, weil ich in dir Potential sehe, Elena. Aber dafür müssen wir erstmal herausfinden, was der Grund für diesen... Sturz ist."
"Keine Ahnung.", sagte ich.
"Soll ich dir auf die Sprünge helfen?", fragte er und lächelte mich kurz an.
In dem Moment, konnte ich ihn gar nicht leiden. Ich sah es schon vor mir- sobald wir aus diesem Raum sind, kriege ich Belehrungen 24/7 von Mama zu hören. Vielleicht auch Hausarrest. Oder andere Strafen.
"Ich will jetzt nicht zu sehr in die private Angelegenheit Ihrer Tochter eingehen. Aber ihre Noten haben angefangen sich zu verschlechtern, als sie sich mit einer... wie soll ich sagen... sehr modebewussten und selbstbewussten Mädchen Gruppe angefreundet hat. Und auch als sie angefangen hat abzunehmen." Musste er den letzten Teil sagen? Denn auf das Wort ,abnehmen' reagiert Mama schon allergisch. Sie seufzte tief, ganz tief aus dem Bauch heraus, das wollte sie nämlich überhaupt nicht hören.
"Ich finde deinen Gewichtsverlust natürlich super. Es ist sehr faszinierend, dass du das so gemeistert hast. Aber du kannst damit nicht deine schulischen Leistungen vernachlässigen...."
Bla, bla, bla. Ich hörte gar nicht hin, weil ich diesen Text schon kannte.
Ich schaute Mama an als sie sprach. Genau das gleiche. Bla, bla, bla. Leeres Gerede. Ich würde nichts ändern.
Nach zehn weiteren Minuten 'blablabla' war das Gespräch beendet. Herr Schmidt lächelte uns an, sagte einpaar vielversprechende Dinge und ließ uns dann gehen.

Natürlich war Mama noch nicht fertig. Sie textete mich den ganzen Weg nach Hause mit Vorwürfen, Maßnahmen und weiterem zu.Und ich wusste, es würde noch eine lange Zeit Ärger dafür geben.
Als ich dann endlich zu Hause war, in meinem Zimmer auf dem Bett mit meinem Laptop, schaute ich mir Universitäten an, damit ich motiviert werde wieder an bessere Noten zu gelangen.
Es half. Ich setzte mich an meinem Schreibtisch und fing an Bio zu lernen, da ich in letzter Zeit in dem Fach hängen geblieben bin. Aber sobald ich anfing zu lernen, schweiften meine Gedanken abermals ab. Ich konnte mich wirklich nicht konzentrieren. Woran lag das nur?
Ich legte meine Hand auf meinem Bauch, weil mein Magen zu Knurren anfing. Und passend zu dem kam Mama in mein Zimmer mit einem Teller in der Hand.
"Heute musst du essen.", sagte sie sobald sie- ohne Klopfen- mein Zimmer betrat.
"Dafür dass du mir die ganze Zeit deine Noten verheimlichst, und schlechte Noten hast."

Ich konnte nicht protestieren, dass wusste ich, da sie an längeren Hebel saß. Zwar wusste ich nicht was schlimmer war, Taschengeldentzug oder das Essen hier. Aber mit meinem Taschengeld konnte ich mir Abführmittel und Shakes kaufen. Also war das Essen hier nur halb so schlimm.
Das, was mich aber störte, war die Tatsache, dass Mama hier blieb, wollte mir also beim Essen zuschauen.
"Mama was tust du?", fragte ich.
"Ich achte darauf, dass du alles isst, ohne etwas wegzuwerfen."
Ich verdrehte die Augen und aß schweigend. Als ich dann endlich fertig wurde, ging sie mit dem Teller wieder raus. Und komischerweise war meine Konzentration auf einmal wieder da und ich verstand endlich, was mein Biolehrer heute im Unterricht erklärt hat.

Federleicht Where stories live. Discover now