Kapitel 61

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Ich wurde gleich daraufhin entlassen, der Arzt sagte, ich hätte nur einen Nervenzusammenbruch gehabt, aber gesundheitlich ging es mir gut.
Nach meinem mentalen Zustand hat keiner gefragt, das war ja auch egal. Nur die Zahl auf der Waage zählte, damit die ihr monatliches Taschengeld bekamen.

"Ich will das nicht machen.", sagte ich, war wieder den Tränen nahe und Amanda schaute daraufhin von ihrem Buch auf. Amanda hat mir ihr Handy gegeben, damit ich googeln konnte und die Bilder der Sondentherapie waren wirklich gruselig. Ich hatte mir ein Bild von einem Pferd angesehen, was wegen den Schläuchen aus der Nase blutete.

"Ich weiß.", sagte Amanda. „Ich bin dir ehrlich, es ist ein schreckliches Gefühl." Sie legte das Buch auf ihren Nachttisch und legte den Kopf schief. "Das was mich an der Sache stört, ist, dass die das ganz klar gemacht haben um ihre Macht zu zeigen. Du musst dich ihnen unterwerfen und das ist die Strafe, die du verdienst." Sie schüttelte den Kopf. "Genau deswegen mag ich Sabrina nicht. Die ist schlau wie ein Fuchs und weiß immer wie sie wann handeln soll."
Diese Worte waren keineswegs tröstlich. Ich wollte diese Therapie wirklich nicht machen.

"Das hilft nicht.", sagte ich ehrlich worauf Amanda seufzte. Ich hatte glaub ich noch nie so viel Angst in meinem Leben. Ich wollte kein Essen durch meine Nase zugeführt bekommen. Das musste schrecklich wehtun und es musste schrecklich ekelerregend sein. „Kann ich mich nicht dagegen wehren?", fragte ich Amanda.
„Nein, weil du minderjährig bist. Wenn deine Eltern einverstanden sind, was sie in deinem Fall offensichtlich sind, denn Sabrina braucht ihre Erlaubnis, dann findet die Sondenernährung statt."

„Es ist mein Körper!", sagte ich entsetzt und voller Sorge und Angst.

"Weißt du noch, als ich dir von der Müllabfuhr erzählt habe?", fragte Amanda und schaue mich erwartungsvoll an.

Komplette Stille.
Es war so still, dass man sogar die Uhr laut ticken, und die Autos draußen hörte.

"Ja.", antwortete ich.

"Morgen kommt sie, um sechs Uhr morgens. Um acht Uhr hast du deine Sondenernährung. Das heißt du hast eine Chance dem zu entgehen."

Ich antwortete nicht direkt, da ich in meinem Kopf pro und contra erwog.
Ich müsste keine Sondentherapie erhalten, den Schmerz nicht ertragen. Ich sehnte mich danach hier raus zu kommen, erst recht da ich mehr als eine Woche nicht lange an die frische Luft durfte. Ich wollte mich nicht Sabrina unterordnen, und ich wollte diesen verdammte Schlauch nicht in meiner Nase haben.
Amanda hatte recht, ich aß, es gab keinen Grund dass ich das machen musste und dass es notwendig war.
Es war nur eine Sache der Macht und dass mich hier keine Schwester leiden konnte.
Anderseits würde das Konsequenzen haben, wenn ich abhaue. Ich konnte ja nicht ewig wegbleiben und müsste früher oder später nach Hause kommen.
Die Schwestern würden mich nach meiner Rückkehr noch mehr hassen, als sie es ohnehin schon tun. Und diese Sonde müsste ich auch früher oder später ertragen.

Aber trotzdem war der Gedanke von hier wegzukommen mehr als verlockend.
Ich könnte zu Mama und betteln dass ich hier raus kam, bestimmt konnte ich sie umstimmen. Wenn ich heulend an ihren Füßen saß und sagte sie würden mich schlecht behandeln- was ja auch der Wahrheit entsprach- würde sie dem zustimmen. Ich bin mir sicher, sie würde mich einer anderen Klinik zuweisen, und das war schon mehr als genug.
Dort würde ich dann normal zunehmen, schwor ich mir.

"Überleg es dir gut.", sagte Amanda und riss mich aus meinen Gedanken. "Es lohnt sich alleine für die kurze Zeit Freiheit und nicht hier eingesperrt zu sein."

Ja, es lohnte sich.

*

Es war laut und gleichzeitig auch komplett still.
Denn ich saß an einem einzelnen Tisch beim Abendessen, während sich die anderen lauthals unterhielten. Ich hörte alles ohne wirklich hinzuhören.
Heute entschied ich nicht viel zu essen, da ich ja morgen eh zur 'Sondentherapie' müsste. Also stach ich nur an dem Essen rum, und schaute durch den Raum.

Federleicht Where stories live. Discover now