Kapitel 39

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Es war gemein und dreist von mir das zu denken. Aber seit dem Mama nur mit Papa eschäftigt war, lag der Fokus nicht mehr auf mich und meiner Diät.
Caro und ich standen ihr immer bei. War ja auch verständlich- sie war am Boden zerstört und tief erschüttert. Papas Outing kam ja auch sehr überraschend. Jedenfalls halfen Caro und ich ihr beim Aufräumen und Kochen. Wenn sie von ihrer Teilzeit Arbeit wieder nach Hause kam, hatte sie keine Kraft sich in die Küche zu stellen, obwohl dies mal ihre absolute Leidenschaft war. Ehrlich gesagt nutzte ich diese schreckliche Situation für mich aus. Mama achte, dass Caro und ich ihr das Leben vereinfachten- dies war ja auch der Fall- aber beim Essen war schon meine Grenze. Ich spielte ihr vor, dass ich ihr zuliebe mit dem Abnehmen aufgehört habe, wobei ich Kilos verlor wie der Weltmeister. Allein an diesem Morgen sah ich, dass ich einen Kilo abgenommen hatte. Ich wog nun 59kg! Ich hatte endlich die 50 geknackt! Auch wenn ich mich schrecklich darüber freute, die Sache mit Papa brach mir immer noch das Herz. Ich hatte ja genau gehört was er sagte. Er hat keine Lust auf Streitereien von Caro und mir und auf meine Diät. Er vergnügte sich lieber mit seiner Assistentin, bei der er gerade auch lebte. Natürlich war es gut, dass er nicht hier war, aber anderseits fehlte er doch. Ich fragte mich ob er mich auch vermisste, aber ich bezweifelte es. Gerade ich wusste wie es ist verliebt zu sein, und da vergaß man wirklich alles. Sogar die Diät.

...

Mama ging es lange Zeit schlecht. Sogar zwei Monate nach der Trennung. Zwei Monate sind vergangen, da hatten Caro und ich ihr die ganze Zeit geholfen (obwohl Caro irgendwann nachgelassen hat). Der Familienrhythmus ist irgendwie auseinander gefallen. Kein gemeinsames Abendessen. Keine Besuche. Keine Gäste.
Für Mama war es ja noch ein öffentlicher Skandal, da sie ja stets darauf achtete, was andere Mütter von ihr dachten und sie in Konkurrenz zu ihnen stand. Dass der Ehemann, sie für eine andere, hübschere, jüngere verlassen hat, war ihr sehr peinlich. Und es tat mir leid.
Ich wiederum konnte Abnehmen was das Zeug ging. Ich nahm ab, immer mehr und immer einfacher. Es tat gut den Hunger zu spüren und zu wissen, dass ich davon dünner wurde.
Auch bei Jonas ging es manchmal gut zu. Ich sagte ich aß zu Hause und da hat er mir geglaubt. Er bemitleidete mich etwas, aufgrund der Sache meines Vaters und deswegen viel auch bei ihm meine Diät in den Hintergrund. Wenn ich ihn nicht hätte, wäre ich bestimmt depressiv.
Nicht zu vergessen, ich hatte keine Freunde mehr in der Schule. Ich wurde von Julia, Lisa und co ignoriert. Ich hatte weiterhin schlechte Noten und zu guter Letzt habe ich auch Drama zu Hause wegen der Trennung von meinen Eltern.
Aber immerhin hatte ich Jonas. Ich war so glücklich mit ihm, dass ich den ganzen Schmerz der anderen Situationen kompensieren konnte. Er brachte mich immer zum Lachen, zauberte mir immer ein Lächeln im Gesicht und ließ mich bei Küssen die Welt vergessen. Im Moment räumte ich die Spülmaschine aus während Mama im Wohnzimmer saß und ein Buch las. Ich brachte ihr auch einen Tee und sie lächelte mich kurz an, bis das Lächeln wieder erstarb und sie ernst das Buch weiter las. In der Küche saß Caro an ihrem Handy und aß ein Toastbrot mit Marmelade. Ihr Handy war in der Hand und sie schaute nicht zu mir auf.
"Was ist mit Jonas?", fragte sie mich.
"Was soll denn sein?"
"Wie läuft's so?"
"... Gut." Ich wusste nicht, worauf sie hinauswollte. Denn so hatte sie noch nie mit mir geredet.
Sie zuckte mit den Schultern und nahm ihre Jacke vom Stuhl.
"Bin mit 'ner Freundin verabredet."
"Du wolltest doch das Wohnzimmer aufräumen!", rief ich ihr hinterher.
"Nö, kein Bock."
Dann hörte ich auch schon wie die Tür sich schloss. War ja typisch.
Nach dem ich den Wohnzimmer aufgeräumt habe, zog ich mich rasch um und ging Jonas besuchen. Wir schauten uns Videos auf YouTube an und spät Abends kam ich wieder nach Hause, wohlwissend, dass morgen erneut ein blöder Tag in der Schule sein wird.

Oktober.

November.

Dezember. (Weihnachten, aber dieses Jahr hatte ich überhaupt kein Gefühl davon. Mama hatte nicht mal einen Gans in den Ofen geschoben, was sie jedes Jahr und wir sind nicht mal Oma besuchen gegangen. Sie fand, dass wir dieses Jahr auf alles verzichten mussten. Jedoch wusste ich, dass sie ihre Verwandtschaft nicht sehen wollte. Sie wollte nicht gehen um sich zu blamieren und zu sehen wie ihre Schwester eine tolle Ehe hinbekam. Ich war ehrlich gesagt froh dadrüber, kein gemeinsames Essen, keine Oma 'ich fütter' dich voll' und keine Verwandtschaft.) Naja, weiter geht's.

Federleicht Donde viven las historias. Descúbrelo ahora