Kapitel 20

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Caro hatte seit einiger Zeit beschlossen mich zu ignorieren. Vielleicht dachte sie, dass mich das verletzen würde, aber sie tat mir damit eher ein Gefallen. Ich schaute vom Frühstückstisch zu ihr rüber.
Ihre Augenbrauen waren hoch gezogen. Ihr Mund geschwollen. Sie hatte ihren Bitch- Blick drauf.

"Starr mich nicht so an.", zischte sie, ohne mich dabei anzugucken.
Und das tat ich dann auch, ich schaute weg. Jedoch begegnete ich dann einem Blick, der mich im Fokus hatte.
Papas.

"Alles okay?", fragte ich ihn.
"Ja, ja.", sagte er nur und strich sein Brot mit Marmelade.
Mir fiel auf, dass ich in letzter Zeit noch weniger Kontakt zu Papa hatte. Vielleicht fiel mir das auf, weil ich nicht mehr die gleiche Beziehung zu Mama hatte und nun kein Elternteil an meiner Seite hatte. Ich fragte mich, was Papa über diese ganze 'Abnehm- Sache', wie Mama sie immer nennt, denkt. Jedenfalls war er nicht so eifrig bei der Sache wie Mama, oder Caro. Ich hatte vielleicht schon im Gefühl, dass es ihm egal wäre. Abnehmen ist Mädchen und Frauen Kram und dafür war er nicht zuständig. Nur wenn es um Autos, platte Räder oder, das hört sich jetzt bestimmt komisch an, aber wenn es um Geld ging, dann war er zuständig.
"Elena, iss.", mahnte Mama mich.
Ich biss in das trockene Knäckebrot und trank ein Schluck Wasser.
"Wie lange hast du das noch vor?", fragte Papa.
Dann wusste ich warum er mich gerade angestarrt hatte. Er hatte sich also doch um meine Diät Gedanken gemacht.
"Ich weiß nicht. Bis ich dünn bin.", antwortete ich ehrlich.
"Was heißt denn für dich dünn?", fragte Mama und ich glaubte jeder in diesem Raum hat ihren strengen Ton bemerkt.
"Vielleicht wie Caro?", fragte ich. Genau das würde sie nämlich provozieren, ich wusste es.

Und wenn Blicke töten könnten, sah Caros in dem Moment so aus, als wäre sie der schlimmste Killer aus ganz Deutschland.
"Hmm.", machte Papa, zuckte mit den Schultern und aß weiter.
"Willst du deiner Tochter nichts dazu sagen?!", fragte Mama und schrie Papa fast schon an, was mich kurz erschrak.
"Das geht mich doch nichts an.", verteidigte er sich, immer noch gelassen. "Sie ist alt genug um selbst zu entscheiden was sie tut."

Wow. Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. Und ich war total seiner Meinung.
"Soll sie doch sterben vor lauter Abnehmen.", murmelte Caro, so laut, dass alle es hörten.
Und jeder stockte gerade in seiner Bewegung.
"Hast du das gerade echt gesagt?", fragte ich Caro.

Sie nahm ihren Teller und ihre Tasse, ging ans Waschbecken und dann in ihr Zimmer.
Mama seufzte als sie ging. Dabei fielen ihre roten Haare über ihre Schultern und sie wirkte völlig ausgepowert.
"Seit dem du abnimmst, bringst du nur Probleme in diese Familie.", sagte Mama mit heiserer Stimme vor sich hin.
"Caro wünscht mir den Tod, und ich kriege dafür Ärger?", fragte ich sie dann unglaubwürdig. Ich konnte nicht fassen, dass sie es ernst meinte. Sie wollte, dass es so ist wie früher, wo man Caro besser behandelte, ich mich vollstopfte und ihr versicherte, dass sie die beste Köchin der Welt war. Ich war so froh, dass es nicht mehr der Fall war.

Dennoch war ich froh, dass wir uns stritten, denn re war der perfekte Augenblick um auch zu fliehen und weniger zu essen. Ich stand auf und ging. Vorher stellte ich aber meine Tasse und Teller ebenfalls in die Spülmaschine.
Während ich die Treppen hochging, hörte ich Mama und Papa über uns reden, aber das war mir irgendwie egal. Auch das was Caro gerade gesagt hatte, war mir komischerweise Pustekuchen.

Denn das was zählte, war meine Diät und ich hatte nie gewusst wie ehrgeizig ich war.
Doch ich kannte die Gründe dafür. Erst einmal Paul. Aber auch da morgen wieder die Schule anfing und ich in der ganzen vergangen Zeit abgenommen und schrecklich gelitten habe. Es würde allen auffallen.

*

Ich radelte fleißig auf meinem Fahrrad und freute mich das erste Mal seit langem in die Schule zu kommen. Ich trug ein Outfit, was mir Julia kombiniert hatte. Eine Boyfriend Jeans mit einem enganliegendem, schwarzen Oberteil. Dazu Sneakers und einen coolen Rucksack.
Nicht nur, dass ich abgenommen hatte. Mein Style hatte sich auch geändert. Und das hatte ich Julia zu verdanken.

Wie jeden Morgen standen einpaar Jungs am Eingang der Schule, wo auch die Fahrräder angeschlossen waren.
Ich weiß nicht, ob ich es mir nur einbildete, aber ich glaube sie schwiegen für einen Moment.
Denn sonst würden Kommentare wie "Fatty" oder "Fat Elena" oder ähnliches kommen.
Heute kam aber nichts.

Als ich jedoch die Treppen hochstieg hörte ich wie jemand mir zupfiff. Es war mir zwar auch unangenehm, doch es war immer noch besser als Fatty.
Ich sah Lisa an unserem Stammplatz sitzen und ging auf sie zu.
Natürlich merkte ich auch, wie sie mich musterte. Mir war Mode und Kleidung nie wichtig gewesen, und jetzt kam ich so gestylt zu ihr. 
Während ich aber auf sie zuging, wurde ich aufgehalten.
"Wo gehst du denn hin, Loser?", fragte Julia und lächelte mich an.
Okay damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.
Dass wir zusammen in die Stadt gingen, war eine Sache. Aber dass sie mit mir in der Schule sprach, war eine andere. Ich war doch die Außenseiterin, Streberin und die Fette, wie viele mich nannten. Einer der einzigen Übergewichtigen der Schule. Und sie sprach mich dennoch an.

"Du siehst super aus!", sagte sie begeistert. "Mein Kunstwerk."

"Ja, Danke.", sagte ich.
Sie zuckte jedoch nur mit den Schultern. "Jederzeit, Süße. Das macht mir nämlich richtig Spaß."
"Hey.", sagten nun auch Anna und Bella zu mir. Mir fiel auf, dass hier jetzt noch mehr Mädchen standen, beziehungsweise Julia folgten. Und ihre Aufmerksamkeit richtete sich voll und ganz auf mich.
"Wow, Elena wie hast du das geschafft?"
"Du siehst super aus!" Und noch weiteres.
Ich war aber noch dick. Das wusste ich selber.
Aber was sie faszinierte war nur, wie ich vom Übergewicht zu etwas Normalerem kam.
"Wo wolltest du eigentlich gerade hin?", fragte Julia mich.
"Ähm zu Lisa."

Sie drehte sich um und schaute Lisa an. Ich bemerkte wie sie das habe Geschehen still beobachtet hatte.
"Nein. Zu ihr darfst du kein Kontakt mehr haben." Sie nahm meinen Arm. "Komm.", kommandierte sie mich.
"Wieso kann ich kein Kontakt mehr zu ihr haben?", fragte ich dann.
Es war etwas unheimlich, dass Julia sich bei mir einhakte und uns mehrere Mädchen folgten.
"Sie ist ein Loser. L. O. S. E. R. Buchstäblich und ernst gemeint."
"Aber so hast du mich gerade auch genannt."
Julia verdrehte die Augen. "Bei dir war es nicht buchstäblich und ernst gemeint, Schätzchen. Ab sofort wirst du morgens und in jeder Pause nach hier kommen."
Stolz zeigte sie auf die legendäre Raucherecke dieser Schule.
Wo nur die coolsten und angesagtesten der Schule waren und ich durfte nun auch hier abhängen, was mir eine große Ehre war.
"Neuer Schulanfang. Neues Jahr. Neue Elena.", flüsterte sie mir ins Ohr und zog mich mit zu den Jungs.
Zu Jason.

"Hey, hey.", sagte er und schaute mich von oben bis unten an. "Sieh dich an, Mäuschen."

"Jason, sie war auch auf deiner Party.", sagte Julia in einem besser-Wisser-Ton.
"Ich war an meiner Party voll und hatte nur Augen für dich." Er lächelte sie höhnisch an und dann küssten sie sich. Sehr leidenschaftlich sogar.
Ich ging ein Schritt zur Seite, da mir das etwas zu viel war.
Generell, die ganze Situation. Nicht, dass es mir unangenehm war. Ehrlich gesagt war es mir eine Ehre hier sein zu dürfen. Aber mir war alles so... neu.
"Willst du 'ne Kippe?", fragte Anna mich und bot mir eine Zigarette an.
"Ne, Danke.", sagte ich.
Sie zuckte mit den Schultern.
Dann stellte sie mir alle vor, die hier waren, was ich sehr nett fand.
Es klingelte irgendwann zum Unterricht. Ich hatte Montags in den ersten beiden wie immer Sport.
Aber diesmal würde ich in meine Uniform passen und nicht als letzte Fertig sein. Und das Umziehen wäre mir nicht so unangenehm wie sonst.

Das Thema war diesmal Ausdauer und Koordination. Mich wunderte es etwas, aber sogar die Sportlehrerin, die mich einst immer gehasst hat, machte mir einen nettes Kompliment. Und sie hatte mir versprochen mir eine neue Uniform zu besorgen.
Meine war mir nämlich zu groß.

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Hallo zusammen!
Guckt jemand gerade auch Haus des Geldes? Die neue Staffel ist ja raus 😍😍

Federleicht Where stories live. Discover now