Kapitel 24

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Bevor Paul ging, küsste er mich auf die Stirn. Ich lag auf meinem Bett, in meinem Kopf war ein Gefühlschaos. Liebe. Eifersucht. Sehnsucht. Wut. Und Enttäuschung.
Es war zu viel in diesem Moment und ich konnte meine Tränen nicht zurückhalten, sie strömten in Flößen. Ich musste mit irgendjemanden reden, aber ich fühlte mich allein.
Während es klingelte, bekam ich unwillkürlich Herzrasen.
War es eine richtige Entscheidung Julia anzurufen und ihr alles zu erzählen? Sie hatte bestimmt gute Tips und Ratschläge. Aber sie ging nicht ran. Was war mit Anna?
"Hallo?", fragte sie ins Handy. Ich konnte sie kaum hören, weil es im Hintergrund so laut war.

"Hey, hier ist Elena."
"Oh hi Elena.", sagte sie sichtlich überrascht.
"Wo bist du?"
"Wir sind in einer Bar. Warte mal kurz, bleib mal dran."
Ich hörte, wie sie sich mit jemanden unterhielt und dann meldete sie sich wieder.
"Was ist denn los?", fragte sie.
"Ähm... Ne ist alles okay. Ich wollte nur kurz... mir war langweilig."
"Ah, okay na dann. Ähm Julia will mit dir reden, ich gib sie dir okay?"
"Elena?", fragte Julia und ich hoffte innig, dass sie mich fragte ob ich auch kommen möchte. Denn das würde mich ablenken und ich würde mich weniger einsam fühlen.

"Hey."
"Könntest du mir bitte ein riesigen Gefallen tun?"
"Ja klar."
"Ich verstehe die Hausaufgaben in Wirtschaft überhaupt nicht. Könntest du sie mir schicken?"
"Ähm, ja klar.", sagte ich.
"Okay, Danke Baby, hab dich lieb. Tschüss!"
Sie legte dann auf. Sie haben etwas ohne mich gemacht. Obwohl ich mich zu ihren Freundinnen zählen würde, haben sie sich nicht verpflichtet dazu gesehen, mich einzuladen. Ich wurde erneut ausgeschlossen.
Und dann fragt Julia mich ob ich ihr die Hausaufgaben schicken kann. Sie nutze mich nur aus.
Also hatte ich gar keinen Menschen an den ich mich wenden konnte.
Mama verstand mich nicht. Papa mochte 'Mädchenkram' nicht. Caro war der Grund meiner Probleme. Lisa konnte ich keineswegs anrufen.
Ich war allein.

Von unten hörte ich die Haustüre, und dass Papa nach Hause kam.
Caro war nicht da, Mama am nähen. So alleine wie ich mich gerade fühlte, brauchte ich irgendjemanden. Also wischte ich mir die Tränen weg, ging mit kaltem Wasser über mein Gesicht und wartete noch etwas, bis ich wieder normal aussah.
Dann ging ich runter zur Küche, wo Papa saß und aß.
"Hallo, Papa.", sagte ich.
"Hallo Liebes. Hast du Hunger, willst du mit mir essen?" Ich sah ein Schimmer Hoffnung in seinen Augen.
"Nein, ich hab schon gegessen Danke."
Wobei ich eigentlich einen großen Hunger hatte. "Ich wollte einfach mit dir quatschen."
"Ah okay. Wie läuft die Schule?"
"Hat gerade erst angefangen, Papa."
"Ach ja stimmt."
Eine kurze Stille entstand.
"Kennst du das, wenn es so Tage gibt, in denen du dich von allen ausgeschlossen fühlst?", fragte ich.
Papa war etwas verwundert, aber er fragte dennoch nicht direkt nach, wofür ich dankbar war.
"Ja, das kennt jeder Mensch. Es ist kein schönes Gefühl."
"Ich weiß."
"Möchtest du darüber reden?"
Ich schüttelte den Kopf.
"Okay, willst du denn loswerden um wen es geht?"
"... Um Caro."
"Oh.", sagte Papa nur. "Naja wir wissen ja beide dass Caro viele Freundinnen hat, mit denen sie fast jeden Tag etwas unternimmt."
"Ne, das stört mich ja auch gar nicht. Es war... Paul war heute da. Und Caro hing die ganze Zeit an uns, bis sie mich irgendwann ganz ausgeschlossen haben."
Papa schwieg kurz. "Kann ich Paul eigentlich auch irgendwann kennenlernen?"
"Ja, klar, aber darum geht es doch gar nicht."
"Ja, ja, stimmt. Hmm.. blöde Situation. Ich kann dir da aber irgendwie nicht weiterhelfen."
"Ich weiß." Ich musste sogar schmunzeln, weil ich genau wusste- Papa war nicht gut in solchen Angelegenheiten. "Ich habe aber eine gute Nachricht für dich. Mein Chef wird bald in Rente gehen und er hatte öfters darauf hingewiesen, dass er mich den Laden weiterführen lässt."

"Wow, super!"
"Ja. Das würde eine Beförderung bedeuten. Und ich weiß wie Frauen ihren Frust verarbeiten- in dem sie schoppen gehen!"
Ich musste lachen. Papa war so überfordert mit der Situation, dass er mir Geld fürs Shoppen versprach.
"Und dann bist du wieder glücklich."
"Ja, genau Papa."
Dann kam Mama in die Küche. "Hast du gegessen?", fragte sie mich. Nur weil ich vor Papa nicht lügen wollte, schüttelte ich den Kopf. Sie seufzte und setzte sich zu uns. Anscheinend betrachtete sie diese Situation als die Chance mit mir zu reden. Wir waren zu dritt. Caro war nicht da. Und ich saß freiwillig hier.
Also bevor sie irgendetwas sagen konnte, entschuldigte ich mich, murmelte etwas von Hausaufgaben und ging in mein Zimmer.
Schade Mama, aber nicht heute, dachte ich als ich ihren enttäuschten Blick gesehen habe.

*

Viel Zeit verstrich und meine Zeit verbrachte ich mit nicht schönen Erlebnissen. Ich gehörte nun offiziell der Julia Clique an. Wenn sie irgendwo (überall) eingeladen wurde, durfte ich auch kommen. In der Schule hat man uns respektiert, sogar bewundert. Und auf dem Pausenhof war Lisa nicht mehr. Ich war mir ziemlich sicher, sie verbrachte Zeit in der Bibliothek, aber laut Julia war der Ort nur für Loser. Also war es ein no-Go dahin zu gehen.

Aber das war gerade nicht mein Problem gewesen. Mein Problem war größer. Es war etwas schrecklich. In Mathe war ich schon immer die Klassenbeste. Meine schlechtesten Noten waren zweien, die gerade an der eins vorbei gingen. Doch heute bekam ich zum ersten mal in meinem Leben eine fünf. Ich konnte es nicht fassen, in meinem absolut bestes Fach. Und sogar der Lehrer war verwundert über meine nichterbrachte Leistung.
Was mich am meisten wunderte, ich lernte total viel! Das war ja sogar die Hauptbeschäftigung um mich vom Hunger abzulenken. Wie konnte ich so viel lernen und trotzdem eine schlechte Note bekommen? Ich ging langsam nach Hause, überlegte trainieren zu gehen, aber Paul hatte gesagt er wäre zurzeit beschäftigt und wir trainieren immer zusammen. Vor dem Haus- keine Sicht von Jonas. Ich versuchte den Gedanken an ihn zu verdrängen, und versuchte mich nur auf Paul zu konzentrieren. Ich hatte heute früher frei und spielte mit dem Gedanken mich mit Paul zu treffen. Aber ich ließ es schließlich doch sein. Stattdessen wollte ich mir meinen Mathe Test genau angucken, die Note bedrückte mich noch immer.
"Hallo Mama.", sagte ich während ich an ihr vorbei ging.
"Hallo."
"Wie war die Schule?"
"Ähm gut.", log ich. Für sie wäre es ein Schock- Elena hat Mathe verhauen. Naja für mich war es auch ein Schock. Ich ging also schnell an ihr vorbei und mir fiel auf, dass Caro nicht alleine in ihrem Zimmer war.
Ich hörte es (peinlicherweise) anhand, Kichern, lautes Atmen und einer männlichen Stimme.

Und dann realisierte ich etwas, was mein Herz zum Stehen brachte. Die männliche Stimme bei Caro kam mir nämlich bekannt vor. Es war aber nicht die von Jonas. Sondern die von Paul.

Federleicht Where stories live. Discover now