Kapitel 26

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"Du hast mit Paul schlussgemacht?", fragte Julia während Bella an meinen Haaren spielte. Wir hatten gerade eine Freistunde und waren in der Mensa, um die Zeit für die nächste Stunde zu überbrücken.
"Ja, ich hatte einfach keine Lust mehr."
Julia schaute mich besorgt an, aber dann änderte sich ihr Blick plötzlich. Sie hatte ihre Brauen kritisch hochgezogen.
„Nicht, dass du schlussgemacht hast, damit wir kein Doppeldate machen?", fragte sie misstrauisch.
"Was? Nein!" Wie kam sie denn nur auf sowas? Ich hatte frische Wunden und sie sagte dann das?

"Ich glaube dir nicht.", antwortete sie skeptisch.
"Das stimmt aber.", wiederholte ich und konnte nicht fassen, dass sie mir nicht glaubte.
"Okay, wenn das so ist, gehen nur wir beide heute essen, ohne Jungs."
Ich zuckte mit den Schultern. "Und du isst.", sagte sie in einem schärferen Ton.
"Aber ich will abnehmen.", sagte ich dann doch, verwundert darüber, warum sie das von mir bat.
"Ich will aber, dass wir zusammen essen gehen.", wiederholte sie gereizt.
Ich hielt kurz inne. Was sollte das Ganze...? Es machte mir langsam Angst, denn es war so komisch...

"Und?", fragte sie schließlich und lächelte mich mit einem Mal wieder warm an. Es war schon unheimlich wie sie von einem Moment genervt und misstrauisch zu freundlich und lieb wechseln konnte.
"Nein ich möchte nicht essen." Ich dachte an das was Paul gesagt hat. Ich dachte an Caro. Ich durfte auf keinen Fall etwas essen. Erst recht nicht in einem scheiß Restaurant!
"Geh weg.", sagte sie und ihr Lächeln war verschwunden. "Ich will dich den ganzen Tag nicht sehen."

Ich war wie versteinert. Bella hörte sogar auf meine Haare zu frisieren, stand auf und machte mir genügend Platz, dass ich an ihr vorbei konnte. Ich schaute zu Anna rüber, die keine Regung zeigte. Sie war die ganze Zeit in ihrem Handy vertieft, wie jetzt auch. Es war für die beiden normal. Sowas unerklärliches, gemeines war für sie normal. Also musste Julia sie auch mal so behandelt haben.
Nach dem ich zwischen Julia und den Mädchen geschaut hatte, stand ich auf, nahm meine Tasche und ging, immer noch darüber verwundert, was das gerade war. Das war doch krank! Wo sollte ich hin? Was sollte ich jetzt tun? Ich kämpfte mit Tränen, die Sache mit Paul hatte ich immer noch nicht verarbeitet. Alles brachte mich zum weinen, ich war zurzeit überemotional. Ich eilte zu einem Ort, wo nicht viele Leute waren, nämlich zur Bibliothek.
Ich ging zügig die Treppen runter und stieß vor lauter Hektik gegen eine Person.
Die Sachen vielen runter und bevor ich wusste wer es war, entschuldigte ich mich und half beim Aufheben.
Als ich die Sachen der Person wiedergab, sah ich Lisa ins Gesicht.

Ich bin ausgerechnet gegen Lisa gestoßen.
"Ähm danke.", sagte sie.
"Ich... Sorry, ich hätte nicht so schnell gehen sollen." 
Wie sehr sehnte ich mich danach mich bei ihr auszuheulen...? Ihr alles zu erzählen. Und mich daraufhin besser zu fühlen. Es war genau das was ich brauchte.

Aber wie ich sie im Stich gelassen habe, hat sie jetzt genau das gleiche Recht. Wir schauten uns wortlos an, ich glaube wir wollten uns beide so viel sagen und alles klären. Aber ich bekam nichts raus. Genau so wenig wie sie.
"Okay Tschüss.", sagte sie schließlich doch und ging. Ich konnte nicht anders als ihr hinterher zu schauen. Denn mir wurde bewusst was ich mit ihr verloren habe. Eine echte Freundin.

Ich setzte mich an die hinterste Ecke der Bibliothek wo man mich kaum sehen konnte. Mein Gesicht stützte ich auf meine Hände und seufzte tief, wobei ich zitterte. Aber hier und jetzt wollte ich auf keinen Fall weinen.
Jedoch konnte ich nicht anders als den gestrigen Tag Revue passieren lassen:

*

"Bist du jetzt zufrieden?!", kreischte Caro als sie in mein Zimmer stürmte.
Schnell versteckte ich die Rasierklinge unter meiner Decke und zog eine Sportjacke an. Sie durfte nicht wissen, dass ich mich ritzte, das hatte zu viele Folgen. Mama. Papa. Und Caro würde mich damit erpressen. Aber das war mir jetzt nicht wichtig. Ich kam nicht darauf klar, was Caro mir vorwarf.

"Ich muss zufrieden sein?! Du bist mit meinem Freund fremdgegangen.", fragte ich aufgebracht.
"Er wollte es! Er kam hierher und hat mich dazu gebracht."
"Und du hast es zugelassen! Wie kannst du Jonas Fremdgehen?! Wie kannst du..." ich kämpfte mit Tränen. "Wie kannst du mir... deiner Schwester, so etwas antun?"
"Jetzt dreh den Spieß nicht um! Ich bin hier das Opfer. Jonas hat mit mir Schluss gemacht!"
"Ich soll den Spieß nicht umdrehen?! Du hast das alles doch angefangen. Du hast deinen Freund betrogen!"
"Paul war es, zum zweiten Mal! Verstehst du nicht?! Er ist nach hier gekommen und wollte mit mir Zeit verbringen. Was kann ich denn dafür, wenn er dich nur ausnutzt um an mir ranzukommen?!"
Outsch. Das hat weh getan. Sie hat mich genau da getroffen, wo es wehtut.
"Jetzt bist du sprachlos?! Paul hat dich von Anfang an benutzt. Er hat dich nie geliebt, weil du fett bist. Weil du eine fette Kuh bist. Hast du das verstanden?! Eine blöde, fette Kuh, die meine Beziehung zu Jonas zerstört hat."
Ich wollte mich hart zügeln, aber ich schaffte es nicht.
Ich weinte vor ihr.
Ich gab ihr die Bestätigung.
Ich verlor.

Sie verließ das Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.
Dann stampfte sie weinend zu Mama und heulte sich bei ihr aus. Sie erzählte ihr Lügen, stellte mich schlecht und sich selbst als Opfer dar.

Ich hasste sie.

*

Hier zu sitzen und über all das nachzudenken machte mich kirre. Anstatt mich über meine Probleme zu beklagen, musste ich handeln. Ich wollte nicht mehr fett sein, wie Caro mich beschrieben hat, ich wollte mehr abnehmen. Und genau das würde ich nun tun.

Schwänzen war eigentlich nie eine Option für mich gewesen und kam nie für mich infrage. Allerdings fühlte ich mich jetzt dazu verpflichtet. Also ging ich zum Fitnessstudio, anstatt den Deutschunterricht zu belegen.

Federleicht Where stories live. Discover now