Kapitel 52

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Mir war total unbehaglich. Ich knetete meine Hände während ich zitternd vor Kälte auf Schwester Fiona wartete.
"Oh da bist du ja.", sagte sie und stellte eine Waage auf den Boden. "Dann stell dich bitte hier rauf."
"So, 46kg. Dann stell dich bitte an das Maßband. "1.68m.", las sie ab.
Sie tippte das in ihr Taschenrechner ein. "Keine guten Werte, Elena. Aber wir schaffen das." Sobald sie das sagte, zog ich mich wieder sehr warm an, auch wenn das Wetter das nicht unbedingt erforderte, aber mir war total kalt. Ich eilte schnell in mein Zimmer um zu sehen was Lisa mir vorhin gegeben hatte. Es war ein Umschlag und ich war Sebastian dankbar, dass er den hierher brachte.

Für Elena.
Vielleicht findest du es mega kitschig und nicht passend. Ich weiß nicht, ob du dir das durchlesen möchtest, wenn du weißt worum ist geht.
Aber ich schreibe das hier für dich, weil ich mich schuldig fühle, dass ich das alles nur stumm beobachtet habe, obwohl ich mir denken konnte wo das endet.
Es geht um Magersucht.
Ich weiß nicht, inwieweit du dich im Internet/ in Büchern informiert hast, jedoch weiß ich, dass es zwei Arten davon gibt.
1. Proanas, die ganz genau wissen dass sie zu dünn sind, es aber als Lebensstil betrachten.
2. Mädchen, die sich immer zu dick fühlen, auch wenn sie knochendünn sind. Es ist eine Wahrnehmungsstörung.

Kannst du dich zuordnen?

Generell will ich dir sagen, dass es nicht gut ist, was du tust.
Ich bedaure dir sagen zu müssen, dass es eine Krankheit ist und du dich nur aus eigener Motivation befreien kannst. Bitte nimm zu Herzen, was ich dir sage.

Denn ich will dich wieder hier. Wir können wieder gemeinsam lernen, Eis essen und uns über Julia beschweren. Ich vermisse die Zeit, wirklich, ich hoffe das beruht auf Gegenseitigkeit.

Liebe Grüße
Lisa

Ich wollte es nicht wahrhaben, aber ich weinte. Als ob ihre Worte mich zu Tränen rührten...? Dennoch war es so.
"Hey Elena.", sagte Sophia als sie ins Zimmer kam. Ich hatte bis jetzt ihre Anwesenheit gar nicht bemerkt.
"Wir haben jetzt die Selbsthilfegruppe."
"Ich komme sofort.", sagte ich und schniefte.
Bevor ich losging putzte ich mir die Nase und wusch mein Gesicht mit eiskaltem Wasser. Nach ein paar Minuten ging ich dann los.
"Elena ich hab dir ein Platz freigehalten!", rief Sebastian mir zu. Ich lächelte ihn an und pflanzte mich neben ihn.
"Oh, hast du geweint?", flüsterte er. "Wegen dem was deine Freundin dir gegeben hat?"
"Hast du nicht reingeguckt?"
Er schüttelte energisch den Kopf "Denkst du so von mir?"
"Nein, es tut mir leid."
"Ist schon in Ordnung. Wann immer du darüber reden willst, ich bin dir Ohr."
"Danke. Das weiß ich zu schätzen."
Ich schaute kurz in die Runde und betrachte fast jedes Gesicht, und jede Person. Von weitem waren wir vielleicht alle gleich, aber hier von der Nähe sah man die Unterschiede, vor allen Dingen, in welcher Fassung jeder einzelne war.
Während es manche gab, die sich total unwohl in ihrer Haut fühlten und gekrümmt saßen, gab es andere, Schlagwort Amanda, die selbstsicher und voller Stolz hier saßen.
"Hallo zusammen.", sagte Sabrina in die Runde und lächelte warm in die Runde. "Ich hoffe euch geht es gut." Manche antworteten, aber manche hielten auch einfach nur den Mund wie ich.
"Heute geht es um das hier und das jetzt.", sagte Sabrina und kramte etwas in ihrem Ordner. "Mit was verbindet ihr dieses Bild?" Man sah einen Typen, der auf der Spitze eines hohen Berges stand und glücklich die Arme ausstreckte.

Ich dachte an Freiheit, Erfülltheit und Gewinnen.
"Ich würde runter springen.", murmelte jemand. Sabrina horchte sofort auf und schaute das Mädchen an, was das sagte. "Möchtest du dich weiterhin dazu äußern?"
"Ich würde springen, es wäre ein einfacher, schneller Tod."
"Keiner würde dich vermissen.", murmelte Amanda so laut, dass alle es hören konnten.
"Amanda.", mahnte Sabrina sie. "Sowas wird hier nicht gesagt, wir sind eine SelbsthilfeGRUPPE. Jetzt sollen bitte alle aufzeigen, die Jane vermissen würden."
Auch wenn es nicht unbedingt der Fall war, da ich die Person nicht kannte, hob ich meine Hand. Und viele andere auch.
"Siehst du Jane? Und das alleine hier. Man würde dich vermissen."
Sie war zu Tränen gerührt und atmete tief ein. Es war ein Mädchen die einfach Zuwendung brauchte und Leute wie Amanda sie noch mehr runterziehen.
"Kann sich noch jemand dazu äußern?"
Keiner meldete sich zu Wort. "Sebastian du?"
"Ähm. Ich verbinde damit, dass jeder seine Ziele erreichen kann, wenn man sich Mühe gibt."
"Möchtest du dein Ziel in der Runde teilen?"
"Zunehmen."
Es wurde still und alle betrachteten das strahlend lächelnde Gesicht Sabrinas.
"Du schaffst das. Wir alle stehen hinter dir. Du wirst hier rauskommen, nach Hause gehen und dein Leben weiterführen." Er nickte und dann schaute er kurz in meine Richtung.
"War ja auch mal Zeit.", murmelte Amanda und die Mädchen neben ihr kicherten.
"Also ich finde das äußerst beeindruckend.", meldete ich mich schnell zu Wort. "Das macht dich stärker als so manch anderer in dieser Gruppe." Ich schaute Amanda in die Augen. Bildete ich mir das nur ein, oder funkelten ihre Augen? Jedenfalls sah ich die hochgezogene, kritische Augenbraue.

"Ja das finde ich auch, Elena.", stimmte Sabrina mir zu.
Danach laberten wir über andere Dinge, die nichts mit Abnehmen oder dem Gewicht zu tun hatten und die Zeit verflog hier rasend schnell.
"Okay ich erkläre die Sitzung nun für beendet."
Bevor ich ging beobachtete ich wie Sabrina zu Jane ging. Wahrscheinlich wollte sie ein Einzelgespräch wegen der Aussage. Dann war ich in Begriff zu gehen, aber Sebastian hielt mich auf. "Hey, Elena, Danke dass du eben hinter mir standest."
"Natürlich. Das tun Freunde."
Er lächelte mich an, aus echter Freude und ich konnte nicht anders als dieses Lächeln zu erwidern.
Dann wurde er plötzlich ernst. "Ich will echt nicht, dass du meinetwegen Streit mit Amanda hast. Sie ist echt keine tolle Feindin."
"Ich weiß. Ich kannte mal ein Mädchen mit mehr Gewicht, die aber genauso war wie sie."
"Oh. Also weißt du ganz genau mit wem du es aufgenommen hast."
"Ja so gut wie." Wir gingen beide los. "Und das beste Mittel ist keine Beachtung schenken. So hatte sie das damals bei mir gemacht."
"Okay. Cool. Ich mache mit."
Sebastian begleitete mich dann schweigend zu meinem Zimmer. "Darf ich dich umarmen?", fragte er etwas schüchtern.
"Ja klar." Und es war echt schön körperliche Zuwendung zu bekommen.
"Bis dann.", sagte ich und ging dann in mein Zimmer.

Federleicht1: Guten Abend Ladies. Was macht ihr so?

Ciara44: Ich lese ein Buch und bin gleichzeitig auf dem Chat hier.

Crazythingirl: Nix -.-

Anele123: Sitze in meinem Zimmer rum. Meine Zimmergenossin hat mir wieder ihren iPad ausgeliehen. Aber ich musste fragen.

Federleicht1: Möchte sich noch jemand äußern?

Iwanttobeskinny: Hi Leute.

Federleicht1: Keiner setzt sich mit dem Abnehmen auseinander? Nutzt. Jede. Sekunde!

Anele123: Ich bin in der Klinik, da funktioniert das nicht so.

Federleicht1: Sport im Bad?!

Nee. Ich hatte echt keine Lust, dass sie es jetzt auf mich abgesehen hat.

Anele123: Ich weiß nicht ob ich meiner Zimmergenossin trauen kann. Sie könnte es weitererzählen, obwohl ich ja allen Vorspiele ich würde zunehmen.

Federleicht1: Vorspielen? Ich hab das Gefühl du nimmst das nicht ernst. Die ersten 12 Fragen die du alle mit ja beantwortet hast, sollten auch so bleiben!

Anele123: Ich kann nicht anders. Und doch, ich bin eine stolze proana.

Federleicht1: Okay, jetzt mal an alle. Ihr könnt euch besonders schätzen, wenn ihr hier seid, denn hier dürfen nur Leute sein, die Proanas sind. Wer kann mir die 12 Fragen aufschreiben?

Ciara44: Du nimmst ab? Du fühlst dich zu dick und kriegst das von jedem Vollidiot zu hören? Du treibst Sport? Du isst so wenig wie möglich am Tag? Du trinkst literweise Wasser? Deine Eltern nerven? Du hast Schwindelanfälle? Du hast Haarausfall? Dir ist immer und überall kalt? Du kannst deine Rippen zählen? Deine Knochen treten hervor? Du kotzt, wenn es sein muss?

Federleicht1: Danke @Ciara44. So und jetzt @Anele123 wie viele Fragen konntest du mit ja antworten?

Anele123: Es geht nicht anders. Ich bin in einer Klinik und werde nonstop überwacht. Ich will schnellstmöglich hier wieder raus also spiele ich nach deren Regeln.

Federleicht1: Langsam ziehe ich in Erwägung dich hier rauszuschmeißen @Anele123. Es ist keine Entschuldigung wenn man in der Klinik ist, verdammt nochmal!

Ich antwortete daraufhin nicht.
Sie wollte mich rausschmeißen...? Schock in the moment.

Federleicht1: Ein Tipp. Das nächste Mal wenn du dich wiegen musst nimm das Gewicht, was sich in den Gardinen befindet und tu das in deine Unterwäsche.

Anele123: ... Danke für den Tipp.

Federleicht1: Du könntest jetzt meine Füße küssen. Aber ich ziehe es vor, dass du eine Proana bleibst und das tust was wir alle tun: Abnehmen.

Als ich das las, bemerkte ich überraschenderweise selbst, dass ich nicht so begeistert war.

Federleicht Où les histoires vivent. Découvrez maintenant