Kapitel 29

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Ich war noch nie nervös, als ich vor Lisas Haustüre stand, heute aber schon. Jedoch fand ich, dass ich guten Grund dazu hatte.
"Elena?", fragte Lisas Mutter als sie mir die Tür öffnete. Ihr Ton hörte sich erstaunt oder begeistert an. Ach, ja. Ich hatte ja abgenommen und sie hatte mich bisher noch nicht gesehen.
"Du bist ja kaum wieder zu erkennen!"
Von starkem Übergewicht zum Normalgewicht.
Ja, das war schon ein Unterschied. "Komm doch rein.", bat sie mich.
"Danke. Ist Lisa da?"
"Ja sie lernt oben für den Test in Spanisch." Oh, nein. Das hatte ich ja total vergessen.
"Lisa? Du hast Besuch!", rief ihre Mutter und kurze Zeit später öffnete sich die Tür und sie trat aus.
"Elena?", fragte sie etwas ungläubig. "Ähm hi."
"Hi.", antwortete ich und fühlte mich etwas unwohl in der Situation.

Sie deutete auf Zimmer und ich folgte ihr nach kurzem Zögern.

"Was machst du?", fragte ich wobei ich es eigentlich genau wusste.
"Ich war Spanisch am lernen. Hast du das nicht gemacht?"
"Ne, ich hab das voll vergessen."
"Ist es wegen dem Freund den du hattest?", fragte sie und ich wusste nicht, was ich dazu erwidern sollte.
"Ähm nein. Ich... bin über ihn hinweg."
"Aha." Lisas 'Aha' war nicht unhöflich. Sie setzte sich wieder an ihrem Schreibtisch und lernte weiter.
"Hör zu... ich wollte dir alles erzählen...", fing ich an, wusste jedoch nicht wie ich den Satz enden sollte.
"... Aber du hattest Julia.", sagte sie.
"Ich, Lisa, das musst du verstehen. Sie hat es mir unmöglich gemacht mit irgendjemand anderen zu reden."
"Du konntest nicht zu mir kommen? Mich anrufen? Weil Julia dich davon abhält? In der Schule ja, aber warum hat dein Besuch so lange gedauert?"
"Ich konnte nicht, wirklich." Verzweifelt fuhr ich mir durch die Haare und schaute Lisa an.
Mittlerweile war sie mir wieder zugewandt und nicht mehr an ihrem Heft.
"Mein Freund hat mich betrogen. Stress mit Caro...."
"Und das Abnehmen nicht zu vergessen."
Für einen Moment war ich sprachlos. Störte es sie etwa, dass ich abnahm? Die Frage stellte ich ihr daraufhin.
"Seit dem du abnimmst, bist du anders geworden. Wir haben nicht mehr die selbe Beziehung wie vorher."
"Aber ich will nicht dick bleiben."
"Das sage ich ja auch nicht. Aber du hast dich mit Julia befreundet und die hat dich auch stark verändert. Guck mal was du trägst. Deine Haare. Dein Wortschatz. Nicht mehr die Elena die ich kenne."
"Ach so, also willst du dass ich wieder dick werde, nicht mit der Mode gehe und meine Haare hässlich werden?"
Lisa zuckte mit den Schultern.

"Ist das dein Ernst?", fragte ich sie. "Damit wir uns jemals wieder verstehen, muss ich mich zurück entwickeln?"

"Heißt das also ich bin zurück entwickelt?", fragte Lisa aufgebracht. War das ihr ernst?
"Naja ich würde nicht sagen, du gehst mit der Mode."
Kurze Stille. "Da bin ich auch stolz drauf!", sagte sie dann etwas lauter. "Besser als meinem Charakter, Familie oder 'beste' Freundin untreu zu sein."
"Das ist gemein was du sagst. Nur weil ich mein Lebensstil geändert habe, muss ich doch nicht gleich ein anderer Mensch sein."
"Geh doch Julia fragen. Julia die eingebildete, hochnäsige und selbstverliebte Schlange! Und soweit ich mich erinnern kann haben wir alle, die mit ihr befreundet waren, auch so genannt."

Ich war sprachlos. Sie hatte mich beleidigt. Wie sauer musste sie dann auf mich gewesen sein...?
Bevor es noch ganz eskalierte, entschied ich mich zusammenzureißen.
"Hör zu. Ich bin gekommen, weil ich mich entschuldigen wollte. Weil es mir leid tut, dass ich dich so hängen gelassen hab." Sie schwieg. Ich sah ihr im Gesicht an, dass sie nicht wusste wie sie reagieren sollte. Dass sie in Erwägung zog mich abzuweisen oder meine Entschuldigung anzunehmen.
"Ich kann nicht.", sagte sie schließlich.
"Was kannst du nicht?"
"Mit dir Zeit verbringen. Außerdem wird das Julia nicht zulassen. Wenn ihr etwas gehört, dann bleibt das auch so." Sie hatte recht. Aber trotzdem war ich nicht zufrieden.
"Du lässt mich gehen?"
"Ja. Ich kann erst wieder befreundet mit dir sein, wenn du so wirst wie früher." Sie deutete auf meine Kleidung. "Und nicht so aufgeblasen."Ich ließ die Schultern hängen. Denn damit hätte ich absolut nicht gerechnet.
"Das meinst du ernst?", fragte ich vorsichtig.
Sie hatte nicht den Mut mir in die Augen zu schauen, dennoch nickte sie. "Ja, das meine ich ernst."
"Ok na dann.", sagte ich und stand auf.
"Komm gut nach Hause.", erwiderte sie nur, begleitete mich nicht zur Haustüre und ließ mich einfach nur gehen. Schon beim Nachhause Weg fing ich zu weinen an, es tat schrecklich weh.
Ich dachte es wäre unmöglich sich mit Lisa zu streiten, weil sie die Ruhe in Person war, aber hier war ihr Limit. Ich habe sie anscheinend wirklich verletzt und das tat wirklich weh.

"Hey Ginger, alles okay?", hörte ich jemand von weitem rufen.
Ich sah Jonas mit ein paar Jungs und auch Mädchen auf der Terrasse bei ihnen im Haus sitzen.
"Ja alles gut.", sagte ich nur und versuchte mir unauffällig die Tränen wegzuwischen.
"Das glaub ich dir nicht.", erwiderte er und lächelte. "Komm zu uns."
"Ich muss eigentlich noch lernen."
Ich dachte an Spanisch.
"Einmal nicht lernen ist okay. Komm schon!" Ich wollte. Unbedingt. Und jetzt da Jonas auch noch extra runter zu mir kam, konnte ich nicht anders als mit ihm zu kommen. Also nach der ganzen Angelegenheit mit Lisa passierte an diesem Tag doch noch was schönes.

Federleicht Where stories live. Discover now