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Niedergeschlagen ließ Mario sich auf der Bank nieder über der der Haken mit seinem Trikot hing.

Das zweite Mal in Folge hatten sie eben wichtige Punkte fahrlässig verspielt. Punkte, die darüber entschieden, ob sie dieses Jahr mit einem Titel rechnen konnten. Momentan sah es eher so aus als würde es sich auf höchstens einen Titel beschränken, wenn sie diesen nicht auch noch am kommenden Montag verspielen würden.

Frustriert löste Mario die Kapitänsbinde von seinem Arm und warf sie schon fast neben seinen Kulturbeutel. Im Inneren dessen bemerkte er es gerade aufleuchten. Es musste sein Handy sein, das er darin verstaut hatte. Eilig fischte er es hervor und laß die neue Nachricht.

"Wollen wir Schü beim nächsten Eltern-Kind-Kurs mitnehmen? Die Beate meinte doch sie würde sich freuen wenn wir noch mehr Leute in den Kurs bringen 😜"

Sie hatten gerade womöglich ihre Chancen auf das Viertelfinale in der Champions League, der größten und wichtigsten Fußballbühne, verspielt und Marco scherzte über einen Vorbereitungskurs und André im Zusammenhang damit.

Mario war zunächst fassungslos über die Nachricht, doch er verstand auch sofort, warum Marco ihm diese Nachricht schrieb und auch warum gerade jetzt.

"Dazu muss der seinen Arsch erstmal wieder nach Dortmund bewegen und der nächste Kurs ist ja schon Samstag. Ich glaub das wird schwierig", antwortete Mario und ließ sich dann gegen die Wand hinter sich fallen.

Einen Moment lang beobachtete er das Treiben in der Kabine. Es gab jedoch wenig Bewegung im Raum. Gesprochen wurde auch nicht viel. Alle waren wortlos mit sich selbst und ihren Sachen beschäftigt oder saßen einfach nur enttäuscht da und starrten in die Leere.

"Never say never 😉🎶", leuchtete Marios Display wieder auf und unwillkürlich musste er lächeln.

Er wusste wie diese Nachricht gemeint war. Die Noten verrieten es ihm und augenblicklich spielte das Lied in seinem Kopf ab.

Sie hatten sich diese Worte immer gesagt wenn etwas aussichtslos schien oder sie einander wieder aufbauen wollten. Sie beide kannten das bekannte Lied selbstverständlich auswendig, schließlich hatte ihr Interesse an Justin Bieber sie schon immer verbunden.

Mario atmete tief durch. Er konnte sich gut vorstellen, dass Marco diese Worte zweideutig gemeint hatte. Er spielte nicht nur auf Schü und den Vorbereitungskurs an, sondern auch auf das Spiel und die momentane Lage. Mario kannte Marco inzwischen einfach zu gut um zu wissen, dass die Worte des Blonden meist eine stärkere Bedeutung hatten als sie auf den ersten Blick schienen. Zu Marios Zeiten bei Bayern waren diese versteckten Worte in Interviews schließlich die einzige Möglichkeit gewesen wie sie heimlich miteinander hatten kommunizieren können.

Mario stand nun wieder auf, griff dabei nach der Kapitänsbinde, die er ganz fest in seiner Faust hielt und stellte sich auf die Bank.

"Jungs!", rief er in den ungewohnt ruhigen Raum und erlangte sofort die volle Aufmerksamkeit aller, "wir haben dieses Spiel vielleicht verloren, aber es gibt immer noch ein Rückspiel! Ein Rückspiel, das wir zuhause spielen! Eins bei dem die Jungs, die uns heute gefehlt haben wieder dabei sein werden! Ein Spiel bei dem Tottenham aber immer noch ohne Kane und Dele sein wird! Es sieht vielleicht gerade alles hoffnungslos aus, weil wir drei Tore aufholen müssen, aber wir spielen das Rückspiel zuhause! Mit unserer gelben Wand im Rücken! Mit Paco, Jule, Piszczu und Marco, der uns wieder als Kapitän auf den Platz führt! Wir wissen jetzt, dass wir uns mehr darauf konzentrieren müssen Son auszuschalten! Wir wissen wo wir uns verbessern müssen! In ein paar Wochen wird Tottenham mit demselben Personal wie heute zu uns nach Dortmund kommen, aber wir werden stärker sein! Wir werden vorbereitet sein! Wir haben dann die Fans im Rücken! Momentan liegt der Druck vielleicht bei uns, aber sobald wir an diesem verdammten Dienstagabend den Platz unter tosenden Lärm betreten, wird der Druck bei Tottenham liegen! Wenn ich eins vom Fußball gelernt habe, dann, dass nichts unmöglich ist! Für heute ist es vorüber, aber es ist noch lange nicht vorbei! Wir sind hier noch nicht raus! Es liegt immer noch in unserer Hand und ich glaube an uns! Never say never! Heja BVB!"

Marios Rede hatte tatsächlich für bessere Laune im Team gesorgt und so riefen zu Marios großer Freude alle ebenfalls "Heja BVB!", und bauten sich motiviert auf.

Zufrieden und auch selbstbewusster stieg Mario daraufhin von der Bank und griff wieder nach seinem Handy.

"Du hast recht. Never say never", schrieb er Marco, der nur mit "💪", antwortete, ehe er motiviert nach einem Handtuch griff, Jadon noch einmal aufbauend auf die Schulter schlug und dann in der Dusche verschwand.

Eine gute halbe Stunde später saß die Mannschaft schließlich wieder im Bus und war auf dem Weg zurück zum Teamhotel. Es war inzwischen ruhiger geworden. Einige schliefen, andere hörten Musik und sahen dabei einfach nur auf die Lichter von London.

Mario ging es nicht anders, als mit einem Mal sein Lied stoppte und das Handy in seiner Hosentasche vibrierte. Irritiert fischte er das Gerät hervor und laß Marcos Namen auf dem Display. Er nahm den Anruf an und lehnte den Kopf anschließend wieder an die Fensterscheibe.

"Hey", sagte er mit ruhiger Stimme, da er die Ruhe im Bus nicht stören wollte.

"Hey zurück. Wie geht's dir?", fragte die verzogene Stimme durch den Hörer.

"Ganz okay, denk ich...", murmelte Mario unsicher. Er wusste genau, dass Marco seine Worte schon durchschaut hatte.

"Marius hat mir von deiner kleinen Rede in der Kabine erzählt", entgegnete Marco nur.

Mario schwieg.

"Das hast du gut gemacht. Klangst richtig motivierend und ausnahmsweise mal ernst und erwachsen", scherzte Marco weiter.

Mario verdrehte die Augen, erwiderte aber dennoch nichts weiter.

"Ich bin stolz auf dich Mario. Jeder sagt mir immer wie sehr ich im letzten halben Jahr gereift bin, aber du bist auch erwachsener geworden. Ich hätte mir niemanden anderen vorstellen können, der heute meine Binde hätte tragen können, geschweige denn eine motivierende Rede hätte halten können. Du machst einen super Job."

"Danke", hauchte Mario schließlich während seine Augen die Dunkelheit absuchten.

"Steht das am Samstag um zwei bei Ann Kathrin noch?", wechselte Marco schließlich das Thema.

"Ja, das steht noch", bestätigte Mario ihm, während der Bus langsam in die Einfahrt des Hotels einbog.

"Gut. Wir sehen uns dann spätestens Samstag. Gute Nacht und guten Flug morgen", sagte Marco.

"Ja, Danke. Dir auch. Tschau", verabschiedete sich Mario und beendete das Gespräch schließlich.

Als er sein Handy gerade wieder in seiner Hosentasche verstaut hatte, öffneten sich die Türen des Busses.

Er griff nach seinem Kulturbeutel auf dem freien Platz neben sich, auf dem im Normalfall Marco sitzen würde und quetschte sich in den schmalen Flur um das Gefährt zu verlassen.

Er spürte wie die Müdigkeit sich jetzt auch langsam in seinen Knochen breit machte. Dankbar, dass keine Fans mehr am Eingang des Hotels standen, lief er mit schnellen Schritten in die Hotellobby und hinauf in sein Zimmer. Das Einzige, was er jetzt noch brauchte war sein Bett und Ruhe.

Hope for LoveWhere stories live. Discover now