Kapitel 9

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Endlich war es Samstag und ich war froh, dass heute keine Schule war. Kein Jason. Kein Mobbing.
Naja außer von Caro, aber das war nicht so schlimm wie bei Anderen.

Ich konzentrierte mich besser auf das Wesentliche, denn ich wollte eine Runde laufen gehen. Mit leerem Magen war es etwas schwer, aber danach würde ich etwas essen. Ob ich die 10 Minuten schaffen würde?
Doch mit Kopfhörern in den Ohren würde es sicherlich nicht schwer werden.
Als ich anfing schlapp zu werden, dachte ich jedoch an Jason und stellte mir vor, dass er mir folgte.
Automatisch legte ich einen Zahn zu und rannte was das Zeug ging.

Zu Hause vor der Tür, sah ich, dass Jonas wach war.
"Guten Morgen!", rief er mir zu.
Er trug einen Hoodie und eine Jeans und schien ein neues Motorrad zu haben.
"Morgen.", antwortete ich und lächelte.
Okay kurzer Check, wie sah ich aus?
Noch zu dick, keine Frage. Aber ich trug eine enge Leggings, ein Top und Runner. Meine Haare fand ich an diesem Morgen ehrlich gesagt schön, sie waren diesmal geschmeidig gelockt. Aber trotzdem. Ich war rot wie eine Tomate.
"Du bist aber schon früh wach.", sagte er dann und lächelte.

Er hatte recht, wir hatten erst sechs Uhr morgens. Aber im Frühling ging die Sonne ja schon früh auf. Und ich wollte gehen bevor irgendjemand aus meiner Familie das mitbekam.
"Gleichfalls.", sagte ich lächelnd.
Er lachte. "Ich konnte nicht schlafen, ich hab nämlich ein neues Baby. Gefällt es dir?", fragte er und zeigte auf sein Motorrad.
In mir kribbelte alles. Mein Herz pochte.
Ich war über glücklich. Er sprach mit mir.

"Ja, das sieht schön aus."

"Danke. Irgendwann mal können wir zusammen eine Runde fahren. Aber ich muss das noch reparieren."

Wow. Halt Stopp. Er hat mir angeboten mit ihm zu fahren!
"Danke.", sagte ich nur und entschuldigte mich um zu gehen.
Denn ich musste das erstmal alles realisieren. Und natürlich auch duschen.

Ich konnte nicht fassen, dass wir das erste mal seit langem so geredet hatten.
Und das war die Motivation, die ich brauchte um das Frühstück wegzulassen.

Mein Magen verkrampfte sich unter der Dusche. Ich hatte einen riesigen Hunger.
Es war sehr schlimm, es brannte, aber ich musste stark bleiben.
Als ich fertig war ging ich in mein Zimmer und zog mich an.
Vorher stellte ich mich aber auf die Waage und konnte zufrieden feststellen, dass ich 800g abgenommen habe.
Wenn ich jetzt nichts aß würde ich den Kilo vielleicht noch schaffen.

Aber ich hatte so einen Hunger, dass mir schon schlecht war.
Ich ging also in die Küche und suchte und suchte.

Bevor jemand anderes wach sein konnte 'frühstückte' ich, wobei ich Marmelade, Nutella und Butter alles auf den Tisch stehen ließ, damit es so aussah als hätte ich es gegessen. Dann nahm ich ein Knäckebrot, brach es entzwei, und ließ es krümeln, sodass es auch so aussah, als hätte ich wirklich etwas gegessen.
Mama würde ganz sicher glauben, dass ich gefrühstückt hatte und- oh wie schrecklich erzogenes Mädchen!- alles auf den Tisch stehen ließ ohne abzuräumen.
Ich holte mir dann auch die Milch, füllte eine Tasse damit, und kippte sie anschließend wieder zurück.
Jedenfalls sah alles in einem dann aus, als hätte ich normal gegessen.

Ich reduzierte mein Frühstück wie immer auf ein paar Gurken Scheiben und einem Apfel.
Auch wenn mein Magen immer noch grummelte, ging ich wieder hoch in mein Zimmer und lernte für die bevorstehenden Klausuren.

Ich musste nämlich in jeder Uni angenommen werden. Auch in der Uni, wo Jonas geht. Ich würde mir jedes Basketball Spiel angucken. Wir könnten uns über Lehrer und Fächer unterhalten. Ich sah ich ja schon so oft, er war schließlich unser Nachbar, aber ich würde ihm dann noch näher sein. Mein größter Wunsch.

Und am liebsten wäre ich auch noch seine Freundin.
Ich würde ihn küssen, und immer glücklich sein, sobald ich ihn sehe.
Am liebsten würde ich die ganze Zeit bei ihm sein.
Dann wären mir sogar Schulfächer egal.

Wo ich gerade bei Schulfächern bin- ich musste weiter lernen und durfte nicht an irgendetwas anderes denken.
Aber so lange ich auch hier saß und mich anstrengte, irgendwie blieb nichts in meinem Kopf hängen.
Manchmal, fand ich, hatte man einfach so Tage, in denen man nicht lernen konnte. Man war physisch und kognitiv nicht in der Lage dazu.
Heute war einer davon.
Also klappte ich die Bücher zu und legte mich auf mein Bett.

Da ich ja früh aufgewacht bin und für ganze zehn Minuten lang joggen war, war ich sehr erschöpft und hoffte irgendwann einzuschlafen.
Doch sobald ich meine Augen schloss, grummelte mein Magen.
Ich drehte mich zur anderen Seite, aber trotz meiner Erschöpfung konnte ich nicht so schnell einschlafen.

Ich glaubte eingeschlafen zu sein.
Bis Caro in mein Zimmer kam.
"Aufstehen, du musst den Küchentisch abräumen."
Küchentisch?, fragte ich mich. Ich hatte doch kaum etwas gegessen- aber dann fiel es mir wieder ein: Mein Plan. Anscheinend hat er funktioniert.
"Hattest du so Hunger heute, dass du extra früher aufgestanden bist? Ist nicht schlimm Schwester Herz, nicht jeder schafft eine Diät."
Sie ging wieder raus und ließ die Tür auf.
Ich wiederum war froh, dass es so gut funktioniert hatte.
Ich ging also runter und Mama beobachtete, wie ich den Tisch abräumte.

"Wenn man etwas schmutzig macht, muss man es doch wieder aufräumen. Kennst du die Regel nicht mehr?"

"Doch aber ich hab's vergessen.", antwortete ich nur, während ich das Nutella Glas, das unnormal viele Kalorien besaß!, in den Schrank stellte. Ich konnte nicht fassen, wie viel ich in letzter Zeit log, das war mir eigentlich überhaupt nicht ähnlich.
Aber es musste sein.
Sonst würde ich mein Ziel nicht erreichen, und für viele Dinge im Leben musste man Prioritäten setzen.
Meine Diät und mein Körper hatten die Höchste.

"Isst du jetzt noch mit uns?", fragte Mama in meine Richtung.
Ich legte meine Hand auf meinen Bauch um zu signalisieren, dass ich voll war.
"Ne ich kann nicht mehr."
"Okay gut, aber das nächste Mal könntest du aus Höflichkeit auf das gemeinsame Frühstück warten."
Jaja, beim nächsten mal.
Bestimmt nicht.
"Wie viel Uhr warst du denn schon wach?", hakte Mama weiter nach.
"Um fünf."
Noch eine Lüge. Aber ich musste Prioritäten setzen.
Und es musste glaubwürdig erscheinen.
"Okay.", sagte sie.
Ich merkte, dass sie mit mir ein Gespräch führen wollte. Ich sollte ihr erklären, warum ich mich rückartig verändert habe.
Aber das würde ich nicht.

Also ging ich gleich hoch, nach dem ich die Milch in den Kühlschrank stellte.
Und dann versuchte ich alles, außer an Essen zu denken.

Federleicht Where stories live. Discover now